Bürokratie in Mittelamerika: Panamakanal

Panama, Anfang Juni 2021

Viele Segler der norddeutschen Küste kennen den Nord-Ostsee-Kanal. Man spart sich den Weg rund Dänemark. Die Passage ist denkbar einfach. Man kommt vor und irgendwann auch durch die Schleuse, zahlt einen kleinen Obolus, denkt an das Nachtfahrverbot und kommt nach ca. 100km auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins wieder raus.

Viele Blauwassersegler auf der sogenannten „Barfußroute“ kennen den Panamakanal. Man spart sich den Weg rund Südamerika. Auch wenn wir diesen nicht gescheut haben, wählen wir für den Weg vom Pazifik zurück in den Atlantik die künstliche Wasserstraße. Die Passage ist… nun ja, sagen wir mal ein klein wenig aufwändiger und nicht zuletzt teurer.

Am Anfang steht die Grundsatzfrage, ob man für die Formalitäten einen Agenten bemühen möchte. Derer gibt es viele, die offiziellen sind nach allem was wir gehört und gelesen haben durchweg zuverlässig und preislich nehmen sie sich nicht viel. Ja, man kann das alles natürlich auch in Eigenregie machen. Nicht zuletzt aufgrund eher dürftiger Kenntnisse der spanischen Sprache, anderen unerlässlichen 2DOs sowie auch einer gewissen Bequemlichkeit war das für uns jedoch keine echte Option. Auf Empfehlung der SY Thula kommen wir mit Rogelio de Hoyos (Panama Cruiser Connection) zusammen. In Personalunion ist er Trans Ocean Stützpunktleiter in Panama City. Neben all den Formalitäten für unsere Einreise ins Land, kümmert er sich auch um alle formalen und praktischen Voraussetzungen für eine Passage zwischen den Ozeanen und hilft bei allen Fragen, Problem, Besorgungen und was noch so anfällt. Danke Rogelio!

Unser guter Geist Rogelio ist immer zur Stelle!

Schiffsinspektion

Jedes Boot, inklusive kleiner Segler, bekommt vor seiner ersten Passage durch den Kanal persönlichen Besuch von einem offiziellen Inspektor. Am vereinbarten Termin wird dabei zunächst penibel die Gesamtlänge des Schiffes aufgenommen. Basis sind die Bootspapiere zuzüglich darin nicht verzeichneter Überhänge wie z.B. Dinghy oder Solarpanel. Wichtig ist dabei, möglichst unter der „magischen Grenze“ von 65 Fuß zu bleiben, doch dazu später mehr. Weiterhin werden die Ausrüstung aufgenommen, Klampen begutachtet und wertvolle Hinweise gegeben. Bei uns läuft das in einem sehr entspannten Gespräch im Cockpit ab. Zum Abschluss bekommen wir einen Zettel mit unserer „Ship Identification Number“. Diese bleibt fortan dem Schiff erhalten, so dass es bei weiteren Passagen nicht erneut inspiziert werden muss.

Linehandler

Wir dürfen die Passage nicht alleine machen. Vorgeschriebene Mindestbesatzung sind der Skipper am Ruder sowie vier sogenannte „Linehandler“. Voller Optimismus besetzen wir den zweiten Platz neben La Skipper mit Samuel, so dass uns nun nur noch zwei Personen fehlen. Natürlich könnten wir diese (kostenpflichtig) über den Agenten besorgen. Doch vorher folgen wir wiederum dem Tipp der SY Thula und schreiben die deutsche Botschaft in Panama City an. Vielleicht hat ja jemand Lust mitzukommen? In der Tat melden sich Rudi und Natalija. Sie hatten bei der letzten Anfrage keine Zeit und sind überglücklich, mit uns die Passage machen zu können. Segel- oder gar Bootserfahrung haben sie zwar nicht, aber das wird kurioserweise auch nicht verlangt. Damit sind wir vollzählig.

Diese Leinen sind zu „handlen“

Leinen und Fender

Für die Ausstattung gibt es klare Vorschriften. Es müssen mindestens sechs richtig große Fender an Bord sein. So in der Art unserer zwei (inzwischen Lieblings-)Fender „Charly und Charleen“ aus Ushuaia. Alternativ gehen auch Autoreifen. Des weiteren müssen vier mindestens 2,2cm (7/8“) dicke Leinen mit mindestens 38m (125ft) Länge dabei sein. Die hat auch nicht jeder immer an Bord. Hier hilft wiederum unser Agent Rogelio. Er bringt alles vorab zum Boot und holt es nach der Passage wieder ab.

