Perlen der Weltmeere (4) – Rawson (Argentinien)

Diese besonderen Orte, gleichwohl Oasen der seglerischen Glückseligkeit, welche sich unauslöschlich in des Skippers Langzeitgedächtnis einbrennen gibt es nicht nur in Europa. Nein, auch in Südamerika haben wir eine solche Perle gefunden: Rawson!

Dabei war die Begrüßung phänomenal. Vor der Küste spielten Commerson-Delfine ums Boot, ein großer Seelöwe schaute neugierig vorbei und Schwärme von Seevögeln in jeder Richtung. Wobei sie sich ehrlich gesagt besonders konzentriert um die vielen Fischerboote versammelten. Ja, Rawson ist im Herzen ein Fischereihafen mit großer, orange leuchtender Flotte. Bei unserer Ankunft war diese gerade dabei, nach und nach wieder einzulaufen. Bei einem teilweise trocken fallenden Flusshafen mit Untiefen und Sandbänken besonders im Bereich der Einfahrt, waren das willkommene Lotsen.

Als wir dann am Spalier der in dicken Päckchen liegenden Fischer vorbeifuhren, unterbrachen sie alle, ja wirklich alle Ihr Tagwerk. Sie riefen uns freundliche Willkommensgrüße uns, winkten und reckten Daumen in die Höhe, auf dutzenden, schnell gezückten Handys wurden wir bildlich verewigt. Einen solchen Empfang bekommt nicht einmal die Aida in Warnemünde.

Anlegen solle man als Segler am Steg der Prefectura Naval. Doch wo ist dieser bloß? Eine dezente Hilfestellung bei der Suche gibt ein quer im Flussbett liegendes Wrack. Auf dieser Höhe säumten auch noch andere, in diesem Leben niemals mehr auf dem Wasser schwimmende Rosthaufen das Ufer. Hier sollte man definitiv nicht weiter fahren.

Kurz davor sahen wir einen kleinen weißen Schwimmsteg, doch der gehörte einem privaten Anbieter von Bootsausflügen. Dann vernahmen wir die Rufe von dem – Entschuldigung, aber ich kann es nicht anders beschreiben – orangen Nahezu-Wrack daneben. Halbtoter Ausläufer des Schiffsfriedhofes und wohlgemerkt das vierte seiner Art im Päckchen. Hier sollten wir außen längsseits gehen.

Dieser Logenplatz bot gleich mehrfache Herausforderung. Zunächst einmal musste man an Land über vier vor sich hin rottende Fischerboote klettern.

Des Weiteren fallen diese bei Niedrigwasser sämtlich trocken. Das wiederum wirft weitere Fragen auf:

  • Neigt sich das Boot auf dem Trockenen neben uns evtl. zum Fluss und damit zu uns hin? (nein, es lehnt sich an seinen Innenlieger)
  • Wie zum Messner komme ich bei Niedrigwasser ohnehin schon vom Kajütendach des innersten Bootes auf den in Metern zu messen höher liegenden Steg geklettert? (abenteuerlich!!!)
  • Wer teleportiert mir Bordfahrrad, Bollerwagen und Einkäufe zwischen Steg und Samai? (freundlicher Weise halfen uns die auf dem Außenlieger stets anzutreffenden Männer)
  • Und last but not least: Wer hat auf dem Boot neben uns sein großes Morgengeschäft erledigt und dabei ganz offensichtlich vergessen, dass sein Toilettenablauf bei Niedrigwasser etwa 40cm über unserem Laufdeck liegt? Es war mir eine ganz besondere Freude, diese mittlerweile leicht eingetrockneten Hinterlassenschaften (inkl. Klopapier) mit der Wurzelbürste abzuschrubben… ein Hoch auf Gummihandschuhe und Rückenwind!

Ehrliche Begeisterung dagegen riefen insbesondere bei den Kindern die im Fluss heimischen, großen Seelöwen hervor. Sind die Fischer draußen bei der Arbeit, liegen sie dösend am Kieselstrand. Kommen jedoch die aus Sicht der Tiere orangen Futterstellen in Sicht, geht es ganz schnell ins Wasser. Es wird gebettelt, gerne auch mal aktiv selbst halb an Deck gesprungen und nach unserer Beobachtung hat sich wirklich immer gelohnt… keines der Tiere ging leer aus.

