Vorurteile

Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch Vorurteile hat. Und jene Menschen, die dieses von sich weisen, haben meines Erachtens das größte Vorurteil über sich selbst.

Vorurteile an sich sind ja auch nicht schlimm, sondern bezeichnen völlig wertfrei die Tatsache, dass wir uns insbesondere über andere Menschen eine Meinung bilden, ohne dass diese auf einer ausreichenden Faktengrundlage basieren würde. Evolutionstechnisch ist das ja auch eine unheimlich hilfreiche Sache. Vorurteile helfen uns, eine immer komplexer werdende Welt überhaupt auch nur verarbeiten zu können. Problematisch wird es immer nur dann, wenn falsche Vorurteile missbraucht werden. Sie müssen stets hinterfragbar bleiben!

Auch ich hatte ein Vorurteil über Menschen, die auf individuellen Pfaden die Welt bereisen. Sei es nun wie wir mit einem Segelboot oder auch mit Wohnmobil, Fahrrad, per Flugzeug oder gar zu Fuß. (Lediglich Um-die-Welt-Kreuzfahrer nehme ich hier aus, aber auch das mag natürlich ein Vorurteil sein ;-). Solche Menschen, so dachte ich, sind neugierig, offenen für andere Menschen, Tolerant gegenüber anderen Sicht- und Herangehensweisen.

Dann kamen wir aus der Antarktis zurück und ich las auf unserer Webseite die Kommentare eben solcher, von mir in beschriebener Weise vorurteilsbehafteter Menschen. Ich fasse mal kurz zusammen, was da im Wesentlichen bei uns ankam:

Wir betreiben – so würden das zumindest „Physiologen“ (sic!) nennen – „verherrlichte Selbstdarstellung“, bzw. sei das „noch untertrieben“.

Hierzu ist zweierlei festzustellen. Erstens schreiben wir den Blog nicht für die Welt, sondern in erster Linie für die Familie, Freunde und Bekannte zu Hause, die gerne an unserer Reise teilhaben möchten. Und wir schreiben ihn für uns selbst. Der Mensch vergisst so viel und so schnell… da werden wir uns sicherlich freuen, diese im Moment entstandenen Zeilen auch später noch lesen zu können. Zweitens ist unser Blog (zumindest in Eigenwahrnehmung) doch um einiges entfernt von der heilen Welt anderer Segler-Blogs, über die wir bei allem Interesse auch hin und wieder den Kopf schütteln.

Wir lernen die Welt und „die eigentlichen Sehenswürdigkeiten“ nicht kennen, weil wir nur an der Küste sind. Dafür „muss [man] tief in das Land fahren“.

Wir haben nie behauptet, die Welt in allen ihren Facetten kennen zu lernen oder gar alle „eigentlichen Sehenswürdigkeiten“ (was ist das eigentlich?) zu sehen. Wir schreiben unsere persönlichen Eindrücke wohl wissend, dass sie genau das sind… persönliche Momentaufnahmen einer Welt, die ein einzelner Mensch ohnehin nicht voll erfassen kann.

Wir vernachlässigen (bzw. überspitzt gesagt misshandeln) unsere Kinder: „Was ist eigentlich mit der Schule, Zahnarzt, genügend Bewegung für die Kinder auf dem Schiff, Vorsorgeuntersuchungen und vieles mehr.“

Das ist schon hart…also wirklich. Ich liebe auf der Welt nichts so sehr wie meine Kinder (sic!). Wäre ich nicht davon überzeugt, dass sie von dieser Reise in so vieler Hinsicht profitieren, wie ich es hier gar nicht beschreiben kann, dann wären wir nicht hier. Und ja, natürlich machen wir hier Schule und ja, natürlich toben die Kinder rum… an Bord, an Land und im Wasser.

„Die Beiträge werden ja zensiert“ bzw, „der Verfasser will erst sein ok geben, also Zensur“. Dafür spreche natürlich auch, dass es bei uns wenig Kommentare gibt… „werden wohl alle nicht genehmigt, grins“.

Das ist zugegebener Maßen mein Favorit. Nur weil ein Kommentar nicht in Tagesfrist freigegeben wird, schwingt man gleich die Zensurkeule. Auf die Idee, dass ich einen Kommentar nicht freigeben WILL, sondern bei WordPress freigeben MUSS kommt man nicht, Die Idee, dass es auf See oder gar in der Antarktis mit dem Handynetz manchmal etwas schwierig ist und Pinguine keine Hotspots betreiben ist ebenso abwegig. Stattdessen: Zensur!!!

Nochmal: Ich gebe jeden Kommentar frei, der nicht ausdrücklich privat ist. Ach ja, warum haben wir eigentlich so wenige Kommentare? Nun, das könnte eventuell mit der Zielgruppe unseres Blogs zu tun haben. Wir haben wenige Leser (an guten Tagen sind es vielleicht mal 30) und noch weit weniger Follower. Und das ist auch völlig in Ordnung für uns! Durchaus vorhandene Kommentare werden anscheinend bevorzugt über WhatsApp oder persönliche Email abgegeben.

Vorurteile… ja, ich denke jeder hat sie und jeder sollte sie ständig hinterfragen. Aber ich war in meinem Leben noch nie so traurig und enttäuscht darüber, dass sich eines meiner Vorurteile als derartig falsch erwiesen hat. Ich tröste mich damit, dass es vielleicht doch nur eine Ausnahme ist und die überwiegende Mehrheit meiner (Wunsch-?!) Vorstellung entspricht.

Unabhängig davon wünsche ich jedem auf dem Weg um, in und durch die Welt, wie auch immer dieser gegangen wird, eindrucksvolle Erlebnisse, ein offenes Herz und wenig Gift in der Tastatur.

P. S. Gerade auch zu diesem Beitrag sind Kommentare natürlich erwünscht und willkommen und werden (so nicht ausdrücklich widersprochen) selbstverständlich freigegeben.