Puerto Perme – Abschied aus Panama

4. – 6. August 2021

Ob wir nun offiziell dürfen oder nicht, ist uns egal. Wir fahren einmal quer über die große Bucht. Doch wo ist die versprochene kleine Bucht? Es sieht aus, als ob wir auf eine gerade Küste zufahren. Wir hangeln uns am empfohlenen Breitengrad 8°44‘N entlang. Hier soll es frei von Untiefen und Gefahrenstellen sein. Dann sehen wir doch noch die kleine Bucht sich steuerbord voraus öffnen. Doch wir sind nicht alleine. Nein… keine Segler… nicht hier und jetzt. Doch ziemlich genau am angepeilten Ankerplatz liegen zwei blaue Schiffe im Päckchen. Wir fahren vorbei und tasten uns vorsichtig voran. Doch es wird flach. Der hintere Teil der Bucht ist wohl nicht im Guten erreichbar. Kurzerhand fällt der Anker nahe der Einfahrt an den ohnehin empfohlenen Koordinaten.

Da hinten ist es flach…
… dadurch ist die Bucht noch kleiner als sie scheint…
… insbesondere bei Lieferantenverkehr ;-)

Die zwei blauem Boote dienen offensichtlich der Versorgung. Kuna-Kanus fahren sie an und holen ihre Bestellungen ab. Einer der Besucher scheint den lokalen „Supermarkt“ zu betreiben. Sein Kanu ächzt unter der eingeladenen Last. Auch wir versuchen unser Glück, doch unser Begehr stößt auf taube Ohren. Frisches Gemüse, Hühnchen, nicht einmal Bier haben sie dabei. Hätten wir lieber doch mal bei den vor ein paar Tagen vorbeikommenden Kolumbianern gekauft. Deren Paprika sahen richtig gut aus. Merke: Siehst Du ein gutes Angebot, dann schlage zu!

Wir warten auf eine passende Wettervorhersage für den weiteren Weg nach Nordost. Nein, so richtig schönen Segelwind erwarten wir nicht. Dafür ist die große Bucht vor der kolumbianischen Westkaribikküste zu windarm. Aber Gegenwind muss es ja auch nicht unbedingt sein. Samuel macht Schule, wir spielen viel und genießen zwei ruhige Tage und Nächte.

Einen Wermutstropfen bringt der Anblick zweier recht junger Kuna-Mädels. In ihrem Kanu fahren sie nicht weit entfernt vorbei. Sie halten leere Büchsen in das Wasser, waschen sie aus und lassen sie dann auf den kleinen Wellen treiben. Eine nach der anderen. Zum Abschluss kommt auch noch die Plastiktüte hinterher. Der Zeitpunkt ist gut abgepasst. Die Strömung treibt ihren Müll aus der Bucht hinaus. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wenn schon die Kinder angeblich naturverbundener, indigener Völker eine solche Entsorgung als Standard lernen, was sollen wir vom Rest der Menschheit erwarten? Wir könnten Heulen.

Der Mülleimer ist leer…
… die Strömung treibt es aus den Augen, aus dem Sinn! :-(

Dann ist es soweit. Die Pässe sind gestempelt, die Vorhersage passt, der Anker geht auf und wir sagen „Adiós Panama“. Es war abwechslungsreich und schön. Der Kanal ein (ungeplantes) Erlebnis. San Blas / Guna Yala ist trotz aller vielleicht übermäßig benannter Kleinigkeiten definitiv einen Besuch wert. Doch wir wollen (und müssen) weiter. Kurs Nordost. Auf zu neuen Ufern.

Obaldia – Keine Reise wert!

3./4. August 2021

Der Revierführer beschreibt Obaldia nicht gerade blumig. Die Bucht ist weit offen und oft unruhig. Die Grenzstadt „a bit rough but friendly“. Die Polizei trägt AK-47. Dafür gibt es angeblich die besten Einkaufsmöglichkeiten in San Blas / Guna Yala. Soweit die Theorie.