Bei uns gab es allerdings nichts zu holen…

Ein besonderes Lob verdient sich auch die ortsansässige Prefectura Naval. Direkt nach dem Anlegen wurde ich schon aufgefordert, mich doch zeitnah zu melden. Auf Spanisch natürlich. Und nein, eine andere Sprache wurde dort auch nicht gesprochen. Immerhin bot man mir Mate-Tee an und ich musste den obligatorisch Anmeldebogen nicht selbst ausfüllen. Aber warum nur war man so felsenfest davon überzeugt, dass ich noch zur “Migracion” müsse? Unsere Pässe waren doch schon gestempelt! Überflüssig zu erwähnen, dass diese im kilometerweit entfernten Hauptort der Umgebung liegt und die freundliche Dame dort genauso wenig eine Idee hatte, warum ich denn nun gekommen sei. Beim Abmelden durfte ich den bekannten Zettel dann wieder selbst ausfüllen. Zweimal. Dann musste ich noch eine “Malvinas-Erklärung” unterzeichnen und damit meine Nicht-Absicht zum Besuch dieser auch als Falklands bekannten Inseln dokumentieren. Und man stelle sich mein überraschtes Gesicht vor, als ich ein paar Tage später zwei unterschriebene Zettel mit Kontoinformationen in meinen Unterlagen fand. Bei der nächsten Prefectura kümmerte man sich um die Rückführung zu der, auch das sei ehrlicher Weise gesagt, ausgesprochen attraktiven Uniformierten in Rawson.

Kurz vor der Springtide, bei deren Niedrigwasser auch wir mit unseren 1,1m Tiefgang trocken gefallen wären, war es Zeit zum Abschied nehmen. Die Ausfahrt aus diesem unvergesslichen Hafen ähnelte der Einfahrt. Zwar waren es weniger Boote, doch auch dieses Mal wurden wir mit freudigen Rufen winkend und fotografierend verabschiedet. “Auf Wiedersehen!” … oder vielleicht doch lieber ein leises “Lebe wohl!!!”

P. S. Das unbestrittene Highlight, jetzt ganz ehrlich und ohne jede Spur von Ironie, war jedoch das Betanken unseres auf die letzten Liter leer gefahrenen Dieseltanks. Das ist mir sogar einen eigenen Artikel Wert!

Perlen der Weltmeere (3): Marina Alcântara in Lissabon (Portugal)

An manchen Orten findet man eine ganz besondere Magie. Rio de Janeiro, San Francisco, Hamburg, Nigeria und noch viel mehr versammelt in nur einer Marina! Solche Internationalität haben wir selbst in der portugiesischen Hauptstadt nicht erwartet, doch das Unerwartete traf uns wie ein Donnerschlag.

Schon in der Einfahrt erwartete uns die „Agat“ , eine leider nur schwache Ahnung der visuellen Macht moderner Schiffsfriedhöfe, deren mit über 70 Wracks weltgrößter Vertreter vor der Küste von Lagos (Nigeria) liegt.

Kaum sind die Leinen in dieser alles andere als überfüllten Marina belegt, schweift der Blick nach Südamerika. Vom gegenüberliegenden Ufer grüßt die von Rio de Janeiro (Brasilien) inspirierte Cristo-Rei Staute. Auf einem 82m hohen Sockel steht dieser 28m hohe Dank an Gott dafür, dass Portugal vom zweiten Weltkrieg verschont blieb.

Direkt daneben werden zumindest für ältere Semester Kindheitserinnerungen an Karl Malden und den jungen Michael Douglas  wach. Deren Revier waren die Straßen von San Francisco (USA), deren wohl berühmteste über die Golden Gate Bridge führt. Wer jedoch auf die Details achtet, findet mehr noch das eigentliche Vorbild, die San Francisco Bay Bridge in der den Tejo überspannenden Ponte 25 de Abril wieder. Über mehr als 3km lang, davon 2.278m als Hängebrücke, verbindet sie Lissabon mit dem lange im Abseits liegenden Süden auf zwei Etagen: unten fahren täglich rund 160 Schienenfahrzeuge, darüber täglich ca. 150.000 Straßenfahrzeuge (Zahlen von 2006). Letztere, ob nun fehlenden Geldes oder eingeschränkter Tragkraft wegen, müssen sich auch nicht über schnöden Asphalt quälen. Die Fahrbahn aus Stahlgitter schüttelt nicht nur das Fahrzeug schön durch, sondern sorgt auch für eine weit reichende, unvergleichliche Geräuschkulisse.

