City Tour in Georgetown

28. März 2022

Keine Zeit zum Ausruhen. Kaum gelandet steigen wir zu unserem wie immer überpünklichen und immerfreundlichen Fahrer Sugrim. Auf dem Weg zum Hotel machen wir die für die morgigen Rückreise notwendigen Schnelltests. Schon wieder gehen 90€ letztlich nur dafür drauf, vier Blatt Papier mit „negativ“ und offiziellem Stempel zu bekommen. Das nervt!

Dann sammeln wir noch unseren Guide Carlos ein und kaum ist das Gepäck, beim immer noch eher gelangweilt als serviceorientiert wirkenden Personal des Hotels, abgeworfen beginnt unsere City-Tour durch Georgetown.

Impressionen…

Wie die ganze Region hat auch die heutige Hauptstadt Guyanas eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Von den Franzosen 1781 unter dem Namen Longchamps gegründet, wird sie nach der Rückgabe der Kolonie an die Niederländer (je nach Quelle) 2-3 Jahre später in Stabroek umbenannt. Im Jahr 1814 erhalten die Briten die Kolonie und die Stadt bekommt zu Ehren des damaligen Königs Georg III. Ihren heutigen Namen Georgetown. Mit der Unabhängigkeit Guyanas am 26. Mai 1966 wird Georgetown offizielle Hauptstadt.

Erst einmal fahren wir an die Küste zum Seawall. Heute eher etwas verschlafen, tobt am Wochenende hier das Leben. Fressbuden versorgen die Abend- und Nachtschwärmer mit festen und flüssigen Leckereien. Ein Ausbau für den etwas gehobeneren Geschmack ist in Arbeit, aber das dauert wohl noch etwas.

Wir halten am 1823 Monument. Hier wird der Demerara Rebellion vom 18. August 1823 gedacht. Etwa 13.000 Sklaven erhoben sich auf etwa 37 Anwesen größtenteils gewaltfrei gegen die harten Bedingungen und Misshandlungen. Die Antwort kam schnell und drastisch. Der Gouverneur erklärte sofort das Kriegsrecht. Nach nur zwei Tagen war die Rebellion brutal niedergeschlagen. Etwa 100-150 Aufständische starben, weitere wurden verfolgt und teilweise zum Tode verurteilt. Die Rebellion war kurz und hatte doch ihren Einfluss darauf, dass „nur“ 10 Jahre später beschlossen wurde, die Sklaverei in den Britischen Kolonien endlich abzuschaffen. Schrittweise. In Guyana bedeutete das mit Wirkung vom 1. August 1834 die Freiheit für 84.915 Menschen! Also fast. Im Anschluss herrschte noch vier Jahre lang Arbeitspflicht…

Der Besuch des Guyana National Park ist unbestrittener Höhepunkt unserer kleinen Tour. Jetzt nicht wegen der besonderen Naturschönheit des Parks. Er dient eher der sportlichen Ertüchtigung und als Treffpunkt bei großen Festen, wie beispielsweise Ostern. Dann ist der Weg voller Menschen und von Buden gesäumt. Eine schöne Geste ist das Children’s Monument. Wenn diese Rechte doch auch nur umgesetzt würden!

Die echte Attraktion ist aber der See. Besser gesagt seine Bewohner. Etwa ein Dutzend Manatis (Rundschwanzseekühe) haben hier ihr Zuhause gefunden und lassen sich gerne mit frischem Gras füttern und sogar streicheln…

Ach ja, zwei Brillen- bzw. Krokodilkaimane leben auch am See. Ist aber noch nie etwas passiert…

Danach kommt der touristische Teil unserer Stadtrundfahrt. Am Ausgang der Parks steht ein Totem. Zumindest ist diese ursprünglich aus Nordamerika kommende Tradition wie schon in Surama auch hier von lokalen Künstlern mit landestypischen Motiven gestaltet.

Samuel hat aber eher ein Auge für die umherfliegenden Vögel. Sehr zur Begeisterung unseres Guides Carlos, der auch Birdwatcher ist und sich diese Begeisterung auch von seinem eigenen Sohn wünschen würde.

