September 2021
Immer wieder bekommen wir in Lateinamerika zu hören, dass man sich als Europäer das mit dem Autofahren im jeweiligen Land gut überlegen solle. Das war schon in Ecuador so. In Costa Rica wird selbst seitens Reiseveranstaltern und Autovermietern gewarnt, defensivste Fahrweise eingefordert und auf die Möglichkeit eines Fahrers verwiesen. Die lokale Fahrweise sei herausfordernd und die Straßen alles andere als gut. Ganz ehrlich… die sollen mal in Kolumbien fahren! Natürlich bekommen wir auch hier einen „Rundum-Service“ angeboten. Doch aus mehreren Gründen kommt der für uns nicht in Frage. Schließlich habe ich mal Autofahren gelernt und sein gelerntes Können soll man ja auch hin und wieder mal einsetzen. Also los…
Eines Vorweg: Mir hat das Fahren hier richtig Spaß gemacht!
La Skipper hat da jedoch eine gänzlich andere Sichtweise. Schon auf den vorhergehenden Rundfahrten hat sie sich bevorzugt in den Fond des Wagens verzogen. Gerne mit Kopfhörern und geschlossenen Augen sitzt sie hinten und versucht „in sich zu ruhen“… soweit die meist kurvigen, oft mit Schlaglöchern versehenen Straßen das gepaart mit der kolumbianisch inspirierten Fahrweise des Skippers zulassen…
Straßenschilder
Wohl jedes Land hat einige ganz eigene Verkehrsschilder. In Kolumbien fallen zunächst die „zwei Augen“ auf. Nach unserer Recherche fordert das zum Einschalten des Abblendlichtes auf. Sind „vier Augen“ zu sehen, geht es um das Fernlicht.

Absolut ernst zu nehmen sind die Warnschilder für Bremsschwellen, davon später mehr. Die wahren Helden des Straßenrandes haben jedoch mehr Text. Immer wieder fahren wir an zwei oft auch dicht hintereinander aufgestellten Achtung-Schildern vorbei:
- Peligro Zona Geológicamente Inestable (geologisch instabile Zone)
- Peligro Zona de Hundimientos en la Via (Sinkzone in der Straße)
Straßenzustand
Diese Schilder sollte der umsichtige Fahrer absolut ernst nehmen. Ersteres lässt gerne mal einen Erdrutsch erwarten. Wir sind in der Regenzeit unterwegs. Da kommen Erdrutsche häufiger mal vor und werden auch nicht so schnell wieder abgeräumt. Man braucht also nicht überrascht zu tun, wenn direkt nach einer (meist nicht einsehbaren) Kurve die eigene Spur von Erde versperrt ist. Bei letzterem ist dann gerne mal die halbe Straße einfach so um +/- 10cm abgesenkt. Das kommt öfter vor, als einem lieb ist.




Allgemein muss man auch auf den besser ausgebauten Straßen immer mit unangekündigten Schlaglöchern von teils beachtlichem Format rechnen. Auf dem Weg zum Río Claro zeigt sich selbst die zweispurige Autobahn von erstaunlich zweifelhafter Qualität. Immerhin erlaubt uns der auf diesem Abschnitt ausnahmsweise wenig vorhandene Verkehr eine angemessene Slalomfahrt um die großflächigen Schadstellen. Achtung beim Überholen… gerade auch die großen LKWs fahren gerne Slalom!
Auf den schmalen, meist unbefestigten Nebenstraßen findet man Warnungen und Hinweisschilder vergeblich. Autofahren auf eigene Verantwortung. Hier kann man ja schon froh sein, wenn ein abgebrochenes Stück Straße irgendwie markiert wurde. Auch halten sich die Folgen von Erdrutschen deutlich länger. Unbestrittener Höhepunkt ist eine (immerhin markierte!) Stelle auf dem Weg von Salamina nach Honda…

Straßenimpressionen
Wie schon erwähnt, muss man auf Kolumbiens Straßen immer mit allem rechnen. Dazu gehören natürlich auch Anblicke, die man aus Deutschland so nicht unbedingt kennt. Dabei sind Tiere noch vergleichsweise gewöhnlich. Bemerkenswert ist jedoch das Bedürfnis von Personentransportdienstleistern, möglichst jedem Wunsch auf Beförderung nachzukommen.


