Hätte – Hätte – Fahrradkette

Ushuaia, 17. März 2020

Es gibt immer wieder Momente im Leben, wo man sich die Frage stellt, wie es wohl gewesen wäre, wenn man eine andere Entscheidung getroffen, anders gehandelt hätte. Solche Momente gibt es gerade auf der Samai.

Hätten wir uns nach unserer Rückkehr hier in Ushuaia doch etwas mehr beeilt, auf das Familien-Asado bei Skipper Henk verzichtet und schon am Freitag, aber spätestens Samstag früh die Leinen losgeworfen. Dann wären wir nicht von der Schließung des Hafens überrascht worden und hätten wahrscheinlich noch den kurzen Schlag vom Argentinischen Ushuaia in das Chilenische Puerto Williams geschafft. Und hätte dort dann alles geklappt, dann hätten wir vielleicht noch rechtzeitig weiter fahren können und würden nun ganz entspannt die Chilenischen Kanäle Richtung Norden fahren. Vielleicht aber auch nicht. Möglicher Weise hätte man uns aus Puerto Williams nicht rausgelassen oder gar zurückgeholt (die Chilenische Armada hat den Ruf, da ziemlich humorlos zu sein). Dann würden wir jetzt woanders festsitzen. Da scheint Ushuaia doch die bessere Alternative.

Hier geht gerade gar nichts mehr…

Hätten wir uns für unseren Ausflug in die Antarktis doch offiziell aus Argentinien abgemeldet. Dann hätten wir Anfang März ein neues 90-tägiges Visum bekommen. So aber waren wir offiziell seit dem 21. Dezember im Land… unser Visum läuft in wenigen Tagen aus.

Eigentlich ist es kein großes, leider nur etwas kostspieliges Problem, das Visum zu verlängern. Wenn denn Argentinien nicht gerade bis zum 31. März in einer landesweiten Quarantäne wäre. Heute früh um 9 Uhr stand ich also bei der Immigration… und wurde sogar eingelassen. Dort machte man mir aber wenig Hoffnung. Natürlich könne man mir die notwendigen Zettel für die „Banco de la Nación Argentina“ ausstellen. Da müsse ich dann eigentlich hin um die Verlängerung zu bezahlen. Allerdings ist die Bank im Quarantäne-Modus und wird mich nicht reinlassen. Könne ich im Grunde also vergessen.

Ich ließ mir trotzdem die Zettel geben und bin zur Bank geradelt. Dort wurde ich tatsächlich erst einmal abgewiesen. Eine eindringliche Schilderung unserer Situation („Wir wollen nicht illegal in Argentinien sein!“) ließ den Willen zur Lösungsfindung aufkeimen. Im Endeffekt holte jemand meine Papiere vor der Tür ab, ich machte mich auf den Weg um Cash zu besorgen, der nette Mann kam mit gestempelten Unterlagen wieder vor die Tür und ich gab ihm die geforderte Summe bar auf die Hand.

Zurück in der Immigration konnte man kaum glauben, dass ich tatsächlich bezahlt hatte. Dann dauerte es auch nur noch eine gute dreiviertel Stunde (sic!), bis die nette Dame unsere Pässe kopiert und gestempelt, drei Seiten ausgedruckt, jeweils(!) dreimal gestempelt sowie unterschrieben und damit letztlich unsere vier Visa verlängert hatte. Bis Mitte Juni sind wir nun also der Illegalität entronnen… und das Ganze hat auch nur gut 3 Stunden und 160€ gekostet.

Warum kann man uns nicht einfach die Kanäle hochfahren lassen? Wir laufen auch keinen (ohnehin nicht vorhandenen) Hafen an, meiden jeden Kontakt mit anderen Lebewesen, würden praktisch in eine wochenlange, selbstgewählte Quarantäne gehen. Aber nein, die Welt spielt gerade verrückt… Chile hat nach sämtlichen Häfen nun seine Grenzen komplett für Ausländer geschlossen. Kreuzfahrtschiffe dürfen sogar bis Ende September, also den ganzen Südwinter über nicht ins Land. Auch der Hafen von Ushuaia ist geschlossen, die verantwortliche Prefectura Naval (ein in Deutschland unbekanntes Konzept) stellt keinerlei „Zarpe“ (das ist die notwendige Erlaubnis zum Verlassen eines Hafens) aus… nicht einmal für einen Schlag in die benachbarte Bucht. Selbst die Kreuzfahrtschiffe (auf denen allerdings der Virus munter sein Unwesen treiben soll!) sitzen hier fest.

Auch wir sollen doch bitte auf unserem Boot bleiben. Mindestens bis Ende März. Und dann? Keine Ahnung! Mal schauen, wie sich das noch entwickelt.

2 Kommentare zu „Hätte – Hätte – Fahrradkette“

  1. Ich mochte Ihren aufregenden Bericht über das Glück, das Sie bei der Erneuerung Ihres Visums hatten.

    Angesichts dieser Quarantänesituation ist es jetzt wichtig, kreative und konstruktive Wege zu finden, um die Zeit zu vertreiben. Hier in unserer Familie sind wir auch in unserer Wohnung in Niterói unter Quarantäne gestellt. Die Situation hier in Brasilien ist noch recht ruhig, da noch keine Panik eingesetzt hat. Nur 1 Person starb an dem Virus, aber sie hatte andere Krankheiten, die den Prozess beschleunigten. Wenn mehr Menschen zu sterben beginnen, glaube ich, dass die Ruhe enden wird. Unser Gesundheitssystem ist sehr prekär und ich glaube, dass bald Chaos entstehen wird.

    Achten Sie sehr darauf, Ihre Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten und kritischen Gegenständen aufzubewahren. Ich wünsche Ihnen viel Glück in dieser Zeit, von der ich befürchte, dass sie länger dauern wird, als wir möchten.

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