Braunwangensittich
Liktormaskentyrann
Schneckenbussard
Riesenani
Venezuelaamazone
Kuhreiher
Gelbkinn-Riedschlüpfer

Natürlich darf auch das obligatorische Touri-Foto am „I love…“-Schild nicht fehlen. Gleich daneben bittet das Guyana Marine Turtle Monument um Aufmerksamkeit. Danach fahren wir auf unsere eigenen Bitte noch zu einem Shop, in dem es Andenken geben soll. Aber ganz ehrlich… die Auswahl und Qualität in diesem China-Kaufhaus ist so übel, dass wir günstig davon kommen.

Hier soll es Souvenirs geben?!

Im weiteren Verlauf entpuppt sich unsere City-Tour eher als Drive-Through. Vorbei an den Residenzen der Staatsoberhäupter fahren wir in Richtung Zentrum. Das Nationalmuseum ist geschlossen. Am grenzwertig chaotischen Stabroek Market steigen wir auch nicht aus. Seit 1842 als offizieller Markt anerkannt erstreckt er sich auf etwa 7000m2. Das 1881 fertig gestellte Marktgebäude ist vermutlich die älteste noch in Gebrauch befindliche Struktur der Stadt. Trotzdem sind wir noch allzu böse, uns nicht ins Gewühl zu stürzen. Der Eindruck aus dem Wagen reicht.

Wir passieren repräsentative Residenzen und Botschaften, fahren vorbei am High Court, dem Parliament Building und der City Hall. Insbesondere letzterer stünde ein Eimer Farbe gut zur Fassade. Immer wieder sehen wir Gotteshäusern verschiedener Provenienz, die hier einmütig neben- und miteinander leben.

Residenz des Premier Ministers
Besuch für den Präsidenten?
City Hall
Parliament Building
High Court

Am 1763 Monument steigen wir noch einmal aus. Es ist ein Nationaldenkmal, mit dem an den Berbice-Sklavenaufstand erinnert wird. Die erste große Sklavenrevolte Südamerikas mit etwa 3000 Rebellen begann am 23. Februar 1763. Der politische Führer Coffey ist heute Nationalheld von Guyana. Er selbst erlebte das Ende des Aufstands am 15. April 1764 jedoch nicht mehr lebend. Schon im Oktober hatte er nach internen Streitigkeiten Selbstmord begangen. Auch diesem Aufstand folgten Hinrichtungen, deren anschließende Kritik daran sich jedoch vor allem auf dem Verlust von Arbeitskräften gründete. Anders als 1823 änderte sich durch diesen Aufstand jedoch praktisch nichts an den unmenschlichen Umständen.

Nationalheld Coffey

Eigentlich steht nun noch der Besuch von Botanischem und Zoologischen Garten auf dem Programm. Leider ist beides geschlossen. Letzte Nachwirkungen der hier ansonsten kaum spürbaren Pandemie. Wir halten trotzdem kurz an und erhaschen von draußen einen Blick auf den Nationalvogel Panamas: eine beeindruckende Harpyie.

Geschlossener Zoo von außen.
Majestätische Harpyie in Gefangenschaft
Rotstirn-Blatthühnchen in Freiheit

Tja, das war es dann auch schon. Während wir mit Guide Carlos bei KFC auf unser Abendessen-to-go warten, holt Fahrer Sugrim die Testergebnisse ab. Überraschung: Wir sind alle negativ. Damit steht unserem Rückflug nichts mehr im Weg. Morgen geht es zurück nach Hause… auf unsere Samai.

Letzter Abend in Georgetown
Übersicht unserer kleinen Guyana-Rundreise

Savannen-Rallye mit Ameisenbär

28. März 2022

Wer ist eigentlich für diese komischen Flugpläne verantwortlich? Da geht ohnehin kaum eine Maschine und dann muss es noch so früh sein. Zumindest vor dem Hintergrund, dass da noch mehr als nur ein paar Kilometer zwischen dem Caiman House und dem Flughafen in Lethem liegen. Geplante Abfahrt ist 5:30 Uhr. Nur 8 Minuten später kommen wir los. Es ist noch dunkel, aber immerhin haben wir einen Kaffee bekommen.

5:38 Uhr Abfahrt!