Obaldia

Zugegebenermaßen bestätigt sich vieles davon. Manches wird sogar „übererfüllt“. Die Bucht ist tatsächlich weit offen, bei der aktuellen Wetterlage aber soweit erträglich. Die Regenzeit ist in dieser Hinsicht ohnehin ruhiger. Glück gehabt.

Anlandungsstelle

Schon vom Ankerplatz aus sehen wir teils gut bewaffneten Flecktarn am Steg. Sieht eher nach Militär aus. Als ich am Strand anlande, kommt auch gleich das bewaffnete Begrüßungskomitee. Die erste Frage gilt einem aktuellen Test. Guter Witz. Wir sind seit Puerto Lindo gut fünf Wochen mit dem Boot durch Guna Yala unterwegs. Dann müsse ich gleich mal zu „Salud“. Also theoretisch. Irgendwann verläuft sich das Thema einfach.

Der Besuch bleibt uns erspart

Ein Kollege von der Grenzpolizei kommt, prüft und fotografiert Pässe sowie unser Cruising Permit. Dann schickt er mich weiter zu Immigration und „Autoridad Marítima“. Ich interpretiere das als Erlaubnis zu uneingeschränktem Landgang.

Vom Militär zum Strand
Vom Strand Richtung Ort
Gleich bin ich im Zentrum…

Nachdem die Formalitäten bei der Immigration erledigt sind, präsentiert die „maritime Autorität“ leere Büros hinter geschlossenen Türen. Nun gut, dann gehe ich erst einmal einkaufen. Soll hier ja gut gehen. Also theoretisch. Ich finde einen kleinen, mäßig sortierten Laden. Cola für die Kinder. Ok! Bier? Nein! Da müsse ich die Straße runter und dann links zu einem größeren Haus. Ich schlendere durch den Ort und sauge die Atmosphäre von Dreck und Verfall in mich auf. Nicht freiwillig. Sie ist einfach allgegenwärtig.

Immigration und Copy-Shop
Blick von der benachbarten Autoridad Maritíma
Haupteinkaufsstraße
Leider wenig einladend…

Irgendwann finde ich einen kleinen Bäcker. Die Auslage sieht echt gut aus und lädt ein, das anstehende Brotbacken an Bord zu verschieben. Von hier werde ich zu einem am Rand des Sportplatzes sitzenden Mann geschickt. Er verkaufe Bier. Dort angekommen heißt es warten. Ein hinzukommender Freund trägt die gewagte Trikot-Mischung „oben Arsenal – unten Lazio“. Aber sein kleines Mädchen ist echt süß. Überhaupt ist das hier anscheinend ein abendlicher Treffpunkt vor allem der jüngeren Bewohner.

Allgemeiner Treffpunkt am zentralen Sportplatz

Es dauert noch ein bisschen, bis die bessere Hälfte des Mannes gelangweilt mit dem Schlüssel zu seiner Bar kommt. Erst versorgt sie die schon wartenden, starken Männer in der offenen Hütte nebenan. Dann bekomme ich meine eisgekühlte Gerstenkaltschale. Light-Bier. Mjam! ;-)

Eine zum Glück nur mäßig schaukelnde Nacht später setze ich wieder über. Die Formalitäten bei der Autoridad Marítima sind halbwegs schnell und günstig erledigt. Noch etwas Brot gekauft und zurück zur Samai. Doch vorher muss ich mich nochmal bei Militär und Grenzpolizei melden. Ich gebe die entsprechenden Papiere ab und warte. Und warte. Dann wird mir gesagt, dass man noch eine Bootsinspektion vornehmen werde. Im Grunde kommt das nicht überraschend. Wir hatten schon bei unserer Ankunft damit gerechnet. Was dann aber folgt ist keine Inspektion, sondern Sightseeing zweier neugieriger „Autoritäten“.