Vor diesem grandiosen Hintergrund stapeln sich an der Südseite des Hafens die Container. Erinnerungen an große Häfen in Hamburg (Deutschland) oder Rotterdam (Niederlande) steigen auf, selbst wenn hier nur bescheidene drei Frachtschiffe längsseits liegen und von großen Kränen be- und entladen werden.

An andere große Häfen, genauer Flughäfen der Welt erinnert der Umstand, dass wir hier direkt unter der Einflugschneise liegen. Tagsüber schweben die Touristenbomber fast im Minutentakt anmutig über unsere Köpfe. Und dass das portugiesische Wörterbuch eine Übersetzung für „Nachtflugverbot“ findet, überrascht schon etwas. Zumindest in Lissabon handelt es sich dabei offensichtlich um ein unbekanntes Konzept. Damit verbietet sich natürlich auch ein Vergleich mit unserem allseits beliebten und bekannten Hauptstadtflughafen in Berlin (Deutschland), so dass ich in diesem Fall den internationalen Vergleich dem Erfahrungsschatz des geneigten Lesers (m/w) überlasse.

Die Sonne sinkt zum Horizont, der Tag neigt sich dem Ende zu, und mit etwas Traurigkeit vernimmt das Ohr ein wenn auch nur leichtes, so doch merkliches Abnehmen des ständigen Hintergrundrauschens der internationalen Eindrücke rundherum. Zumindest vorübergehend, schließlich finden sich rund um den Hafen einige der bekanntesten und beliebtesten Tanzclubs und Discos der Stadt. Und natürlich feiert es sich bei diesen Temperaturen am besten im Freien, zumindest aber doch bei geöffneten Fenstern und Türen. Der Ballermann auf Mallorca (Spanien) lässt grüßen. Für den nach Entspannung suchenden Segler ist es ein ganz besonderer, bis zum Morgengrauen angebotener Service: sollte sich wider jeglichen Erwartens eine leichte Schlafstörung einstellen, braucht man einfach nur hoch ins Cockpit um sich dezent belgleitet müde tanzen zu können…

Abhängig von Schweißproduktion und (In-)Kontinenz, führt der Weg früher oder später zum Sanitärbereich eines Hafens. Im Herrenbereich der hiesigen Wellnessoase finden sich dann auch je zwei Toiletten und Pissoirs sowie vier Duschkabinen. Wohlgemerkt für eine Marina mit offiziell 370 Liegeplätzen! Da ist es gar nicht weiter schlimm, dass das Klopapier fehlt. Ein Blick auf die undefinierbaren Pfützen am Boden und den sonstigen Allgemeinzustand der Örtlichkeit lassen Mitleid mit den eigenen Stoffwechselendprodukten aufkommen. Man möchte seinem Urin einfach nicht zumuten, hier abgeschlagen zu werden. Dafür fällt die Wahl der Dusche ob des zur Verfügung gestellten Entscheidungskriteriums leicht: ich nehme die Kabine, bei der der Vorhang nur im unteren Viertel verschimmelt ist… bei den anderen reichen die ästhetischen Muster deutlich höher. Glücklich die Damen, welche auch eine Option ganz ohne Vorhang haben. Ob dort dann aber auch fünf(!) leere Flaschen Duschzeug und angefangene Seifen rumliegen? In der Tat fühlt man sich hier an viele Orte der Welt versetzt. Orte mit einem anderen Verständnis für Sauberkeit und Hygiene. Orte, für die der (zufällig auf meinen Geburtstag fallende) Welttoilettentag eingeführt wurde. Orte, die man oft noch nie gesehen hat und im Grunde auch gar nicht sehen möchte.

Die letzte Inspiration in diesem unvergleichlichen Hafen sprengt jede Internationalität. Trotz laut Hafenmeister korrekt angegebener Adresse war es zwei Transportdienstleistern unabhängig voneinander absolut unmöglich, unsere Pakete hier zuzustellen. So fühlt es sich an, im postalischen Vakuum der unendlichen Weiten des Weltraums, das zu befahren uns dann aber doch eine etwas zu große Herausforderung ist. Wir bleiben auf der Erde, wir bleiben auf dem Wasser, immer auf der unfreiwilligen Suche nach diesen speziellen Orten… Perlen der Weltmeere.