Charly und Charleen in guter Gesellschaft

Gebühren

Nichts auf der Welt ist umsonst. Schon gar nicht die Passage durch den Panamakanal. Für Schiffe bis 19,81m (65ft. – darüber wird es teuer) fallen Stand Juni 2021 an…

  • Transit Tolls – $1.600
  • TVI Inspection – $75
  • Security Charge – $165

Das macht dann also $1.840 nur für die Passage. Dazu kommen $350 für den freiwillig genommenen Agenten. Dann ist noch eine Sicherheit von ca. 900$ zu hinterlegen, die nach erfolgreichem Transit erstattet wird. Nur Bares ist Wahres… bei Kartenzahlung kommen 1,5% Bankgebühren oben drauf. Ist aber immer noch günstiger als Barzahlung. Beim Geldabheben am Automaten mit ausländische Kreditkarten werden bei max. 250$ pro Transaktion satte 5,25$ Gebühr, mithin über 2% aufgeschlagen.

Solarpanel schützen

Man erkennt ein Segelboot, dass vom Panamakanal kommend den Hafen anläuft, meist schnell am geschützten Solarpanel. Eine der Optionen beim Schleusen beinhaltet, dass man mit einer „Affenfaust“ (einem festen Knoten) versehene Seile an Bord geworfen bekommt. Dabei ist wohl schon mehr als ein Solarpanel zu Bruch gegangen. Es ist unbedingt angeraten, den Energiespender zu schützen. Manche legen Matten drauf, auch eine Holzplatte soll helfen. Doch als Familienboot, das wir nun mal sind, gibt es eine besonders ästhetische Variante. So binden wir also zwei bunte Luftmatratzen nebst Schwimmbrett auf das schützenswerte Gut. Hoffentlich wird das nicht als Zielscheibe missverstanden.

Gut geschütztes Solarpanel

Termin

Je nach Andrang ist bei der Terminvergabe mit einer gewissen Vorlaufzeit zu rechnen. In der Hauptsaison (Jahresanfang) auf der üblichen Route (Start Atlantik) können das schon mal Wochen sein. In der Nebensaison (jetzt) auf der unüblichen Route (Start Pazifik) reichen wenige Tage. Am 15. Juni beantragt unser Agent den Transit für den 19. Juni. Die finale Bestätigung kommt am Vortag zusammen mit einem vorläufigen Termin für die frühmorgendliche Übernahme des Advisors.

Pilot vs. Advisor

Eine kurze Erklärung zu Pilot und Advisor. An gefährlichen Einfahrten, in Kanälen oder sonstigen kniffligen Stellen besteht insbesondere für die Berufsschifffahrt die Pflicht, einen Pilot an Bord zu nehmen. Dieser trägt dann die Verantwortung und übernimmt damit auch faktisch die Kommandogewalt an Bord. Das ist natürlich auch im Panamakanal so. Zumindest bei Schiffen über 65ft. Darunter, also auch bei unserer kleinen Samai, kommt ein sogenannter Advisor an Bord. Dieser steht mit wertvollem Rat und helfender Tat zur Seite. Die letzte Entscheidungsgewalt verbleibt aber beim Skipper.

Kochen

Der Advisor muss, die Leinenhandler sollten (fairer Weise) an Bord beköstigt werden. Original verschlossene Wasserflaschen sind Pflicht. Für das Essen kocht man am Besten vor. Als alter Berliner entscheide ich mich für Bouletten und Kartoffelsalat. Der Vorabend steht also im Zeichen der Pantry.

Sollte für ein paar Bouletten reichen!

Funkwache

Parallel dazu muss am Vorabend des Transits das Funkgerät auf Kanal 12 empfangsbereit sein. Darüber wird der Reihe nach allen Schiffen der folgenden Nacht vom Port Entry Coordinator (am Pazifik „Flamenco Signal“) der Zeitpunkt der Pilot-Übernahme angekündigt. Für die Samai bestätigen wir frühe 0345.

Advisor an Bord nehmen

Unsere Linehandler Rudi und Natalija schaffen es trotz nächtlicher Ausgangssperre pünktlich um 3:15 Uhr in die Marina. Halb vier verlassen wir den Hafen und treiben davor am „La Playita Anchorage“. Hier erwarten wir den Advisor. Kurz nach unserer Funkbestätigung, dass wir bereit sind, kommt das Pilotboot angebraust. Rick hüpft an Bord und verschafft sich einen Überblick. Moment mal… ein 13jähriger Linehandler? Eigentlich müsse er mindestens 15 Jahre alt sein. Doch unser kräftiger Samuel besteht die Sichtprüfung und wird akzeptiert. Damit sind wir komplett.

Los geht es durch den Panamakanal

… aber davon ein anderes Mal mehr!

2 Kommentare zu „Bürokratie in Mittelamerika: Panamakanal“

    1. Viele Dank für das Lob. Wir waren auch ein wenig überrascht, welcher Aufwand letztlich dahinter steckt. Obwohl es ja zugegebenermaßen einige, auch sehr gute Berichte auf anderen Seglerblogs dazu gibt. Aber jeder hat hier seine eigene Wahrnehmung… wir schreiben natürlich aus unserer Perspektive. Einig sind sich wohl alle nur darin, dass man nicht „einfach mal rasch rüberfahren“ kann.
      Liebe Grüße,
      Micha

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