Ein Pickup holt uns ab. Die Kinder sitzen mal wieder hinten drauf. Es gibt sogar eine Sitzbank. Was für ein Luxus. So fahren wir entspannt über die Pisten durch die Savanne. Um 5:56 Uhr klopft es von hinten an die Scheibe. Samuel fragt, ob er bitte sein Handy bekommen könne. Hmmm… wo ist es denn? Die Erkenntnis trifft uns wie ein Blitzschlag. Es liegt noch in seinem Bett im Caiman House. So etwas passiert schon mal, wenn jemand sein Handy als Wecker gestellt unter das Kopfkissen schiebt und morgens beim Packen schlichtweg vergisst. Blick auf die Uhr. Wir sind jetzt schon nach der Zeit, die uns als spätestmögliche Abfahrt genannt wurde… und dabei schon einige Kilometer Piste unterwegs. So ein Sch…!!!

5:56 Uhr Handy vermisst

Unser Fahrer fragt, was los ist. Ich erkläre die Situation. Er nickt und fragt lächelnd, ob wir umkehren wollen. Passt das??? Ja, das passe schon. Sekunden später haben wir gedreht und fahren zurück. Dabei vollzieht unser Fahrer eine wahre Metamorphose. Bisher fuhr er ganz gemütlich über die holprigen Straßen, bremste vor tiefen Pfützen, vermied allzuviel Ruckelei. Das ist nun Vergangenheit.

In nur gut der Hälfte der Zeit sind wir zurück beim Caiman House. Samuel und ich rennen los, winken der verdutzten Belegschaft und holen das Handy aus dem Bett. Die Autotüren sind noch nicht ganz geschlossen, da tritt unser Fahrer wieder auf das Gaspedal. Was folgt kann man nur als waschechte Rallye bezeichnen… Paris-Dakar in Guyana.

Verkappter Rallye-Fahrer!

Absolut faszinierend ist dabei die Ruhe unseres Fahrers. Lächelnd sitzt er dicht hinter das Lenkrad geklemmt und man merkt in jedem Kilometer, dass er die Strecke ausgesprochen gut kennt. Die Savanne rauscht an den Fenstern vorbei.

Unsere Hoffnung auf die glückliche Sichtung eines großen Ameisenbärs haben wir da schon lange aufgegeben. Wir hätten ja ohnehin keine Zeit für einen Stopp. Und ausgerechnet da sehe ich etwas im Gras aus einer großen Kuhle klettern. Kurz danach klopfen die Kinder auf das Dach. Ameisenbär! So schnell wir wir sonst beschleunigen, bremsen wir nun ab. Ja, es ist spät… aber soviel Zeit muss sein. Die Familie springt auf die Straße und sieht den großen Ameisenbär scheinbar plump davonrennen. Was für ein Glück.

Damit nicht genug. Anscheinend haben wir schon ordentlich Zeit wieder gutgemacht. Jedenfalls reicht es locker für einen weiteren Stopp. Der kleine Kaninchenkauz ist aber auch zu süß!

Irgendwann erreichen wir den Highway. Der ist breit, nicht unbedingt überall in besten Zustand, aber trotzdem locker ausreichend für teilweise über 80 km/h. Die Kinder auf der Pritsche genießen eine kostenlose Achterbahnfahrt. Tatsächlich kommt zwischendurch noch die Frage, ob wir für das vom Caiman House mitgegebene Frühstück anhalten wollen. Nein, vielen Dank… das machen wir am Flughafen.

Der Gelbkopfkarara hält auch auf dem Highway mit :-)

Was soll ich sagen. Kurz bevor der Check-In-Schreibtisch (sic!) überhaupt erst öffnet, sind wir in Lethem angekommen. Passagiere und Gepäck werden mal wieder gewogen und gewohnt oberflächlich durchgeschaut. Kein Problem, dass wir anschließend nochmal mit den Rucksäcken für das Frühstück über die Straße gehen. Alles sehr entspannt.

