Segler-Mythen: Wolkst du noch oder squallst du schon?

Es gibt wohl wenige Worte, die von (nicht zuletzt Karibik-) Seglern so oft mit einer Mischung aus Unbehagen, Ehrfurcht, manches Mal einer Prise Stolz, dann aber auch wieder ein Quäntchen Anerkennung heischend in den Mund genommen werden wie dieses…

Squall

Aber was ist das denn nun eigentlich genau? Zum Glück gibt es seit 1962 eine offizielle Definition der World Meteorological Organization (WMO). Demnach zeichnet sich ein Squall dadurch aus, dass die Windgeschwindigkeit plötzlich für mindestens eine Minute um mindestens 8 m/s (= 28,8 km/h = 15,6kn) auf mindestens 11 m/s (= 39,6 km/h = 21,4kn) zunimmt. Mit anderen Worten dümple ich bei einer grenzwertigen Flaute von 2Bft. über das Wasser und die durchziehende Wolke bläst für 65s mit 6Bft. Fertig. Squall. Natürlich sollte es dabei mehr oder weniger gern gesehene Begleiterscheinungen wie Regen, Hagel, Blitz und Donner geben, aber das ist im Sinne der Definition keine notwendige Bedingung.

Ganz ehrlich… als ich diese Definition das erste Mal gelesen habe, war ich ziemlich enttäuscht. Für mich war ein Squall immer etwas Bedrohliches, ja fast schon Gefährliches im Zusammenhang mit einer tropischen Depression… mithin dem meteorologischen Vorläufer eines möglichen tropischen (Wirbel-)Sturms. Dazu passte der Hinweis eines erfahrenen Seglers, dass so ein Squall eigentlich maximal einmal am Tag durchzieht. Danach ist erst einmal Ruhe.

Um so mehr habe ich mich immer gewundert, auf so manchem Segler-Blog von fast schon stündlich auftretenden Squalls zu lesen. Nun gut, auch wir haben dieses Wort beim Bericht unserer „Karibik-Kreuzfahrt“ schon einmal in die Feder genommen, dabei aber immerhin mit einem Fragezeichen versehen. Im Grunde war ich jedoch schnell zu dem Schluss gekommen, dass es sich wohl doch nur um zwar kräftige, letztlich aber stinknormale Wetterzellen handelte. Was für ein Irrtum! Es waren Squalls!!

Mithin entschuldige ich mich bei allen Seglern, die regelmäßig von Squalls gem. der offiziellen Definition heimgesucht werden und davon berichten. Ja, meine Skepsis war unbegründet. Ich lag falsch. Natürlich kann ich in diesem Zusammenhang dann aber auch schwerlich versäumen voller Stolz hinzufügen, dass in diesem Sinne auch unsere Samai schon unzählige Squalls überstanden hat. Seien es nun die Gewitterfronten vor der südamerikanischen Ostküste, die aus patagonischen Gletschern stürmenden Winddüsen, der kolumbianische „Culo de Pollo“, die dunkle Wolken in karibischen Nächten. Allesamt Squalls im Sinne der offiziellen Definition.

Ich gebe zu, hier bisher immer die Minimalanforderungen an einen Squall zugrunde gelegt zu haben. Es gibt natürlich auch Squalls, die Ihrem Namen alle Ehre machen. Windgeschwindigkeiten weit über 30kn aus dem Nichts. Dazu Starkregen, Blitz und Donner. Alles nicht schön. Gerne auch mal über die Grenze zur wirklichen Gefahr schielend. Immer eine gute, vorausschauende Seemannschaft verlangend. Auch diese Squalls weit jenseits dunkler Wetterzellen eher harmloser Natur gibt es da draußen und ich ziehe den Hut vor jedem, der diese entspannt abreitet.

Wie auch immer. Wichtiger als Windgeschwindigkeiten und Definitionen ist letztlich, dass wir alle heile über die Meere an unser Ziel kommen… auch wenn der Weg selbst eben dieses Ziel ist. Was macht es da schon für einen Unterschied, ob man noch wolkt oder schon squallt? ;-)

Segler-Mythen: Alle Segler wollen in die Karibik

Das mag für einige bis viele Segler stimmen, aber sicher nicht für alle!

Eines vorweg: wir wollen niemanden zu nahe treten oder persönliche Vorlieben und Wahrnehmungen schlecht machen. Aus gegebenen Anlass – schließlich haben wir dem Traumziel mutmaßlich aller Segler gerade nach einer ebenso kurzen wie ungeplanten Stippvisite den Rücken gekehrt – erlauben wir uns hier aber auch einmal eine klare Formulierung unserer persönlicher Vorlieben und Wahrnehmungen:

Wir wollten nie in die Karibik!

Und unser erzwungener Kurzbesuch hat uns darin eindrücklich bestätigt. Vielleicht sind wir ja auch nur eine unsoziale Seglerfamilie ohne Drang und Freude an der Gesellschaft von dutzenden anderen Segelboot in unserer Ankerbucht?! Man mag uns dabei dann aber bitte zu Gute halten, dass wir halt nicht das typische Segler-Pärchen sind, dass sich nach Abwechslung aus der irgendwann zwangsläufig anödenden Zweisamkeit sehnt. Wir sind eine vierköpfige Familie und damit den Tag über weitgehend ausgebucht. Und danach? Die Eltern verabschieden sich allabendlich auf einen geselligen Sundowner??? Nicht wirklich vorstellbar. Paare ohne Kinder treffen sich auch tendenziell viel lieber auf dem Familienboot, als dem eigenen schwimmenden Heim. Das regelmäßig geputzte und immer vorbildlich mit Süßwasser abgespritzte Boot könnte ja dreckig werden. Da ergötzt man sich lieber an dem unaufgeräumten, fast schon abgeranzten Ambiente, der jedem uns bekannten Familienboot inne wohnt. Hey… DAS ist seglerischer Charme. Zumindest in unserer kleinen Welt.

