Wir genossen den Hafen, sowie das wankelmütige Internet an Deck natürlich in vollen Zügen. Während wir mit der Post uneins waren, unsere Wäsche mit „White Magic“ wuschen (waren dann so 10 Trommeln, alles wurde per Hand an die Reling und andere auffindbare Leinen gehängt, bis uns die Klammern ausgingen) und natürlich viele aus Sicht der Kinder unsinnige Schulaufgaben bei gefühlten 30 Grad machen mussten, hatten wir natürlich auch Hunger. Die in Hafennähe erreichbaren „Night Bars“ waren jetzt keine Option, also mussten wir kochen. Mein Mann wird wieder schmunzeln, es ist doch das gemeinschaftliche bzw. medizinische „wir“ gemeint. Also Micha musste kochen. Zum Glück kocht er gern und manchmal essen wir es auch – er hat sich schon gut an unsere (der weibliche Part) Chili-sensiblen Geschmacksnerven angepasst und es schmeckt mittlerweile auch für uns. Wobei der Geschmack nicht das Problem ist, sondern die Schärfe. Aber das Chili wird dann auf den Tisch gestellt und jeder kann nachwürzen. Samuel eifert dem Papa in Sachen „abgestorbene Geschmacksnerven“ nach und würzt auch gern großzügig und viel nach. Also während die Mädels an Board bereits Feuer speien, pallabern die Herren über die nur milde Würze in dem Gericht.
Schlussendlich, wir müssen dann mal einkaufen gehen. Der Bequemlichkeit eines Autos entflohen, nahmen wir unseren orangenen Bollerwagen und zogen bei Sonne und heißen Temperaturen los, etwas Essbares zu finden. Via Handy wurde ein Lidl ausfindig gemacht und die Eltern wollten sich erstmal umschauen, während der Nachwuchs in den Genuss einer unbegrenzten Strommenge und damit der Benutzung von iPad & Co ohne Einschränkung kam. Der Hinweg war kein Problem. Zuerst ging es eine Unterführung hinunter, die gleichzeitig zu Eisenbahngleisen führte. Wir sind ja aus Berlin einiges gewohnt und fühlten uns auch gleich zu Hause. Der Geruch war sehr ähnlich, die Wände nur deutlich bunter und die Bilder gar nicht so schlecht. Die Obdachlosen hatten sich allerdings nicht nur mit einem Einkaufswagen voll mit Hab und Gut bequem gemacht, sondern gleich eine ganze Ecke mit Couch und Sessel sowie Tischecke eingerichtet. Es blieb aber für uns keine Option. Also zuerst eine lange Treppe hinunter und nach dem quasi geraden Weg an der Wohnecke und dem Fahrkartenautomaten vorbei, ging es wieder eine Treppe rauf. Gut, der Bollerwagen wurde einfach getragen. Zurück, mit dem vollen Wagen, wird sich schon ein anderer Weg finden, dachte ich. Wir sind ja in Lissabon und Micha hängt ja eh immer am Handy-Routenfinder… das wird schon.

Frohgemut kauften wir neben Lebensmitteln auch diverse alkoholfreie und natürlich nur wenige alkoholhaltige Getränke ein. Lustig war, dass es gar keine großen Einkaufswagen, sondern nur kleine Einkaufskörbe gab. Aber wir haben ja unseren Bollerwagen. Also alles rein und noch hoch gestapelt. Im angenehm kühlen Lidl war das auch kein Problem, aber als wir dann draußen waren, war zu mindestens ich in der Wirklichkeit angekommen. Es war heiß, ging über einen schlechten Fußweg bergab und die Steuerbarkeit des Wagens war leerer besser als voll. Oh weh, und das Fleisch!!! Micha fand einen Weg, der nicht durch die Unterführung führte. Aber das war’s auch schon. Die meiste Zeit war er mit dem Wagen auf der Straße, da die Fußwege im Grunde nur so breit waren, dass man schon ohne Wagen kaum nebeneinander gehen konnten. Und die Pflastersteine waren recht uneben. Und es ging eng an Häuserwänden vorbei. Wenn einem Leute entgegenkamen, musste einer von beiden auf die Straße ausweichen. Toll. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie das als Rollstuhlfahrer funktionieren soll. Ständig nur hohe Bordsteinkanten, unebene und unglaublich enge Fußwege (wobei sie den Namen nicht verdienen).
Dann sahen wir endlich den Hafen. Uns trennten nur noch eine S-Bahn- und eine Straßenbahn-Trasse. Kein Problem, es führte ja eine Straße hinüber und ein Fußweg. Ach, die Stufen zur Brücke… das kann doch nicht alles sein. Da muss es einen Fahrstuhl geben. Wie sollen denn die mit Gehhilfen oder Rollstuhl oder Kinderwagen da rüber oder allein zum Bahnsteig kommen. Die schlichte Antwort: Gar nicht!!! Schlussendlich schleppten und zerrten wir den Bollerwagen die Treppen rauf und dann wieder runter. Am Rand waren wenigstens Schienen für ein Fahrrad. Also kamen wir nach einer gewissen Zeit, schweißgebadet auf der Hafenseite an. Zur großen Freude von Micha erklärte ich ihm, dass wir bevor wir zu den Kanaren (immerhin 4-5 Tage) aufbrechen, noch einmal einkaufen müssen, da bestimmt die Hälfte noch fehle. Ich erntete Begeisterungsstürme. Man darf nicht vergessen, es müssen ja 4 Leute durchgefüttert werden.
