Die Entdeckung der Langsamkeit im patagonischen Supermarkt

Viele von zu Hause gewohnte Dinge nimmt man als selbstverständlich an. Beispiel: der Deutsche Supermarkt. Extreme Variante: der Nachmittag vor einem langen Wochenende. Achtung: Eventuell sind dramaturgisch bedingte, minimale Überspitzungen möglich.

Es beginnt schon auf dem Parkplatz. Ein hupendes Hauen und pöbelndes Stechen um die letzten freien Parkplätze stimmt auf das Folgende ein… im Markt selbst dann eine Mischung aus…

  • Ignoranz – Warum sonst sollte jemand seinen Wagen minutenlang mitten im Gang stehen lassen?
  • Eile – Genau diese Leute rufen schon von weitem gerne mal „Kann ich mal hier durch?“
  • Egoismus – Hier stehe ich am Regel und hier bin ich auch… und bevor mir jemand die letzten Frühlingszwiebeln wegnimmt, kommt die Blutgrätsche!
  • Ungeduld – Bei unserem Lidl genügten in der Regel schon vier Wagen an der Kasse für den eindringlichen Ruf „KASSE BITTE!!!“ Und mal ganz ehrlich: die Damen und Herren an einer durchschnittlichen Deutschen Supermarktkasse sind echt flott!!

Tja, und dann geht man mal in einen La Anonima (große Supermarktkette) in Ushuaia. Alles wahre, in keiner Weise überspitzte Geschichten!

  • Auf dem Parkplatz herrscht entspannte Stille. Es kann noch so voll sein, aber keiner hupt oder drängelt. Da vorne steht einer im Weg? Ok, dann warten wir halt kurz.
  • Die Einkaufswagen sind eher ungewohnt. Da die hinteren Räder nicht wie bei uns beweglich, sondern fest angebracht sind, bedarf es eines deutlich anderen Steuerns, um halbwegs unfallfrei durch die Gänge zu kommen.
  • Aber selbst solche Unfälle oder Verzögerungen sind keinesfalls ein Grund zur Aufregung. Eventuell hört man ein freundliches „Permiso“, bevor jemand vorsichtig vorbei geht.
Unser Supermarkt um die Ecke…

Das mit Abstand Beste sind aber die Kassen!!!

  • Normalerweise stehen gar nicht mal so viele Leute an . Aber selbst wenn, dann ist das kein Grund für den Kunden etwas anderes zu tun, als ruhig zu warten. Denn auch an einer kurzen Schlange kann man lange stehen.
  • Es ist auch kein Problem, sein Telefonat erst einmal in Ruhe zu beenden… selbst wenn man schon dran ist. Die Kassiererin ist fertig und wartet, die junge Dame legt auch irgendwann auf und bespricht erst einmal einige Posten der eingebuchten Liste… und dann wird bezahlt.
  • Wie auch bei uns, bezahlt man gerne mit Karte. Wenn bei uns allerdings das beliebte Kramen nach Kleingeld bei Barzahlung gerne zu einem leichten Adrenalinschub führt, so ist es hier eben dieses Bezahlen mit Karte, dass unverhältnismäßig lange dauert. Grundsätzlich muss man sich in Argentinien bei Kartenzahlung mit Lichtbildausweis identifizieren. Die Nummer dieses Ausweises wird in der Kasse erfasst. Problem: die erwartete Argentinische Nummer ist numerisch, sowohl der Deutsche Pass als auch der Führerschein haben alphanumerische Nummern. Das führt durchaus zu einiger Kreativität. Mal werden die Buchstaben weggelassen, mal geht das Geburtsdatum ein, manchmal auch nur eine Abfolge von Nullen und manchmal wird man aufgefordert, die Nummer manuell auf dem Kassenzettel einzutragen. Unterschreiben muss man den Zettel natürlich auch… selbst, wenn vorher die PIN abgefragt wurden.
  • Den Super-GAU erlebten wir allerdings bei einem kurzen Einkauf noch vor dem Frühstück. Es waren dann doch ein voller Bollerwagen plus drei große Ikea-Taschen geworden. Alles eingescannt, eingepackt und dann nur noch bezahlen. Ging aber nicht. Kasse hing sich auf. Der Versuch, den Bon bei einer anderen Kasse abzurufen sorgte dann auch für deren Ausfall. Schließlich die Bitte, dass das alles nochmal eingescannt werden müsse. Die Koordinatorin hing am Telefon, Kassen wurden neu gestartet, wir saßen nur daneben und taten, was man hier ohnehin gerne tut: Warten! Es dauerte dann tatsächlich fast eine ganze Stunde (sic!), bis ich an einer dritten Kasse dann doch noch bezahlen konnte. Danach dann nochmal zur Fleischtheke, um Ersatz für das die ganze Zeit im warmen Laden vor sich hin gammelnde Hackfleisch zu bekommen und dann endlich raus. Muss ich erwähnen, dass es inzwischen angefangen hatte zu regnen?

