Alltagsprobleme in tropischen Breiten: La Cucaracha!

Ja, das ist wirklich ein sehr eingängiges spanisches Volkslied. Viele Interpreten haben ihre Version in die Welt entlassen. Neu war für mich dabei zugegebener Maßen, dass eine der Versionen ein mexikanisches Revolutionslied sein soll. Der Titel entspricht einem Spitznamen des General Huerta, dem Revoluzzer Pancho Villa wird dagegen gehuldigt.

Wie auch immer. Unter Seglern ist dieses Lied ob seines Titel ohnehin nur leidlich geliebt. In Nordeuropa kein wirkliches Thema, im kalten patagonischen Süden Amerikas keinen verschwendeten Gedanken wert, sind diese Überlebenskünstler in tropischen Gegenden ein präsentes Thema. Auch ohne Spanisch-Kenntnisse habt ihr sicher längst erraten, worum es geht: Kakerlaken.

Kein Segler will sie auf bzw. in seinem Boot haben. Da ist es mehr als eine bedauerliche Koinzidenz, dass es in wärmeren Regionen in praktisch jedem Hafen tendenziell von ihnen wimmelt. Unsere ersten Erfahrungen waren noch auf den Kanarischen Inseln. Auf einer Toilette in Lanzarote verkroch sie sich in einer Ecke. Auf den Stegen von Las Palmas haben wir sie dagegen nicht gesehen. Ganz im Gegensatz zu vielen der nur wenige Wochen später dort abfahrenden Teilnehmer der ARC. Auch Schädlinge haben Saison.

Info für nicht-Segler: Die „Atlantic Rally for Cruisers“ (ARC) ist eine langjährige, ursprünglich von der Segellegende Jimmy Cornell (nochmal vielen Dank für die Widmung!) ins Leben gerufene Institution, bei der alljährlich eine ganze Armada (>200!) Yachten gemeinsam von den Kanaren über den Atlantik in die Karibik segelt … nichts für uns. ;-)

Zurück zum Thema. Wir haben schon seit Brasilien Kakerlakenfallen und Cucaracha-Spray an Bord. Genau darum ist es ja auch ein Alltagsproblem. Es ist wahrlich nicht so, dass jedes Segelboot befallen ist. Aber man sollte in gewissen Regionen immer bemüht sein, den Ernstfall zu verhindern. Dazu gehört das Entsorgen von Papier und Pappe (da legen sie gerne Eier rein) und das Spülen von Schuhen, ggf. auch ganzen Einkäufen und sonstigem in Salzwasser (das tötet wohl Eier ab). Schließlich ist es auch keine schlechte Idee, im Hafen die verwendeten Landleinen mit entsprechendem Spray zu präparieren.

Es gibt etwa 4.600 Schabenarten auf der Welt. Vor allem in den Tropen. In Amerika und fast allen Häfen ist die „Amerikanische Großschabe“ verbreitet. Die hat eine echt unangenehme Eigenart: sie kann fliegen! Was nutzen alle terrestrischen und maritimen Schutzmaßnahmen, wenn der Feind eine Luftwaffe sein Eigen nennt?

Als der Skipper in der Drake Bucht (Costa Rica) die Schutzhülle vom noch am Heck befestigten Außenborder nimmt, stockt La Skipper der Atem. Was krabbelt da? Ja, es ist eine… Sch…!!! Ich schubse sie vom Motor und sie fliegt. Immerhin nicht allzu weit. Der unerwünschte Gast landet im Wasser. Sofort kramt La Skipper zwei Fallen raus und postiert sie an (hoffentlich) strategisch günstigen Stellen. Auch die Nachtruhe wird nun kürzer. Mit gespitzten Ohren hören wir auf jedes unbekannte Geräusch. Krabbelt da was? Bisher zum Glück keine Auffälligkeiten.

Etwa eine Woche später sind wir auf dem Weg von Costa Rica nach Panama. In der Nacht sucht ein kleiner Vogel Schutz in unserem Cockpit. Ich schaue mit der Kopflampe, ob alles in Ordnung ist… und sehe ein Bewegung. Neben dem Vogel stehen zwei Segelsandalen. Unter einer davon lugt ein langer Fühler hervor. Matschtod! Und nun?

Ich spüle die Stelle mit Salzwasser. Überall an meinem Körper juckt es. Psychosomatisch oder trockener Schweiß? Immer wieder reiße ich unter Deck Bodenluken auf und sehe… nichts. Das wird sich die nächsten Nächte sicher (bzw. hoffentlich) wiederholen. In blindem Aktionismus greife ich mir die große Sprühdose. Direkt neben dem Fundort ist die Box für die Rettungsinsel. Von oben sprühe ich hinein. Dann mache ich sie auf, sprühe, sprühe und sprühe nochmal rein, mache sie wieder zu und lasse das Zeug einwirken. Noch zwei Stunden später habe ich den süßlichen Geruch in der Nase. Wie gesagt… reiner Aktionismus aber letztlich Valium für die Nerven.

So… wie ist die Lage? Gute Frage. War der zweite Fund nur wieder der erste, der sich zurück an Bord gerettet hat? Warum gibt es (zum Glück!!!) keine Auffälligkeiten unter Deck? Der Niedergang steht nachts weit offen und auch sonst hat ein Segelboot über Wasser erstaunlich viele kleine Durchgänge nach unten. Liegen irgendwo schon Eier und warten auf ihren großen Auftritt? Wir wissen es nicht. Noch nicht. Hofft mit uns, dass es uns nicht erwischt hat, denn erwischen kann es jeden Segler mit diesem Alltagsproblem… Kakerlaken!