Ankunft am Flughafen von Lethem
Warteraum… hinter der Scheibe Check-In und Security…

Der Flug ist fast schon Routine. Dieses Mal passen sogar knapp 20 Passagiere rein. Und abgesehen von ein paar US-Amerikanern tragen auch alle eine Maske. Nach gut einer Stunde sind wir schon wieder am Flughafen von Georgetown. Mit dem fünften Besuch ist er nun knapp nach JFK in New York der von mir am häufigsten an- bzw. abgeflogene Flughafen Amerikas. Morgen erfolgt der Ausgleich. Doch vorher machen wir noch eine City-Tour durch Guyanas Hauptstadt Georgetown.

Capture the Experience in Caiman House

27. März 2022

Da stehen wir nun an Ginip Landing und warten. Es ist 9:20 Uhr und damit 20 Minuten nach der uns genannten Abholzeit. Während der Fahrt hierher hatte ich mich noch über die Schleichfahrt unseres Fahrers gewundert. Allerdings wurde ihm 9:30 Uhr als Zielzeit gegeben. Dreiviertel zehn sehen wir schließlich das Boot mit unserem Guide heran rauschen. Ihm wurde 10 Uhr gesagt. Aber nun ist ja alles gut… ;-)

Schnell sind unsere Sachen eingeladen und der Tank des Außenborders nachgefüllt. Vor uns liegen gut zwei Stunden kurvige Bootsfahrt gegen den Strom des Rupununi River. Und irgendwie scheint jeder Guide in Guyana automatisch ein Vogelexperte zu sein. Das ist heute nicht anders. Es gibt aber auch wieder wirklich viele gefiederte Freunde zu sehen… aber nicht nur!

Cayennekiebitze
Amazonasfischer
Braunwangensittiche
Amerika-Schlangenhalsvogel
Schwarzbrust Mangokolibri (w)
Cocoireiher
Cocoireiher

Das im Jahr 2005 von einem Amerikaner für seine Doktorarbeit gegründete Caiman House liegt mitten im indigenen Yupukari Village. Als die Arbeit geschrieben ist, geht der Gründer wieder nach Hause. Doch die Arbeit vor Ort kann fortgeführt werden. Ziel ist die Erforschung des Black Caiman / Schwarzen Kaimans (Melanosuchus niger), die Erstellung von Protokollen zur Vermeidung von Mensch-Kaiman-Konflikten, die Ausbildung indigener Naturforscher und die Aufklärung sowie Bildung der lokalen Bevölkerung. Für letzteres wird die einzige öffentliche Bibliothek weit und breit unterhalten. Die Finanzierung erfolgt inzwischen vor allem durch den Tourismus. Doch auch wenn Kaimane nur noch im Beisein zahlender Gäste eingefangen werden, kommen die dabei gewonnen Daten weiterhin der wissenschaftlichen Nutzung zugute.

Glitzerkehlamazilie

Wir bekommen zunächst jedoch ein anderes Projekt präsentiert. Seit 2011 widmet sich das Caiman House auch dem Schutz der Yellow-Spotted Amazon River Turtle / Terekay-Schienenschildkröte (Podocnemis unifilis). In den ersten Jahren wird das Projekt von zwei britischen und dann einem amerikanischen Zoo unterstützt. Aktuell hilft das Sustainable Wildlife Management – Programme Guyana.

Menschliche sowie tierische Jäger, aber auch schwindende Sandbänke (gerade in diesem Jahr werden diese viel zu früh überflutet!) setzen die Population unter Druck. Daher werden die gelegten Eier gesammelt. Das können jährlich zwischen Dezember und April bis zu 1000 Stück sein! Die Babys schlüpfen in geschützter Umgebung und verbleiben ihr erstes Jahr im Schwimmbecken. Sind sie aus dem Gröbsten raus, werden sie in die Freiheit entlassen. Und wenn die Weibchen die nächsten knapp 15 Jahre überleben, legen sie selbst ihre Eier ab…

Kurz vor Sonnenuntergang geht es los. Das Wasser im Rupununi River steht ungewöhnlich hoch. Daher versuchen wir unser Glück auf dem südlich gelegenen See. Es sieht gut aus. Wir sitzen noch nicht im Kanu, da erspähen wir schon den Kopf eines Kaimans auf dem Wasser.

So geht es weiter. Immer wieder lugt ein Kaiman hervor. Manchmal treibt er gelangweilt umher. Manchmal kommt er mit neugierigem Blick näher. Sie sind an die lokalen Fischer gewöhnt und schauen auch bei uns mal nach, ob nicht eine Kleinigkeit abfällt.