Militärsteg… für mich gilt „Betreten verboten!“

Es fängt schon damit an, dass wir sie mit unserem Dinghy hin und her chauffieren dürfen. An Bord angekommen, stellen sie pflichtbewusst reichlich sinnlose Fragen. Ja, das da unter dem Cockpit-Tisch ist tatsächlich ein Grill und die große Tüte hinter dem Steuerrad enthält unseren Müll der letzten Wochen. Zum Abschluss gibt der Militärposten auf unserem Vorschiff dem Grenzpolizisten sein Handy und posiert mit „Daumen hoch“ für ein Foto. Na das nenne ich mal eine ausgesprochen professionelle Inspektion!

Die Profi-Inspektoren lassen sich zurückfahren… nicht ohne Selfie!

Jetzt aber endlich weg. Wir wollen noch auf besseres Wetter warten. Doch nicht hier! Vor Obaldia hält uns nichts mehr. Auf einem schaukelnden Warteplatz in Sichtweite des Militärs müssen wir uns wirklich nicht präsentieren. So fahren wir also doch noch eine allerletzte, kurze Etappe in Panama in eine kleine, gut geschützte Bucht. Keine Ahnung, ob wir das offiziell dürfen. Ich bin leider so blöd, diesen Plan gegenüber Immigration und Grenzpolizei zu erwähnen. Erstere scheint wenig begeistert. Doch irgendwie kann (oder will?!) ich die nette Dame nicht verstehen. Der Grenzpolizist verweist mehrfach auf eine nahe Bucht in Kolumbien. Das sei aber nur eine Empfehlung. Ich nehme diese letzten Worte als Freibrief für unsere Planung… Anker auf!

Da hinten liegt unser letztes Ziel in Panama!

Bahía Carreto – Trüber Zwischenstopp

1. – 3. August 2021

Unser letzter Zwischenstopp in Guna Yala führt in die große Bahía Carreto. Hier liegt eine gleichnamige, laut Revierführer sehr konservative Kuna-Siedlung. Vielleicht klappt ja ein Besuch? Wir gehen in der Abdeckung des Korallenriffs vor Anker und warten erst einmal ab, ob jemand bei uns vorbei schaut. Fehlanzeige. Allgemein sind hier sehr wenige Kanus unterwegs. Nur vereinzelt ein Gruß aus weiterer Entfernung. Da werden wir uns wohl mal auf gut Glück auf den Weg machen müssen.

Zufahrt in die große Bahía Carreto

Nach einer wieder mal leuchtenden, dabei erstaunlich trockenen Nacht empfängt uns ein sonniger Morgen. Wir beginnen den Tag mit einer Runde „Zug um Zug“, Frühstück und Schule. Am Nachmittag wollen wir einen Besuchsversuch im Ort starten, doch dann ziehen dunkel-grollende Wolken über die Berge. Außerdem sind vorhin verdächtig bekannte Boote an uns vorbei zum Strand gefahren. Es geht geschäftig zu. Da würden wir wohl eher stören. Später bestätigt sich unser Verdacht. Heute Abend gibt es wieder leckeres Grill-Hühnchen kolumbianischer Provenienz.

Am heutigen 2. August um 18:43 Uhr Ortszeit ist ein tieftrauriges Ereignis zu verzeichnen. Der letzte Tropfen Bier rinnt unaufhaltsam die Kehle des Skippers hinunter. Dann ist der Dampfer trocken. Wahrscheinlich zum ersten Mal seit seiner Erstwasserung im Frühjahr 2015. Dass ich das noch erleben muss. Hat uns das Schicksal denn nicht schon genug gebeutelt? Was noch? Wie wäre es mit einem Blitzschlag?! Obwohl…

Nach einer wieder mal leuchtenden, dabei ausgesprochen nassen Nacht empfängt uns ein regnerischer Morgen. Unser großer Wassersammeleimer ist randvoll. Das Wasser der großen Bucht schimmert beige von eingeschwemmten Sedimenten. Nur gut, dass der (mit Salzwasser getätigte) Abwasch schon erledigt ist.