Perlen der Weltmeere (2): Penzance und Newlyn (UK)

Es gibt Häfen, da passt einfach alles. Maritimes Flair, Qualität der Liegeplätze, sanitäre Einrichtungen, Strom, Wasser, Nachbarboote, Hafenpersonal, sogar das Wetter. Alles zusammen ergibt ein harmonisches Gesamterlebnis, das eines Segler Herzen höher schlagen lässt und sich in das Langzeitgedächtnis einbrennt. In den Farben des Regenbogens, mit Blümchen, Sonnenschein und Schäfchenwolken.

Und dann gibt es Häfen, die sich aus ganz anderen Gründen in das Langzeitgedächtnis einbrennen. Eher in Grautönen, mit Unkraut (gerne auch im Wortsinne) und Stratusbewölkung. Perlen der Weltmeere!

Penzance

Position: 50°07,03‘N / 005°31.81‘W

Manch eine Perle ist scheu. Sie lässt die Muschel geschlossen und gewährt Besuchern nur zu ausgewählten Zeiten Einlass. So auch Penzance. Die Tore des Hafens öffnen sich abhängig von den Gezeiten nur von HW-2 bis HW+1. Entweder lässt man sich im angrenzenden, bis gut 1,5m trocken fallenden offenen Becken nebenan nieder oder wartet an einer der bereit liegenden Bojen. Nachdem wir von letzterer wieder losgemacht, den einlaufenden kleinen blauen Frachter abgewartet und den Molenkopf mit dem von Anglern dezent aber bestimmt eingeforderten Abstand passiert hatten, wurden wir schon freundlich winkend mit „Hello Skipper!“ empfangen.

Ernsthaft: die Hafenmeister sind super!!!

Immer ein freundliches Wort und eine helfende Hand weisen Sie uns einen Platz als fünftes Boot im Päckchen direkt bei der Einfahrt zu. Obwohl… einige der Innenlieger als Boot zu bezeichnen wäre tendenziell eine Beleidigung für all die schönen Boote auf den Meeren der Welt. Nun ja, wenigstens schwimmen sie noch und der Pflanzenbewuchs auf dem rostigen, vor sich hin verfallenden Deck hat anscheinend keinen nennenswerten Einfluss auf den Trimm. Nennt man das noch „pittoresk“ oder doch eher „heruntergekommen“? Jedenfalls muss man sich keine Gedanken darüber machen, mit seinen Fußkleidern das Deck anderer Wasserfahrzeuge dreckig zu machen… anders herum wird schon eher ein Schuh daraus.

Historisch oder Schrott?

Zurück zu den Hafenmeistern. Für sie scheint das Hafenbecken ein eigener kleiner Verschiebebahnhof zu sein. Einlaufende Boote werden immer genau an den Platz verbracht, auf dem man sie haben möchte. Zur Not fahren Sie mit ihrem kleinen orangenen Hafentender umher und ziehen schnell mal die zwei äußeren Boote eines 4’er-Päckchens weg, damit der Neuankömmling sich dazwischen quetschen kann. Auch für den nächsten Morgen ist eine ähnliche Aktion vorgesehen.

Hafen-Tetris

An eben diesem frühen Morgen liegt der Skipper noch gemütlich im Bett und hat mal wieder komische Träume. Das kommt ja schon hin und wieder mal vor. Aber ein so penetrantes Piepen erträumt man sich doch eher selten. Kein Wunder, ist es schließlich der verzweifelte Versuch des nach Erholung suchenden Unterbewusstseins die vielfältigen Geräusche der Umgebung unauffällig in die Ruhephase einzubauen. Und da Kräne sowie sonstige Gefährte beim Entladen auch kleinerer Frachter nun mal gerne vor sich hin piepen, so piept es also nun auch in der Traumwelt.

Unser ganz besonderer Dank aber gilt Adrian, dem Trans Ocean Stützpunktleiter hier in Penzance. Hilfsbereit hat er zwei wichtige Postsendungen angenommen, ist für einen Plausch zum Pier gekommen und hat sogar angeboten, uns bei Bedarf gerne irgendwohin zu fahren. Gut zu wissen, dass es solche Stützpunkte rund um den Globus gibt. Und ganz bestimmt harmoniert da auch hin und wieder mal das maritime Flair mit der Qualität des Menschen vor Ort.