Und natürlich ist Samuel wieder auf der Jagd nach dem schönsten Vogelfoto. Maila assistiert bei der Bestimmung.

Gelbbürzelkassike
Humboldtscharbe
Grünfischer

Am Ende des Sees machen wir den Motor aus und paddeln leise durch die im Wasser stehenden Bäume. In dieser Ecke liegt das bevorzugte Nachtlager einer Gruppe Kapuzineraffen. Pünktlich zum Tagesende rascheln die Baumkronen. Doch leider halten sie nicht nur Abstand, sondern sich auch recht gut versteckt.

Dann sehen wir noch einen Riesenotter und fragen uns, ob das für den hier nicht etwas zu gefährlich sei… so mit all den Kaimanen?! Mitnichten. Es ist eher anders herum so, dass die in Gruppen jagende Riesenotter sich eher mal an einen Kaiman heranmachen. Wow!

Zurück am Strand warten wir auf das zweite Boot. Darin sitzen und stehen vier Männer. Am Motor der Kapitän, davor der Lampenmann, dann der Verantwortliche für die Leinen und ganz vorne hat man „das große Los“ gezogen. Die lange Stange mit der Schlaufe weist den eigentlichen Kaimanfänger aus. Bei einer kurzen Begrüßung wird uns auch der extra verstärke Bug der Kanus gezeigt. Wir werden gleich sehen, warum er so verbeult ist.

Wir halten uns im Hintergrund, während das andere Boot einen ersten Fangversuch unternimmt. Erfolglos. Das Tier taucht zu schnell ab. Danach leuchten Kaimanaugen im Gebüsch einer kleinen Insel. Das andere Boot schaut nach und kommt recht schnell scheinbar unverrichteter Dinge zurück. Welch Irrtum. Kurz danach hält Maila einen Baby-Kaiman in den Händen und ist begeistert. „Man spürt richtig, wie es atmet.“ So süß!!! Auch Samuel nimmt und streichelt den Kleinen, bevor sie ihn wieder zurück bringen.

Dann wird es wild… Mama taucht auf! Eigentlich wird das Einfangen im Gebüsch vermieden. Wir sehen warum. Leinen verwickeln sich im Unterholz. Die Schlinge liegt nicht um den Hals, sondern am Bauch des mächtigen Kaimans. Wir haben Glück. Es ist wirklich ein recht großes Exemplar, dass das andere Boot irgendwann auf das offene Wasser ziehen kann. So richtig glücklich wirkt Mama-Kaiman dabei nicht. Sie tobt herum, windet sich, greift das Boot an. Doch plötzlich herrscht Ruhe. Der Grund ist letztlich banal. In dem Moment, wo ihr das Maul zugebunden wird, gibt sie auf. Der einzigen wirksamen Waffe beraubt, ergibt sich der sonst unerschrockene Jäger in sein Schicksal.

Kurze Zeit später liegen stattliche 3m Schwarzer Kaiman vor uns am Strand. Ja, es ist tatsächlich ein Weibchen. Sie bekommt einen Chip mit der Nummer 797. Wir helfen beim Vermessen, Umdrehen und Wiegen. Gänsehautmomente! Wann hat man schon mal die Chance, einen lebenden Schwarzen Kaiman zu streicheln?

Mit etwas Unbehagen sehen wir, wie sie auch am Schwanz markiert wird. Über ein Nummernsystem kann das Tier so auch mit dem Fernglas identifiziert werden. Man versichert uns, dass es ihr nicht schadet.

Die Minuten rasen. Noch ein letztes Mal die Hand auf den harten Rückenpanzer gelegt. Dann heißt es „Abstand!“. Näher zum Wasser gezogen wird als Letztes das Klebeband vom Maul des Raubtieres entfernt. Sie ist frei… und bleibt erst einmal liegen. Mit dem Boot versucht man sie zu motivieren. Nichts. Dann plötzlich rennt sie los. Allerdings nicht ins Wasser, sondern zum Land. Einer der Fänger klettert in Windeseile einen Baum hoch. Das wird er noch lange zu hören bekommen. Dann geht alles ganz schnell. In Sekundenbruchteilen verschwindet der Kaiman im Wasser. Was für ein Erlebnis!

