4. September 2021
Auf dem Weg von Barichara nach Bucamaranga muss ein Canyon überquert werden. Das geht auf direktem Weg natürlich nicht mit dem Auto. Das Mietauto nimmt die abenteuerliche und viel befahrene „Hauptstraße“ immer schön am Abgrund entlang, die den Anden abgerungen wurde.
Maila, Samuel und ich (die Mutter hat immer eine Menge Schiss, wenn sie auf diesen Straßen fahren muss) nehmen viel lieber die spektakuläre Seilbahn über den Canyon und der Skipper darf uns dann mit dem Auto auf der anderen Seite abholen. Dabei hat der Skipper allerdings mit viel Verkehr, engen Überholmanövern von LKWs und auch etwas mit Langeweile im Stau zu kämpfen. Es ist die einzige Straße auf diesem Weg und demzufolge häufig von Unfällen jeder Art betroffen.


Die Seilbahn ist Teil des Parque Nacional del Chicamocha. Das Wort Park führt aber in die Irre. Es gibt eigentlich nur einen kurzen Weg, ein Denkmal, eine Straußenfarm (wohl nicht sehenswert), besagte Seilbahn und diverse Souvenirshops und Fressbuden. Vor kurzem kam noch ein Aquapark dazu, der aber völlig unsinnig in eine Gegend gebaut wurde, in der es extrem wenig regnet und jedes bisschen Wasser besser gebraucht werden kann. Alles muss natürlich extra bezahlt.


Wir wollen nur in den „Park“ und die Seilbahn nur für eine Strecke nutzen. Das sollte doch zu schaffen sein. Es ist schwieriger als gedacht. Erstmal stehen wir lange hinter einer Familie, die wohl erst vor Ort mit ihren Kindern ausdiskutiert, was sie besuchen wollen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir tatsächlich dran. Bisher ist der Skipper mit seinem „Survival-Spanisch“ immer gut zurecht gekommen, aber hier scheitert er. Auf jede erdenkliche Art erklären wir und mittlerweile auch die Leute die hinter uns anstehen, dass wir drei nur eine Strecke fahren, da der Skipper mit dem Auto fährt und uns dort abholt und wir eben keine Strecke hin und zurück benötigen. Schlussendlich haben Maila, Samuel und ich ein Ticket für die Seilbahn One Way und den Park und Micha hat irgendwie auch einen für den Park bekommen. Da ist wohl nicht alles durch die Scheibe des Kassenhäuschens gedrungen. Micha will aber ins Auto und nicht in den Park. Wir gehen schon mal rein und Micha schafft es die Sicherheitsdame so lange zu bequatschen, dass er sein Geld für den zu viel bezahlten Parkeintritt zurück bekommt.


Die Seilbahn fährt nur alle 2 Stunden und aufgrund der kleinen Diskussion haben wir sie verpasst und entschließen uns den Park anzuschauen und etwas zu essen. Zuerst geht es schnell die Treppen hoch zur Aussichtsplattform. Was für ein toller und spektakulärer Blick. Vor uns liegt der Chicamocho Canyon. Wir schauen in eine tiefe Schlucht, die die beiden Departmente Santander und Boyaca trennt. Es ist eine riesige geographische Verwerfung mit einer Tiefe bis zu 2 km und einer Gesamtlänge von 227 km. Er gilt als der zweitgrößte Graben der Welt und er ist tiefer als der berühmte Grand Canyon in Colorado. Es gibt eine Vielzahl an Tieren und Pflanzen in den verschiedenen klimatischen Zonen, vom tropischen Trockenwald bis zum Dornenwald. Tief unten sieht man den braunen Chicamocha River, dessen Erosionskräfte tiefe Klippen auf beiden Seiten geschaffen hat. Und natürlich sehen wir auch die Hauptattraktion, nämlich die 6,3 km lange Seilbahn.