Das war aber auch das einzige Mal, dass ich in einem lokalen Geschäft so etwas wie verständnislose Ungeduld spürte, und das auch nur relativ kurz. Es wich einer gewissen Resignation und letztlich dann irgendwie auch der Gewissheit, dass wir uns durchaus schon ein Stück weit angepasst und sie selbst auch schon entdeckt hatten: die Langsamkeit im Supermarkt.

Ushuaia (1)

Als wir mit der Samai Ende Januar das erste Mal in die Bucht von Ushuaia einfuhren war die Welt noch in Ordnung. Am Steg des AFASyN (Asociacion Fueguina de Actividades Subacuaticas y Nauticas) fand sich ein Platz als Dritter im Päckchen neben der altgedienten Ksar und einem russischen Boot zwischen seinen gleich zwei Antarktisfahrten… später kam noch ein sehr netter ukrainischer Einhandsegler bei uns ran.

Gut besuchter Steg des AFASyN
HMS Justice / St. Christopher

Ushuaia hat sich in den letzten zwölf Jahren, seitdem der Skipper das letzte Mal hier war, stark verändert. Mittelpunkt ist aber immer noch die Touristenmeile Av. San Martin.

Shopping
Innenhof eine Souvenirshops
Straßenkunst

Natürlich gab es insbesondere für die Kinder auch mal wieder eine reiche Ausbeute an Souvenirs.

Ein Pflichtbesuch ist das „Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia“… Gefängnis-, Maritim-, Antarktis- und Kunstmuseum unter einem Dach.

Gleich um die Ecke erinnert das Denkmal zum Falkland- bzw. hier Malvinas-Krieg an ein zumindest aus Argentinischer Sicht ungelöstes Problem vor der Südostküste des Landes.

Und natürlich gibt es in Ushuaia auch leckeres Asado. Schließlich ist das Argentinien! Im La Estancia Parilla war bei unserem Besuch Pedro der Verantwortliche am Grill und zauberte nicht nur wunderbar zartes Fleisch auf die Teller. Darüber hinaus verguckte er sich auch in unsere Kleinste, die selbst bei seiner unerwarteten Umarmung nicht schüchtern zurückschreckte, sondern in ihm einen neuen Freund gefunden hatte.

Auch im Clubraum des AFASyN gibt es große Grills und beim Segler-Asado wahre Meister Ihres Fachs am Werk. Ich persönlich hatte ja immer meine Probleme damit, Rind auf dem Grill in eine andere Konsistenz als „Schuhsohle“ zu veredeln. Doch mit einigen Tipps von den Experten und natürlich auch der herausragenden Fleischqualität vor Ort bekommt sogar ein Amateur wie ich das so langsam hin… zumindest der Familie schmeckt es inzwischen!

Ansonsten haben wir uns hier natürlich auf den Ausflug in die Antarktis vorbereitet. Nicht nur alle Vorräte wurden aufgestockt, auch eine örtliche Wäscherei machte Überstunden für uns.

Für 30€ bis zum nächsten Abend wieder sauber!
Alle voll und unter Deck verstaut…

Der Mietwagen war bei alle dem eine willkommene Unterstützung… alleine das mehrfache Füllen der Dieselkanister bei der Tankstelle wäre sonst kaum machbar gewesen (schließlich wurde damit auch der Tank gefüllt). Besonders interessant war dabei die allgemeine Vorfahrtsregel in der am Hang gelegenen Innenstadt: Vorfahrt hat grundsätzlich das Auto, das bergauf oder -ab fährt. Und was soll ich sagen… es funktioniert tatsächlich!!!

Kreuzfahrer auf dem Absprung

Ushuaia ist DER Absprunghafen für Fahrten in die Antarktis. Entsprechend voll ist in der Saison der große Anleger für Kreuzfahrer (und Frachter). Letztlich nutzten ja auch wir die vernünftige Infrastruktur vor Ort… und am 31. Januar 2020 ging es dann endlich los: Abfahrt nach Süden… Die SY Samai fährt in die Antarktis!!!

Samuel über die Tierwelt im Beagle-Kanal

Der Beagle-Kanal ist ein enger, mit viel Kelp (eine sehr zähe Seepflanze) bewachsener Kanal. Direkt am Anfang haben wir sehr verspielte Delfine getroffene, aber keine Commersondelfine. Die haben uns ein bisschen begleitet. Als wir weiter drin waren gingen sie aber wieder.