Carreto
Auch die Flussmündung bringt braue Sedimente

Was für ein trüber Vormittag. Da jagt man doch keine Kinder von Bord. Irgendwie hat wirklich keiner von uns so rechte Lust auf einen Landgang. Kurzentschlossen holen wir den Anker ein und fahren die (mutmaßlich) letzte panamaische Etappe nach Obaldia.

Der Regen lässt grüßen…
Ausguck!!!

Achutupu (2) – Besuch im Ort

25. – 29. Juli 2021

Irgendwann fällt die Entscheidung, das Ende des großen Congresso abzuwarten. Wir wollen halt wirklich mal einen Kuna-Ort besuchen. Dann schaut doch nochmal unser designierter Guide Ratalio vorbei. Er habe auf uns gewartet. Ich antworte, dass wir keine Erlaubnis zum Landgang haben und hole dabei auch unser „Zertifikat“ hervor. Da zeigt er auf die Unterschrift des Oberhauptes von Achutupu und meint, dass dieser seine Erlaubnis gegeben habe. Klingt gut. Wir verabreden uns für den nächsten (letzten?! Kongress-)Tag um 10 Uhr hier an der Samai. Erstaunlicher Weise sind wir pünktlich abfahrbereit. Es wird 10:00… 10:15… 10:30… 10:45… 11:00 Uhr. Niemand da.

Ich werfe den Außenborder an und fahre mit dem Dinghy Richtung Achutupu. Praktisch jedes Augenpaar in Sichtweite schaut mir mindestens kurz mal hinterher. Dann sehe ich an Land zwei Jungs winken und „Miguel“ rufen. Da habe ich dann wohl Ratalios Familie gefunden. Eine junge Frau ruft rüber, dass er in den Bergen sei. Klingt logisch, dass er auf dem Rückweg mit dem Kanu bei uns vorbei schauen wollte. Hat aber wohl irgendwie nicht geklappt.

Dann fahren wir halt spätestens morgen alleine nach Achutupu. Nach Ende des Congresso sollten wir da definitiv auf der sicheren Seite sein. Heute machen wir dafür einen „normalen“ Schul- & Spieltag. Vorher unternehme ich mit Samuel aber noch einen kurzen Dinghy-Ausflug auf die Küstenseite.

Aus alter Tradition machen wir uns gegen 10 Uhr auf den Weg zum Ort. Schon von weitem winkt Ratalio. Wir machen neben dem Steg fest. Dann die Enttäuschung. Wegen dem Congresso dürfen wir leider immer noch nicht an Land kommen. Aber morgen, da soll es endlich klappen. Nun gut, wir verabreden uns also erneut. Natürlich für 10 Uhr.

Endlich ist es soweit. Ja, wir dürfen anlanden. Schon auf den ersten Metern tauchen wir ein in eine andere, uns unbekannte Lebensweise. Gut 2000 Menschen wohnen in Achutupu in einer Art und Weise zusammen, wie es sie in Europa wohl nicht (mehr?!) gibt. Jeder kennt jeden. Ein Wort hier, ein Gruß dort. Keine fünf Schritte ohne sozialen Kontakt. Irgendwie fühlt es sich an, wie eine große Familie. Und diese Familie hat drei unbestrittene Oberhäupter: die Sailas. Folgerichtig führt der erste Weg direkt dorthin. Vorbei an Flughafenbüro und Schule gehen wir direkt zum Zentrum der lokalen Macht. Unser Guide Ratalio geht in ein großes, dunkles Versammlungshaus. Kurz danach kommt er lächelnd wieder raus. Alles in Ordnung, wir haben die offizielle Erlaubnis für unseren Rundgang.

Nachfrage beim Chef!