Einige Tage später war es dann soweit. Wir nahmen diesmal die Kinder als Schlepphilfe mit. Kinderarbeit klappt an Bord ja eigentlich ganz gut, vor allem beim Anlegen mit ungünstigem Wind, also warum nicht auch zum Einkaufen. Immerhin essen sie ja auch mit. Ehrlich habe ich da natürlich auf Samuel und nicht ganz so doll auf Maila gebaut. Also, es war wieder gefühlt 30 Grad und Sonne, los. Hin zu ging es durch die bekannte Unterführung. Kein Problem. Einkaufen ging auch noch. Zusätzlich hatten wir blaue Ikea-Taschen (ich liebe!!!! Ikea-Taschen), um z.B. die Müsli (Micha meint, dass wäre ja wohl kein Müsli… also Choco Crossis) rein zu tun. Sollte ja nicht so schwer sein. Der Lidl wurde weitgehend leer gekauft, die Kinder rannten dabei ca. 50x durch den Laden, und so war die Crew bereits fix und fertig, nachdem wir bezahlt und alles eingepackt hatten.

Dann raus in die Hitzewand. Micha schulterte den Seesack und zerrte am Wagen, Maila hielt erst das Toilettenpapier, legte es dann aber auf den Wagen (verhinderte immerhin das Herunterfallen), Samuel trug tapfer, die Tasche mit den 15 „Müsli“ Packungen, deren Riemen ihm zunehmend ins Fleisch schnitten und ich trug auch eine Ikea Tasche mit zu viel drin. Also alles entspannt. Wir dachten, wir kriegen den Wagen schon durch die Unterführung, da wir dort Fahrrinnen am Rand gesehen hatten. Also kein Problem. Hinunter haben wir es unter der Beobachtung von mehreren Obdachlosen, die dann doch zur Seite gingen geschafft, den Wagen hinunter zu bekommen. Also halb zog es uns und halb sanken wir hinab. Rauf war dabei deutlich schwieriger. Wir führen zwar den linken Reifen in die Fahrradführung ein, aber er war zu hoch und hing fest. Ich in meiner unkonventionellen Art, fluchte laut das Wort mit Sch…. Da hörte uns ein junger Mann aus Deutschland und fragte uns, ob alles ok sei. Wir haben gleich die Chance ergriffen und gefragt, ob er mit anpacken könnte. Er wirkte etwas überrumpelt, aber half super mit. Dann sah uns noch jemand anderes (ich vermute ein Portugiese) und auch er packte mit an. Und im nu waren wir oben. Nochmal vielen lieben Dank an die unbekannten Helfer. Ob das jemand in Berlin gemacht hätte?!
Zum Schluss konnten wir alle nicht mehr und entkamen nur knapp einem Sonnenstich. Wir murmelten etwas von nie wieder, aber wussten, dass das erst der Anfang von langen Einkaufswegen war. Aber vielleicht wird es ja auch mal wieder kühler.
Eure La Skipper
P.S. Nachtrag vom Skipper. Bei der „Perle“ Lissabon wurde versäumt, auf die besondere Ästhetik des Sanitärbereiches einzugehen… das wurde nun wie folgt ergänzt:
„Abhängig von Schweißproduktion und (In-)Kontinenz, führt der Weg früher oder später zum Sanitärbereich eines Hafens. Im Herrenbereich der hiesigen Wellnessoase finden sich dann auch je zwei Toiletten und Pissoirs sowie vier Duschkabinen. Wohlgemerkt für eine Marina mit offiziell 370 Liegeplätzen! Da ist es gar nicht weiter schlimm, dass das Klopapier fehlt. Ein Blick auf die undefinierbaren Pfützen am Boden und den sonstigen Allgemeinzustand der Örtlichkeit lassen Mitleid mit den eigenen Stoffwechselendprodukten aufkommen. Man möchte seinem Urin einfach nicht zumuten, hier abgeschlagen zu werden. Dafür fällt die Wahl der Dusche ob des zur Verfügung gestellten Entscheidungskriteriums leicht: ich nehme die Kabine, bei der der Vorhang nur im unteren Viertel verschimmelt ist… bei den anderen reichen die ästhetischen Muster deutlich höher. Glücklich die Damen, welche auch eine Option ganz ohne Vorhang haben. Ob dort dann aber auch fünf(!) leere Flaschen Duschzeug und angefangene Seifen rumliegen? In der Tat fühlt man sich hier an viele Orte der Welt versetzt. Orte mit einem anderen Verständnis für Sauberkeit und Hygiene. Orte, für die der (zufällig auf meinen Geburtstag fallende) Welttoilettentag eingeführt wurde. Orte, die man oft noch nie gesehen hat und im Grunde auch gar nicht sehen möchte.“