Skyline von Penzance

Position: 50°06,20‘N / 005°32,81’W

Newlyn schmiegt sich nur 1sm südlich an die malerische Küste im Südwesten Englands. Vor einigen Jahren war ich mit der Antares von Segelreisen Berlin auf einem Kojencharter-Törn von Dublin nach Plymouth hier. Wir kamen von den Isles of Scilly und suchten eine Bleibe für die Nacht. Die Wahl fiel auf dieses Kleinod.

Wichtig zu wissen ist, dass Fischer hier grundsätzlich priorisiert sind. Gegebenenfalls muss der Segler sich verholen. Überhaupt prägt das Fischereigewerbe diesen Ort. Auf die Frage nach einer Dusche führte uns der freundliche Hafenmeister quer über einen auch über die Nase deutlich identifizierbaren Hof zur Fischverarbeitung zu einer Tür am Rande der zugehörigen Halle, öffnete Sie und präsentierte lächelnd den „Sanitärbereich“. Bis 22 Uhr könne er uns die Tür offen lassen, danach müsse er jedoch abschließen, damit sich keine ungebetenen Nachtschwärmer darin verirren. Keiner brachte es über das Herz zu sagen, dass er im Grunde auch sofort wieder abschließen könne. Alleine die Vorstellung, sich in dieser Räumlichkeit seiner Kleidung zu entledigen war befremdlich. Von Duschen brauchen wir da gar nicht erst zu reden.

Anlieger scheinen es mit der Kleidung da mutmaßlich lockerer zu nehmen. Am Abend stolzierten zwei Damen mit selbst für englische Verhältnisse sehr kurzen Röckchen über den Pier und wurden von helfenden Händen auf das gegenüber liegende Fischerboot geleitet. Hmmm… ist es das, was wir denken? Beim Frühstück am nächsten Morgen sahen wir jedenfalls genau diese zwei Damen in eben diesen kurzen Röckchen wieder von Bord kommen. Aber vielleicht war es ja auch nur eine ausgiebige Pokerrunde.

Auch wir verließen kurze Zeit später diesen Hafen und hatten wieder eine eher in Grautönen im Langzeitgedächtnis eingebrannte Erinnerung.

Perlen der Weltmeere (1): Rødbyhavn (Ostsee)

Position: 54° 39,10′ N / 011° 20,80′ E

Jeder Segler, der in diesem Kleinod süd-dänischer Hafenbaukunst schon einmal festgemacht hat, wird es in bleibender Erinnerung behalten. Dafür reicht in der Regel schon ein einziger Besuch. Doch was macht Rødbyhavn so einzigartig? Was erzeugt eine derartige Anziehung, dass ich nun schon zum sechsten Mal hier liege und die unvergleichliche Atmosphäre in mich aufsauge?

Sind es die vielfältigen Liegeplatzmöglichkeiten? Hier findet man einfach immer einen freien Platz! Bei unserem letzten Besuch war der mehrteilige, laut nach Ruckdämpfern schreiende Schwimmponton im hinteren Hafenbecken leider schon belegt. Trotz der Möglichkeiten am mit großen Reifen abgefenderten Kai direkt an der Straße vor den kleinen Bürogebäuden und Hallen entscheiden wir uns für das vordere Hafenbecken . Die Dalben am kleinen Steg des Seglervereins sind für uns selbstredend viel zu eng. Aber da lacht uns doch schon wieder eine Kaimauer an. Wir verschmähen erneut den Abschnitt mit großen Reifen und entscheiden uns schließlich für die halb verfallende Holzverkleidung am südwestlichen Kai. Die gut einen Meter an Land liegenden Poller zum Festmachen haben einen angenehmen Abstand von kaum mehr als 15 Metern. Dazu gibt es noch einen rostigen Eisenring in der Kaimauer sowie einige aus dem Holz ragende Enden von Metallstreben. Letztere verschmähen wir jedoch ebenfalls.