Durch schmale, von löchrigen Zäunen gesäumte Gassen geht es weiter zur breiten Hauptstraße. Wobei der Name mangels fahrbarer Untersätze natürlich in die Irre führt. Hier ziehen wir immer mehr Aufmerksamkeit auf uns. Früher kamen öfters Touristen nach Achutupu. An der Küste gibt es eine kleine Landebahn mit regelmäßiger Verbindung nach Panamá City. Auf der Nachbarinsel steht sogar ein kleines Hotel. Doch das war in der „vor-C***-Zeit“. Landseitig sind Besuche in Guna Yala schon seit Monaten verboten, Segler in dieser Gegend zur Zeit aus doppeltem Grund rar. Einerseits konzentrieren sie sich ohnehin auf die westlicher gelegene Inselwelt. Andererseits gab es in der letzten Saison kaum Fahrten von der Karibik durch den Panamakanal und somit noch weniger potenzielle Besucher, als ohnehin schon.

So sind wir seit nunmehr über einem Jahr die ersten Touristen, die durch Achutupu schlendern! Gerade für die Kinder ist das DIE Ferienattraktion schlechthin. Immer mehr sammeln sich hinter uns. Sie tuscheln, schauen, lachen, trauen sich manchmal sogar einen mutigen Stupser zu, weichen nach einem überraschenden Blick dann aber schnell zurück. Teilweise schart sich ein Pulk von über 40 Kindern um unsere kleine Gruppe. Doch auch die übrigen Bewohner schauen uns hinterher, winken, fragen, lächeln… wir fühlen uns willkommen!

Am Strand schauen wir uns die aus Mahagoni gemachten Kanus genauer an und können natürlich auch nicht den angeschwemmten Müll übersehen. Ebenso wenig die von Geiern besetzten Dorf-Toiletten mit direkter Entsorgung ins Meer. Gerade schlendert ein junger Mann mit Toilettenpapierrolle unter dem Arm vorbei. Neugierig fragen wir Ratalio nach den im Revierführer genannten, selbstreinigenden Schweineställen. Das Prinzip soll dem der Toiletten gleichen. Doch es gibt sie nicht mehr. Zu Beginn der Pandemie ging hier das Gerücht, dass die Übertragung der Krankheit (auch) über Schweine erfolge. Daraufhin wurden sie ausnahmslos geschlachtet.

Unterwegs kommt uns auch die Polizei entgegen. Ja, es gibt hier tatsächlich direkt den Sailas unterstehende Ordnungshüter. Diese haben allerdings ein deutlich entspannteres Leben, als ihre Amtskollegen in Deutschland. Kriminalität gibt es nicht. Waffen sind unnötig. Uns wird gesagt, dass sie nicht zuletzt auf die überall umherschwirrenden Kinder achten. Wohl eher eine Art Kindergarten-Cop?!

Ganze drei evangelische Gotteshäuser gibt es in Achutupu. Sonntags steht der Kirchgang an. Einer der Priester hat nebenbei einen kleinen Laden. Schnell zieht er sich noch ein T-Shirt über. Dann verkauft er uns Cola. Überhaupt verteilen sich einige kleine Läden im Ort. Wir kaufen Eier, Zwiebeln und ein Hühnchen. Für den Skipper gibt es sogar Bier direkt vom aus Colón kommenden Versorgungsschiff am Steg.

Im Zentrum stehen drei große Gemeinschaftshäuser. Hier wird gefeiert. Etwa einmal im Monat! Dafür gleich drei Tage lang. Eines der Häuser ist für die Männer, ein anderes für die Frauen, das letzte schließlich für Küche und Kinder. Jeder wie es ihm gefällt.

Nicht weit davon entfernt steht die Schule. Die Einschulung ist wie bei uns mit fünf Jahren. Sieben Jahre lang ist die Schulbank zu drücken. Gerade sind zwar Ferien, aber ansonsten ist hier einiges los. Auf die etwa 2000 Einwohner kommen sage und schreibe 900 Schüler! Da haben die gut 30 Lehrer ordentlich zu tun. Die offenen, luftigen Klassenzimmer wirken zugleich fremd und vertraut. An der Wand hängen Buchstabentafeln, wie sie auch in heimischen Grundschulen zu finden sind. Der Schulhof ist zugleich Sportplatz. Direkt daneben findet sich ein kombiniertes Basketball-Fussball-Feld. Natürlich überdacht (… wie schon in Ecuador und Costa Rica immer wieder gesehen).