Ruhetag in der Rock View Lodge

26. März 2022

Gleich nach dem Frühstück fahren wir mit dem Surama-City-Bus weiter Richtung Süden. Rechts und links flankiert das Grün des Dschungels den Highway. Doch plötzlich öffnet sich eine weite Savanne. Flaches Grasland soweit das Auge reicht. Und nein, das ist nicht das Ergebnis von Abholzung, sondern ein erstaunlicher Wechsel der natürlichen Vegetation. Faszinierend. Trotzdem lassen sich menschliche Eingriffe nicht übersehen. Vereinzelt stehen Häuser, meist auf kleinen Anhöhen. Ansonsten bekämen die Bewohner schnell nasse Füße. Die ganze Savanne ist ausgesprochen feucht.

Gerade noch im Regenwald…
… schon in der Savanne

Bald schon erreichen wir die Rock View Lodge. Unser Gastgeber Colin ist etwas aufgeregt. Wir kommen viel zu früh. Die Zimmer sind noch nicht fertig. Kein Problem. Erst einmal bekommen wir einen Kaffee bzw. frischen Saft, genossen unter den Augen eines neugierigen Kapuzineraffen. Vor etwa fünf Jahren schaute dieser erstmals in der Lodge vorbei und beschloss spontan zu bleiben. Dazu trägt sicher auch der Umstand bei, dass er hier regelmäßig kleine Leckereien serviert bekommt.

Das gilt auch für einen anderen tierischen Bewohner der Lodge. Der Arapaima kann Größe und Gewicht des Skippers noch übertreffen und ist damit einer der größten Süßwasserfische der Welt. Wir kommen rechtzeitig zur Fütterung.

Arapaima-Fütterung

Um noch etwas Zeit zu überbrücken, führt uns Colins Sohn auf dem Gelände herum. Zunächst geht es auf den namensgebenden Rock mit der View über die Savanne. Ein wirklich schöner Ausblick! Das sah der Engländer Daniel Edwards genau so. Er war von der Gegend begeistert und spendete unter anderem auch das Schulgebäude in Surama. Seit dem frühen Unfalltod wird seiner hier mit einem Ficus und einer Erinnerungsplakette gedacht.

Rock View

Weiter geht es zum ältesten Haus der Lodge. Vielmehr stand hier nicht, als Colin das Gelände vor über 30 Jahren erwarb und zu dem machte, was es heute ist. Eine kleine, grüne, erholsame Oase voller Gastfreundschaft. Aktuell leider jedoch mit eingeschränktem Angebot. Das Rösten von hier angepflanzten Cashewnüssen fällt wegen der schlechten Ernte aus. Für den Workshop lokaler Handwerkskunst fehlt (pandemiebedingt) das Personal.

Was bleibt, ist der kurze „Uncle Dennis Trail“ auf die Ausläufer der Pakaraima Mountains. Aufgrund des aktuell trockenen Wetters machen wir uns nach dem Mittagessen auf den Weg. Der Trail ist rutschig und so mancher Handlauf müsste erneuert werden. Letztlich kommen wir aber deutlich komfortabler zum Aussichtspunkt, als gedacht.

Es hat wohl geregnet?!
Das Ziel liegt auf dem Hügel.

Von hier oben schweift der Blick weit über die offene Savanne. Wir hören Geschichten von den Auseinandersetzungen indigener Stämme. Bevor der Trail angelegt wurde, mussten die in diesen Felsen gestorbenen von kundigen Schamanen um Friede gebeten werden.

Wieder zurück in der Lodge springen wir in den (laut Eigenwerbung ;-) besten Pool weit und breit. Ein großer Spaß für die ganze Familie. Doch irgendwann bemerken wir, dass in einem kleinen Nebenbecken Kaulquappen schwimmen, die durch unser Planschen in das große Becken geschwemmt werden. Sofort startet unter Oberaufsicht der selbsternannten Quappen-Retterin Maila eine systematische Suche. Tatsächlich schaffen wir den Froschnachwuchs weitgehend vollständig(?) wieder in ihr kleines Becken zurück. Der Tag ist gerettet!