Wenn die Leinen fest sind und die Leinenschoner Ihren Dienst verrichten, kann man in Ruhe noch einmal die Hafeneinfahrt Revue passieren lassen. Schließlich handelt es sich hier nicht nur um einen heimeligen Yachthafen, sondern zugleich die dänischen Seite der „Vogelfluglinie“ nach Puttgarden auf Fehmarn. Vier 142 Meter lange Fähren sind im Dauereinsatz und man kann nicht umhin, ihre wie ein Uhrwerk ineinander greifende Präzision zu bewundern. Kaum hat die „Schleswig-Holstein“ den Hafen verlassen, gleitet auch schon die „Prinsesse Benedikte“ auf die Hafeneinfahrt zu. Das in Theorie und praktischer Umsetzung uneingeschränkte Wegerecht der Fähren ist nur folgerichtig. Und natürlich ist man als Segler auch ein bisschen Stolz, wenn man ob der ohne Vorwarnung mit noch offener Klappe losfahrenden „Deutschland“ die Segel nun doch nicht wie geplant im großen Vorhafen bergen muss, sondern den herunterschauenden Fährgästen seine ganze seemännische Kunst beim Bergen in den groben Wellen direkt neben der Einfahrt beweisen darf. Zügig muss es schon sein, denn schließlich kommt sogleich die „Prins Richard“ rein.

Während man so im Cockpit seinen Gedanken hinterher hängt, zaubern einem die wieder einmal von der gerade ablegenden Fähre herüberschallenden Sicherheitsdurchsagen ein Lächeln auf die Lippen. Die Lautstärke legt nahe, dass einer der Lautsprecher nur für uns auf den Yachthafen ausgerichtet wurde. Immer sicherer murmelt man die Worte in Deutsch und Dänisch mit und empfindet stille Dankbarkeit für diese Möglichkeit, seine Sprachkenntnisse zu erweitern. Und wäre das nicht schon des Unterhaltungsprogrammes genug, erhält man regelmäßig die Möglichkeit eines heiteren Autoratens. Immer wieder fahren die unterschiedlichsten Gefährte ohne erkennbaren Grund am Kai entlang. Und da es sich um eine Sackgasse handelt, kommen sie auch alle wieder zurück. Da kann man dann die Richtigkeit seiner Ratebemühungen sogleich verifizieren.

Neu in diesem Jahr können wir eine große, schwarze Halle der Bredgaard Bådeværft bewundern. Die kleine Werft ist offenkundig Stolz auf Ihre Erweiterung, denn schon ab 7 Uhr öffnet sich das Tor und betriebsame Arbeiter schenken mit ihren Gerätschaften dem noch schlummernden Segler einen besonders lieblichen Ohrenschmaus als Guten-Morgen-Gruß.

Und dann gibt es da noch den ultimativen Grund für liebende Eltern mit anspruchsvollen Kindern, mindestens einmal im Jahr dieser Oase der Stille einen Besuch abzustatten: der Aquadom im Lalandia. Nur einen kurzen, besonders bei Regen und Gegenwind lauschigen Spaziergang von 2km entfernt öffnen sich die Tore zu der Ferienanlage. Mit Freude bezahlt man als Tagesgast des tropischen Badelandes die 860 Kronen für den Eintritt von je zwei Erwachsenen und Kindern – Familienkarten sind in Dänemark eher unbekannt – und versucht sich nicht an den Umrechnungskurs von 13Ct. je Krone zu erinnern. Dafür kann man dann auch den ganzen Tag „Weltklasse-Wasserspaß“ genießen. Für das leibliche Wohl sorgt die ortsüblich günstige Gastronomie in diesem Rutschenparadies. Dieses Jahr ist unsere Jüngste auch die „Pipeline“ und sogar den „Tornado“ gerutscht. Mit Leichtigkeit wird jedes Mal der 2’er oder 4’er „Reifen“ die 89 Treppenstufen hochgeschleppt. Leider erst gegen Ende beginnen die Beine angenehm prickelnd zu brennen. Da sind die gut 20 Stufen der Wildwasserbahn fast zu vernachlässigen, summieren sich aber auch. Für unseren Großen haben wir überschlagen, dass er bei unserem letzten, 8-stündigen Aufenthalt mindestens 3.000 Stufen hochgelaufen ist!

Irgendwann wird es Abend. Man sitzt wieder im Cockpit. Die Glieder schmerzen. Das rote Licht der untergehenden Sonne erhellt anmutig die zwei großen Silos direkt neben dem Hafen. Der frische Westwind weht das liebliche Aroma der am Strand verfaulenden Algenteppiche durch das Boot. Und spätestens jetzt überfällt Dich die Gewissheit, hier tatsächlich eine ganz besondere Perle der Ostsee gefunden zu haben…