Es gibt auch ein kleines Krankenhaus, in dem sich ein(!) Arzt um auf Wartebänken vor der Tür ausharrende Patienten kümmert. Und einmal im Jahr fliegen für 10 Tage (insbesondere Zahn-)Ärzte aus den USA ein. Entweder von Panama gesponsert oder anderweitig finanziert. Für die Bewohner ist die gesamte medizinische Behandlung jedenfalls kostenlos.

Krankenhaus
Links die provisorische Zahnklinik

Auch das Wasser ist umsonst. Über unzählige Leitungen wird es von Flüssen an der bergigen Küste bis ins Dorf geleitet und verteilt. In der Tat bietet jede noch so einfache Hütte fließendes Wasser! Selbst Strom gibt es. Die Nähe zum Äquator bietet sich für Solarpaneele geradezu an. Schließlich sehen wir sogar einige wenige Satellitenschüsseln für abwechslungsreichen Fernsehempfang. Tradition trifft Moderne.

Zum Abschluss schlängeln wir uns etwas abseits durch enge Gassen. Insbesondere der Skipper muss immer wieder den Kopf einziehen. Das Ziel sind Haus und Familie unseres Guide Ratalio. Ein kleiner Einblick in den Alltag. Ein schöner Abschluss für einen unvergesslichen Rundgang durch Achutupu.

Achutupu (1) – Besuch an Bord

21. – 25. Juli 2021

Die heutige Etappe ist fast schon lächerlich kurz. Ganze 3sm bummeln wir von der gut geschützten Bucht zur Kuna-Siedlung Achutupu. Hier tobt das Leben. Immer wieder fahren Kanus vorbei. Täglich pendeln die Bewohner zwischen ihrem auf einer Insel gelegenen Ort und den auf der Festlandsküste gelegenen Feldern hin und her. Die Besatzungen sind bunt gemischt. Ob nun alleine oder in Gruppen, Mann, Frau oder Kind, teils mit Hund, meist mit Stechpaddel, manchmal unter Segel. Eines ist allen gemein. Freundlich und neugierig winken sie uns zu, rufen Grüße, fragen nach dem Woher und Wohin…

Der erste Besucher längsseits an der Samai ist ein junger Mann mit zwei Kindern. Soweit es mein radebrechendes Spanisch zulässt unterhalten wir uns kurz. Er ist schon am Wegfahren, da fallen mir unsere ausgemusterten Kinderflossen ein. Samuel und Maila sind rausgewachsen, zum Wegwerfen viel zu schade. Wir reichen sie rüber. „Regalo!“. Die Kinder freuen sich, einer springt gleich damit ins Wasser. Der paddelnde Mann schnappt sich dafür die eigentlich ebenfalls für die Kinder gedachten Kekse.

Die neuen Flossen werden gleich ausprobiert!

Am nächsten Tag kommt der 23-jährige wieder zu uns. Diesmal sind fünf Kinder im Alter von drei bis acht Jahren mit im Kanu. Er reicht ein paar Kochbananen und eine Ananas als Gegengeschenk rüber. Dann bietet er seine kleine Gruppe als Fotomotiv an. Und weil die schönsten Bilder an Bord entstehen, kommen sie auch gleich mal alle zu uns auf die Samai. Wir machen Fotos und setzen uns im Cockpit zusammen. Das Gespräch verläuft natürlich etwas zäh. Die Kinder schauen sich neugierig um, sind ansonsten aber recht still. Irgendwann sagen wir Adiós.