Ok, ich schweife ab. Die Karibik. Man sagt ja, dass die Südsee heute so sei, wie die Karibik vor 30 Jahren. Und damals wären wir hier wohl auch sicher gerne mal auf ausgiebige Erkundungstour gegangen. Aber heute? Nein danke! Die Buchten sind (zumindest nach unseren Maßstäben) überfüllt und die Preise für eine durchschnittliche Familie tendenziell astronomisch. Doch es gibt genug Segler, die es sich nicht nur leisten können, sondern auch noch lächelnd bezahlen und somit Forderungen und Erwartungshaltungen in die Höhe treiben. Die Karibik ist ein vielleicht schönes, aber letztlich hinreichend elitäres Pflaster geworden. Vielen Dank auch.

Ok, ich werde zynisch. Keine Ahnung, ob wir – wie schon an anderer Stelle geschrieben – verwöhnt oder verdorben sind. Eines ist sicher, die Karibik ist nichts für uns. Und damit stehen wir ganz sicher nicht alleine. Zumindest wenn die diese Gegend oft so hoch in den achten Himmel lobenden Segler mal GANZ ehrlich zu sich sind. Auch in der Karibik ist nicht alles eitel Sonnenschein! Das wird aber gerne verdrängt oder verschwiegen… jedenfalls praktisch nie publiziert. Vielleicht handelt es sich ja auch um das klassische „Wir haben es uns hier so toll vorgestellt, also muss jetzt auch einfach alles toll sein“-Phänomen? Uns ist jedenfalls jeder am Boot vorbei schwimmende Chungungo in der atemberaubenden Landschaft Patagoniens vielfach lieber als die verwöhnten Strandschweine der Bahamas. Doch vielleicht sind wir ja auch die absolute Ausnahme… und einfach nur dumm und ignorant?

Wie dem auch sei, es beweist eines: nicht ALLE Segler wollen in die Karibik. Wir sind unglaublich dankbar dafür, viele abgelegene Ecken jenseits der massenhaft ausgesegelten Routen entdeckt haben zu dürfen. Die Welt ist einfach so groß und so schön! Tun wir alle alles, dass sich das nicht ändert!!!

Segler-Mythen: Zwei Segelboote = eine Regatta

Das mag für einige bis viele Segler stimmen, aber sicher nicht für alle!

Oh wie oft habe das schon gehört oder gelesen. Bevorzugt Skipper von performanceorientierten Segelyachten werden nicht müde, ihr Mantra zu wiederholen: sobald sich ein anderer Mast, oder auch nur ein segelndes AIS-Signal zeigt, wechselt angeblich JEDER Segler sogleich in den Regatta-, also Wettfahrmodus. Die Segel werden kontrolliert und nachjustiert um auch den letzten Zehntelknoten Fahrt rauszukitzeln. Wobei man erwähnen sollte, dass diese Aussagen zu 90% von Seglern öffentlich publiziert werden, die diese Wettfahrt (selbstredend aufgrund ihrer Expertise) dann auch gewinnen.

In diesem Zusammenhang sei gerade für Nichtsegler darauf hingewiesen, dass die Parameter unterschiedlicher Segelboote eine Vergleichbarkeit meist ad absurdum führen. Da ist alleine schon die theoretische, nur von der Wasserlinienlänge abhängige Rumpfgeschwindigkeit. Die kommt daher, dass ein „normaler Verdränger“ nicht aus seinem eigenen Wellensystem ausbrechen kann und berechnet sich in Knoten als ca. 2,43 multipliziert mit der Wurzel der Wasserlinienlänge. Bei 12m sind das 8,4kn, bei 16m schon 9,7kn und bei 20m ganze 10,9kn durchs Wasser. Das klingt nach wenig, macht beim Segeln aber einen Riesenunterschied. Rennyachten und Motorboote sind bauartbedingt keine Verdränger sondern sogenannte Gleiter und können darüber hinaus gehen.

Dazu kommen Parameter wie die sogenannte Segeltragzahl (ein Verhältnis von Segelfläche zu Gewicht/Verdrängung) oder auch der Ballast (wie viel und wie tief). Unter anderem! Nicht ohne Grund werden die meisten ernstzunehmenden Segelwettbewerbe entweder auf Einheitsbooten oder mit Hilfe ausgleichender Verrechnungen abgehalten.

Wahrscheinlich kann es sich die geneigte Leserschaft schon denken, trotzdem folgt abschließend noch der Hinweis, dass jeder ob einer Sichtung unserer Samai in seinen Regattamodus verfallende Skipper sich darüber im Klaren sein muss, eine sehr einsame Wettfahrt gegen sich selbst zu absolvieren.

In diesem Sinne viel Spaß dabei! ;-)