Die Caipirinha Einladung unseres Gastgebers Colin läutet den Abend ein. Das wie immer leckere Abendessen nehmen wir wieder unter genaue Kapuziner-Beobachtung ein. Wir fühlen uns wirklich willkommen.

Danke Colin!

Vor der Nachtruhe kümmert Samuel sich noch um den „kleinen Besucher“ am Nachttisch unserer Mädels. Der andere bleibt dankenswerter Weise gleich draußen und verkriecht sich letztlich hinter einem Bild.

Eine „kleine“ Riesenkrabbenspinnen“ mal drinnen…
… und mal draußen (sie verbringt die Nacht hinter dem Bild)

Den Sonnenaufgang verbringt ¾ der Familie mit Vogelsuche. Insbesondere Samuel ist natürlich wieder voll in seinem Element. Wir schließen mit einer Auswahl seiner besten Sichtungen bei der Rock View Lodge…

Orangerückentrupial
Orangerückentrupial
Braunwangensittich
Braunwangensittich

Surama – ein indigenes Dorf in Guyana

25. März 2022

Schon bei unserer Camping-Tour erzählt unser indigener Guide vom Stamm der Macushi etwas über die oft leidvolle Geschichte seines Volkes. Dieses lebt heute grenzübergreifend in Guyana und Brasilien. Eine Grenze, die sie selbst niemals gezogen haben. Doch das ist bei weitem nicht alles. Exemplarisch möchte ich hier von der Sprache erzählen.

Nach Ankunft der Kolonialisten wurde den indigenen Völkern bei Strafe verboten, ihre eigenen Sprachen zu sprechen. Bis heute ist Englisch die offizielle Nummer 1. Viele indigene Mundarten sind inzwischen ausgestorben oder verkrüppelt. Dabei „half“ der Umstand, dass diese Sprachen keine schriftliche Tradition haben. Nur über den täglichen, mündlichen Gebrauch waren sie erlernbar. Das ändert sich erst und ausgerechnet über den Einsatz der Amerikanerin Miriam Abbot. Sie lebte und arbeitete gut 30 Jahre in Brasilien und entwickelte zusammen mit den indigenen Völker eine Schriftversion der fast vergessenen Sprachen. Geschrieben wird diese übrigens von rechts nach links.

Trotzdem ist viel verloren gegangen. Es gibt nun einmal kein altes Wörter- oder Grammatikbuch der ursprünglichen, fast vergessenen Sprachen. Auch heute noch kommt kein Schüler in Guyana an Englisch vorbei. Daneben gibt es Unterricht in Spanisch und Portugiesisch. Indigene Sprachen kann man höchstens als freiwilliges Wahlfach lernen. Manch einer mag jetzt vielleicht denken, dass das ja wohl nicht so schlimm sei. Da empfehle ich nur einmal einen kurzen Perspektivenwechsel. Man stelle sich vor, die Alliierten hätten Englisch als Hauptsprache in (West-)Deutschland installiert und die Nutzung unserer eigenen Sprache bei Strafe verboten… muss ich weiter schreiben?

Plan von Surama

Doch die Sprache ist natürlich nicht die einzige Herausforderung für die indigene Lebensart. Der allgemeine Fortschritt und die auch in abgelegene Gebiete reichende, weltweite Vernetzung tun ihr Übriges. Umso mehr sind wir positiv überrascht, wie Surama damit umgeht. Wie eigentlich immer und überall fängt es mit der Bildung an.

Der Kindergarten ist hier Pflicht!

Direkt neben dem (hier obligatorischen!) Kindergarten liegt die Grundschule. Aktuell lernen hier 43 Schüler in sechs Klassen. Die meisten davon einem großen Raum. Vorne sind die Klassen 1 und 2, in der Mitte 3 und 4, hinten die 5. Mitten drin das Krankenbett. Nur die 6. Klasse hat ein eigenes, durch die Spende eines Engländers finanziertes Gebäude. Gerade finden hier die Vorbereitung für die Abschlussprüfung statt. Überall fallen uns Details auf. Daran kann sich manch eine Schule in „entwickelten Ländern“ ein Beispiel nehmen!