Schon am ersten Nachmittag kommt auch noch ein anderer Besucher mit zwei Kindern an Bord. Im Cockpit der Samai stellt sich der 35-jährige Ratalio als örtlicher Touristenführer vor. Ein Besuch von Achutupu sei kein Problem. Am nächsten Tag steige hier im Ort zwar ein großer Kuna Yala Congresso. Fünf Tage lang sitzen 49 kommunale Vertreter aller Ortschaften und Regionen mit dem obersten Chef von Kuna Yala zusammen. Doch das sei kein Problem. Klingt gut. Wir verabreden uns für den nächsten Vormittag am Steg.

Gleichaltrig!

Bei all diesen Treffen spielt diese C***-Sache übrigens nicht wirklich eine Rolle. Das sei hier schlichtweg kein Thema. Lediglich einige Ortsfremde, beispielsweise die Besatzung von Versorgungsschiffen, tragen (manchmal) einen Mundschutz. Aber sonst herrscht das normale Leben. Wir beteuern nach wochenlangem Bootsaufenthalt unsere Gesundheit. Damit ist das Thema erledigt. Nur einmal werden wir noch gefragt, wie viele Tote es denn in Deutschland gebe. Eine Antwort bleiben wir schuldig. Ebenso wie auf die Frage danach, was denn das Boot gekostet habe. Wir reden uns raus. Wie sollte man die Zahlen auch vergleichen. Wir leben letztlich in verschiedenen Welten. Das zeigt auch ein Größenvergleich zwischen unserer 9-jährigen Maila und einem gleichaltrigen Kuna-Jungen. Auch in dieser Hinsicht liegen Welten zwischen uns und unserem Besuch.

Am nächsten Vormittag wollen wir uns gerade auf den Weg zum Stadtrundgang machen, da kommt ein Motorkanu vorbei. Zwei junge Männer flankieren einen älteren Herrn mit grünem Hemd und buntem Hut. Ganz offensichtlich ist er hierarchisch höher gestellt. Freundlich überreicht er ein handgeschriebenes Zertifikat und treibt 10$ Ankergebühr für die Kommune ein. Kein Problem! Die Verständigung ist leider wieder recht holprig. Wir erfahren jedoch, dass wir aufgrund der großen Versammlung nicht an Land kommen dürfen. Ich verweise auf unseren Guide. Dieser soll nun informiert werden und mit den Autoritäten über uns sprechen. Vielleicht bekommen wir ja eine Sondererlaubnis?

Die nächsten Tage fahren zwar immer wieder Kuna-Kanus dicht an uns vorbei. Auch unser kinderreicher Besucher hält an und zeigt seine gefangenen Sardinen. Was einen Besuch an Land angeht, gibt es allerdings keine Neuigkeiten. Das ist aber kein Grund, überstürzt den Anker aufzuholen.

In den folgenden Nächten haben wir nach unerwartet langer Pause mal wieder richtig typisches Wetter mit Blitz, Donner und ordentlich Regen. Erstere halten dankenswerter Weise ausreichend Abstand, sei es auf dem Atlantik hinter Achutupu oder über den Bergen an Land. Letzterer füllt unsere Sammelstelle. La Skipper ist hellauf begeistert, ohne Wassertank-bezogene Reue endlich mal wieder ihre Haare waschen zu können.

Da braut sich was zusammen!
Wetterleuchten über und…
Blitz hinter Achutupu

So gehen die Tage vorbei. Nach mehr oder weniger frühem Aufstehen folgt irgendwann ein spätes Frühstück. Samuel hat noch einigen Stoff offen und macht daher recht viel Schule. Maila ist mit ihren Themen dagegen schon weitgehend fertig und macht eher viel Freizeit. Zwischendurch spielen wir. Nach dem abendlichen Essen wird reihum meist ein Film ausgesucht. Danach sitzt Samuel manchmal sogar noch bis Mitternacht mit Hörbuch über Kopfhörer im Salon und malt. Nach einer mehr oder weniger ruhigen, stets jedoch durchschwitzten Nacht, beginnt ein neuer Tag.

Kleiner Flughafen an der Küste
Die letzten Abgesandten reisen endlich wieder ab