Leider gibt es hier bei 33 Grad Temperatur aber gefühlten 40 Grad keinen Schatten. Nun gut, das sind wir eigentlich gewöhnt, aber kann man sich an die hohen Temperaturen wirklich gewöhnen? Die Haut brennt.
Weiter geht es auf dem Parkweg. Im Mittelpunkt steht ein riesiges Monumento a la Santandereanidad. Dieses gigantische Denkmal besteht aus 36 Skulpturen und wurde vom (mir unbekannten) Künstler Luis Guillermo Vallejo geschaffen. 55 Meter lang und 22 Meter breit. Es ehrt die Comuneros, die eine der ersten Gruppen waren, die sich gegen das spanische Imperium stellten. Dies alles ist auf einem Tabakblatt angeordnet, sieht aber eher wie ein Schiff aus (sind wir dann wohl Kunstbanausen) Die Sonne brennt immer noch und wir schleppen uns pflichtbewusst auf das riesige Blatt. Mutter geht voran und was bleibt den Kindern anderes übrig, als hinterherzulaufen. Sicherlich drängen sich bei den Kindern solche Gedanken auf, wie viel besser es beim Papa im Auto mit Klimaanlage gewesen wäre…





Wir verweilen nur kurz, obwohl der Ausblick über das Tal immer noch grandios ist. Das Denkmal wirkt insgesamt zu groß für den kleinen Park. Danach gehen wir in ein kleinen klimatisierten Raum, der etwas über das ansässige Volk der Muisca erzählt. Der Name Chicamocha bedeutet in ihrer Sprache „versilberter Sohn, unter dem Mond auf der Bergkette. Ansonsten gibt es aber nicht viel zu sehen und um die Zeit bis zum nächsten Start der Seilbahn herum zubringen, essen wir etwas und werden von einigen Trauergrackeln besucht.
Maila hat zwar ihre Angst vor Seilbahnen in Rio de Janeiro bereits überwunden, aber mulmig ist ihr trotzdem immer noch. Es sind mehrere kleine Gondeln, die nicht anhalten aber zum Ein- und Aussteigen langsamer werden und dabei erfolgt eine zeitgemäße Desinfektion. Wir springen rein und vielleicht auch, weil wir nur zu dritt sind oder ich mit meinen nicht vorhandenen Spanischkenntnissen und unserer optisch erkennbaren Fremdartigkeit inmitten der Kolumbianer hilfsbedürftig wirke, kommt noch ein Servicemitarbeiter mit. Na gut, er quetscht sich an den Rand und spielt auf dem Handy. Wir dagegen genießen die Fahrt. Zuerst geht es mit viel Schwung erst mal bergab an vielen Kakteen vorbei den Berg hinunter, am Fluss angekommen verlangsamen wir wieder und fahren durch die zweite Station und gondeln entspannt über den Chicamocha. Hier unten sieht der Fluss deutlich reißender aus und lädt nicht zum Baden ein.





Jetzt aber bergauf. Plötzlich kommt ziemlich viel Wind auf. Wahrscheinlich tunnelt es durch den Canyon. Die Kabine schaukelt. Zum Glück geht es hoch deutlich langsamer als herunter, aber der Wind ach was rede ich, der Sturm! nimmt zu. Plötzlich denken wir über die Sicherheit nach und die Frage taucht auf, wie genau es die Kolumbianer mit der Wartung nehmen. Maila schaut etwas ängstlich und ist froh, dass es bei dem Wind nicht so schnell nach oben geht und fragt nach, wie lange es wohl noch dauert. Einen Notknopf gibt es nicht, aber der Mitarbeiter wird wohl bei Absturz kurz vom Handy aufschauen. Ablenkung gibt es genug. Die Pflanzenwelt sieht hier ganz anders aus. Tiere sehen wir leider nicht.






Alles geht gut und wir kommen mit vielen Eindrücken mehr auf der anderen Seite oben an. Schön war’s!




Micha ist auch gerade erst angekommen und es geht direkt mit dem Auto weiter durch die Anden zu einem logistischen Zwischenhalt in Bucamaranga.
La Skipper