Papa hat erzählt, dass er am Ufer einen Blas gesehen hat. Aber der war zu weit weg. Dann kamen wir an eine Stelle, wo rechts von uns ganz viel Kelp war. Dort ist eine Schar Robben umher geschwommen und die haben, wie es aussah, gespielt.

Und um das noch zu toppen hat ein Wal beschlossen, jetzt doch auch mal seinen Senf dazu zu geben. Der hat auf Höhe der Robben geblasen und natürlich sind wir hingefahren. Würdet ihr das nicht auch tun, wenn ihr das zweite Mal in eurem Leben Wale seht?

Wal backbord voraus!

Dann sind wir dem Wal jedenfalls hinter her gefahren, und ich musste Papa, wenn er zu nah ans Kelp kommt, warnen. Der Wal hielt sich einige Zeit vor uns, und so konnten wir feststellen, dass es sich um einen Buckelwal handelte. Aber auch der verabschiedete sich viel zu früh.

Dann kamen wir immer näher an den Punkt, an dem uns eine Überraschung erwartete. Papa wollte nicht sagen was es war. Und dann waren wir endlich da. Die Überraschung war eine Insel voll mit Magellanpinguinen. Manchmal haben wir sogar welche tauchen gesehen.

Maila hat dann da auf dem Meeresboden einen Seestern gesehen. Als wir weiter gefahren sind, mussten Maila und ich nach vorne, weil jetzt der „gefährliche“ Teil anfing.

Kelp voraus!

Mama hat Angst davor gehabt, weil da so viel Kelp sein sollte. Und das kann ich nur bestätigen. Kelp, Kelp und Kelp. Egal wohin man im Wasser schaute, dort war Kelp.

Da sahen wir noch ein Guanako, das größte Landtier in Feuerland. Das ist auch recht selten. Zumindest stand das im Buch über Feuerland.

Einschub von Maila: Danach haben wir im Beagle-Kanal eine Gruppe – wir glauben – Seelöwen gesehen. Sie lagen auf einem großen Stein auf einem Platz, wo nicht so viel Vogelkacke war, wie sonst auf dem Stein. Aber trotzdem noch ein bisschen.

Ab und zu haben wir auch startende Albatrosse gesehen. Fragt mich nicht warum, aber die haben mit ihrem Hinterteil dabei immer gewackelt. Das war lustig.

Als wir von der Antarktis zurück waren, haben wir noch in einer schönen Ankerbucht geankert. Dort haben wir dann auch einen mega-süßen, gut getarnten Fuchs gesehen. Bei einem Landspaziergang haben wir einen mega-kleinen Vogel gesehen und einen großen Beckenknochen gefunden. Den haben wir leider nicht mit genommen.

Samuel

Fazit von Maila: Wir haben im Beagle-Kanal viele schöne Tiere gesehen. Das hat total Spaß gemacht!

Boaring Forties, Isla de los Estados und Estrecho de Le Maire

Für die Gewässer der südlichen Hemisphäre haben sich in Abhängigkeit des Breitengrades, also dem Umstand, wie weit südlich man sich befindet, folgende Bezeichnungen etabliert:

  • Roaring Forties (brüllende Vierziger)
  • Furious Fifties (rasende Fünfziger)
  • Screaming Sixties (heulende Sechziger)

Das hängt insbesondere damit zusammen, dass es hier unten im Vergleich zur Nordhalbkugel recht wenig Land gibt. Wenn man mal „von unten“ auf die Erde schaut, gibt es rund um die Antarktis gar überhaupt kein Hindernis, das der vorherrschenden Westwinddrift im Wege steht, so dass diese sich zu atemberaubenden Geschwindigkeiten aufbauen kann. Das was Kühlungsborn (54°N) im Norden liegt, haben Usuhaia (ca. 55°S) bzw. auch Kap Horn (56°S) im Süden. Für Ostseesegler (also mitten in der nördlichen Westwinddrift!) unvorstellbar werden hier aber durchaus auch mal Böen von 100kn vorhergesagt. Wohlgemerkt ohne Hurrikan oder wie das in den unterschiedlichen Regionen der Welt auch immer heißen mag. Solche Winde kann hier ein zwar starkes, aber letztlich doch „normales“ Tiefdruckgebiet mit sich bringen. Zur Erinnerung: 12Bft. hat man bei über 65kn.

In diese Region machten wir uns also von Puerto Deseado (immerhin selbst schon auf knapp 48°S) aus auf. Die Passage über die Bahía Grande gilt als eine der großen seglerischen Herausforderungen von Argentinien… und dann das!