Nach der Grundschule führt der weitere Bildungsweg weg von Surama. Eine Oberschule findet sich nur in größeren Ortschaften. Das war es dann aber meist auch schon. Die Uni im fernen Georgetown ist ohne Stipendium unbezahlbar. So bleibt nach dem Schulabschluss die Jobsuche.

Das ist auch ein Grund für die lokal betriebene Surama Eco Lodge, deren Gäste wir sind. Damit werden Arbeitsplätze und Einkommen für die Community geschaffen. Viele Jugendliche kommen tatsächlich zurück. Bei fast jedem Schritt spüren wir, dass wir hier durch eine intakte Dorfgemeinschaft laufen.

Das ganze Land gehört der Community. Wenn jemand ein Haus bauen oder ein Stück Land nutzen möchte, muss beim Council um Erlaubnis gefragt werden. Und auch dann wird Land nicht verkauft oder übereignet. Es bleibt Gemeindeeigentum.

Neben der Schule befindet sich im Zentrum ein großes Sportfeld. Hier finden im September, dem Monat der „Indigenious Celebrations“ auch Wettbewerbe (z.B. Bogenschießen) der neun Stämme Guyanas statt. Jeder ist für eine Spezialität bekannt, hier ist es das Flechten von Körben und Spinnen von Stoffen. Diese alljährlichen, das indigene Erbe feiernden Wettbewerbe gehen von der lokalen Ebene bis hin nach Georgetown.

Der zentrale Sportplatz links wird gerade „überarbeitet“…

Einen weiteren Beitrag für die Gemeinschaft liefert die Kirche. Es gibt trotz gewisser Glaubensvielfalt nur ein anglikanisches Gotteshaus, in dem jeder willkommen ist. Man möchte nicht, dass unterschiedliche Glaubensrichtungen und getrennte Rituale die Gemeinschaft spalten. Tatsächlich trifft sich hier sonntäglich das ganze Dorf zum gemeinsamen Gottesdienst und natürlich auch für die offiziellen Verlautbarungen des Council.

Natürlich von lokalen Künstlern gemalt!

Auch sonst wird einiges getan. Es gibt einen „Women’s Organic Garden“ (…bei dem Männer höchstens als Hilfskräfte willkommen sind ;-). Ein Wildlife Club bringt der Jugend das Verständnis für die Schätze der Natur und Umgebung nahe.

Zum Abschluss unseres kleinen Dorfrundgangs kommen wir zur Machtzentrale, dem White House! Nicht ganz so pompös wie bekanntere Namensvettern tagt hier der Counsil und entscheidet über die wichtigen Angelegenheiten der Gemeinschaft.

White House!

Direkt daneben steht ein Totem. Ja, hier ist jedem klar, dass das eine nordamerikanische Tradition ist. Trotzdem hat auch hier ein lokaler Künstler natürlich mit lokalen Motiven dieses Symbol der sinngebenden Gemeinschaftsbildung geschaffen.

Und dann ist da noch das Thema der medizinischen Versorgung. In heutigen Zeiten kann man dabei erwähnen, dass das gesamte Dorf komplett durch geimpft ist. Tatsächlich war die Impfung der Eltern sogar Voraussetzung für den Schulbesuch der Kinder. Das motiviert. Ansonsten gibt es im Dorf einen Healthworker, der sich um kleinere Krankheiten, aber auch einer zuverlässigen Malaria-Diagnose kümmert. Der nächste Doktor ist im einige Kilometer entfernten Annai. Einen Medizinmann gibt es in Surama dagegen nicht mehr. Dieser Posten ist dem klassischen Nachfolgeproblem zum Opfer gefallen, was natürlich zu einem großen Verlust naturheilkundlichen Wissens führte.

Der kleine „Surama-City-Bus“ fährt uns zurück zur Lodge. Normalerweise wird er vor allem für Einkäufe genutzt. Der nächste Supermarkt ist 18 Meilen weit weg. Da tun sich regelmäßig Familien für gemeinsames Shopping zusammen. Morgen früh dagegen bringt er Einnahmen durch den Transport von Touristen. Mit ihm fahren wir weiter zu unserem nächsten Ziel in Guyana.

Die Sachen sind gepackt…
… der Bus wartet…
… auf Wiedersehen?!