Morgens

Von den insgesamt ca. 560sm bis Ushuaia sind wir ganze 120sm gesegelt… 20%. Und das lag wahrlich nicht an fehlendem Willen. Wir haben wirklich alles versucht, aber bei um die 3 Windstärken von hinten (da sind wir gleich wieder beim Thema „Scheinbarer Wind“!) kommen unsere gut 12t einfach nicht so richtig in Schwung. Es war schon frustrieren… da hat man schon Segel dabei, die wunderschöne Weise, mit den Kräften der Natur und insbesondere ganz ohne brummenden Diesel zu reisen und man spielt stundenlang Motorboot. Das war aber immer noch deutlich besser, als der für kurz danach angesagte, frische Westwind um die 40kn mit Böen über 50kn. Da schlüpften wir sicher vorher durch.

Abends

Demnach war es auch weniger der Wind, als die Strömung, welche uns einen kurzen Zwischenstopp bei der Isla de los Estados einlegen ließ. Eigentlich ein tolles Ziel, das eine ausgiebige(re) Erkundung verdient hätte, doch das gegebene Zeitfenster für die Antarktis trieb uns (leider!) voran. Vor uns lag die berüchtigte Estrecho de Le Maire. In dieser herrscht starker Gezeitenstrom und nicht nur, aber insbesondere dann, wenn noch ungünstiger Wind dagegen weht, kann es echt ungemütlich werden. Immer wieder liest man in einschlägigen Führern und Berichten von meterhohen stehenden Wellen. „Very often the water appears to be like the surface of a liquid in a boiling pot.“ Nicht ohne Grund liegen in dieser Gegend unzählige Wracks auf dem Grund.

Wir warteten also zwei Stunden in der Bahía Crossley darauf, dass der Strom zu unseren Gunsten kippte. Allerdings durften wir auch nicht zu lange warten, damit wir noch ohne den wenigstens nur moderat angesagten Gegenwind durchkommen.

Bahía Crossley

Am Anfang war auch alles wie erwartet und geplant. Ohne Gegenstrom hielten wir uns bei ruhigem Wasser und wenig Wind frei von den laut Karte in Küstennähe grundsätzlich zu erwartenden Turbulenzen. Doch das blieb leider nicht so. Nach und nach baute sich eine kurze Welle von vorne auf… und was erschien denn da hinter den Küstenbergen Steuerbord voraus und kam uns unbeirrbar entgegen? Das war so nicht vorhergesagt!

Muss das jetzt wirklich sein???

Wenigstens war es „nur“ eine kleine Front, die uns da beglückte. Die Welle war unangenehm, aber nicht gefährlich. Um 22 Uhr war war es schon wieder vergleichsweise ruhig, die Le Maire Straße endlich passiert und wir konnten mit beginnender Nacht in den Beagle Kanal abbiegen… nur noch 100sm bis Ushuaia!

Maila feiert Geburtstag

Bei meinem letzten Geburtstag hatte ich in Berlin mit meinen Freundinnen eine Übernachtungsparty mit Schnitzeljagd gemacht. Jetzt geht das leider nicht, weil wir in Deseado an Bord sind.

Ich wurde mit Gesang und Kuchen mit Kerzen geweckt. Das Boot war auch mit Luftballons drinnen geschmückt und mit Happy-Birthday-Ketten.

Es gab viele tolle Geschenke. Darunter eine CD, die ich mir gewünscht habe und von Samuel einen tollen Becher, den ich den ganzen Tag und am Abend bei der Pizza auch benutzt habe. Der Becher ist immer noch mein Lieblingsbecher.

Ich habe dann noch mit meinen Omas und Opas telefoniert. An meinem Geburtstag habe ich mein Lieblingskleid angezogen.

Ich habe mit Franz, Samuel, Mama und Papa gefeiert. Wir haben erstmal gespielt und zu lauter Musik von Shakira getanzt. Nicht alle der Familie haben mitgetanzt. Der Schokokuchen war lecker, aber auch ziemlich schokrig (Rezept unten). Wir haben dann Pizza gegessen, die ich mir gewünscht habe, und am Abend noch einen Marvel-Film geguckt. Ich habe ihn mir ausgesucht. Zum Film gab es selbstgemachtes Popcorn. Fast wie immer.

Mein Geburtstag war toll mit den vielen tollen Geschenken. Mit meinen Freunden wäre es auch toll gewesen.

Maila


Bordschokokuchen der SY Samai

  • 200g Zartbitterschokolade und 200g Butter im Topf schmelzen
  • 100g Mehl, 200g Zucker und 4 Eier verrühren
  • geschmolzene Butter-Schokolade mit Schneebesen untermischen
  • Teig in gefette und leicht gemehlte Springform füllen
  • ca. 15min im vorgeheizten Ofen backen