Überholverbot
Ein ganz alltäglicher Anblick ist dagegen der sich um die Serpentinen quälende Lastwagen voraus. Gerne auch mal im Konvoi. Das Hauptproblem dabei ist das nahezu durchgängig geltende Überholverbot. Theoretisch bestimmt also das langsamste Gefährt die Fahrzeit aller. Theoretisch. Praktisch wird überholt, als gäbe es kein Morgen. Selbst auf kürzesten Geraden wird das Gaspedal getreten und ausgeschert, wenn da nicht zufällig gerade Gegenverkehr um die nahe Kurve biegt. Passiert das dann doch mal, geht es trotzdem gut aus. Vielleicht wird mal aufgeblendet, aber letztlich gibt das entgegenkommende Fahrzeug dann doch genug Platz, um den Überholvorgang abzuschließen.
Geschwindigkeitsbegrenzungen
Genau wie das konsequent ignorierte Überholverbot wird auch die Geschwindigkeitsbegrenzung von inner- und außerorts normalerweise 60 km/h durch ein Vielzahl von ebenso konsequent ignorierten Schildern angezeigt. Gefahren wird trotzdem grundsätzlich nach Stecke und Verkehr. Hinter einem LKW oder auf steiler Schotterpiste eher langsam, auf freier Strecke dagegen so schnell, wie die Reifen die Scherkräfte in Straßenhaftung umsetzen können… nur zu oft lediglich bis zum nächsten sich den Berg hinauf quälenden LKW.




Mautstellen
In unregelmäßigen Abständen kommen wir an Mautstellen vorbei. Die Preisgestaltung bleibt undurchsichtig. Meist ist es für PKW etwas über 10.000 Peso, also etwa 3 €. Zweiräder kosten grundsätzlich nichts. Für sie ist am rechten Rand eine gebührenfreie Tangente eingerichtet. Und bei viel Andrang zeigt man sich schon mal flexibel und sperrt kurzerhand eine Fahrtrichtung um den Stau durch die Nutzung sämtlicher Spuren abzubauen.
Verkehrsberuhigung
Nicht nur Mautstellen bremsen den Verkehrsfluss. Dafür sorgen auch regelmäßig anzutreffende Bremsschwellen. Selbst auf schnurgeraden Durchgangsstraßen. Zum Glück sind diese praktisch ausnahmslos durch Schilder angekündigt. Außerdem werden sie (ebenso wie rote Ampeln) für einen regen Straßenhandel genutzt.
Einbahnstraßen
Natürlich gibt es in Kolumbien auch Einbahnstraßen und meist halten sich zumindest die Autos auch daran. Zweiräder sind naturgemäß ein ganz anderes Thema. In Barichara kümmert sich aber wirklich niemand um die richtunggebenden Pfeile. Bei Gegenverkehr findet sich schon eine Nische zum Ausweichen. Einmal fahre ich (in diesem Fall tatsächlich versehentlich!) verkehrt um den zentralen Dorfplatz. Die Polizei steht am Straßenrand und natürlich bleibt unser Verhalten nicht unbemerkt. Es reicht bei den Ordnungshütern immerhin für ein kurzes Aufblicken vom Handy… ;-)
Eine andere Art von inoffizieller Einbahnstraße erleben wir in Cartagena. An einer roten Ampel sehen wir immer wieder mal, wie Autos einfach auf die gerade leere Gegenspur ausscheren und bis zur Kreuzung vorfahren. Damit ist die Straße für den Gegenverkehr dicht. Abbieger müssen halt (meist ebenso laut wie erfolglos hupend) warten.

Motorräder
Sie fahren irgendwie in einer eigenen Welt. Manche fühlen sich mit enormen Lasten oder einer ganzen Familie versehen größer als sie sind. Na wenigstens in der Stadt tragen die meisten Fahrer einen Helm. Gerade in Medellín wäre alles andere auch lebensgefährlich. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Bei absolut JEDEM Spurwechsel, insbesondere bei stockendem Verkehr, ist der Blick nach Hinten absolute Pflicht. Selbst auf der Berliner Stadtautobahn habe ich ein derartig konsequentes Durchdrängeln ganzer Heerscharen von Zweirädern noch nicht erlebt. Wo haben die eigentlich ihren Führerschein gemacht?




Führerschein
Apropos kolumbianischer Führerschein. Bis vor Kurzem war dieser ausgesprochen unkompliziert erhältlich. Man gehe zu der entsprechenden Stelle, beteuere seine Fahrkünste, zahle den geforderten Betrag und die Fahrerlaubnis wird überreicht. Fahrstunden oder gar eine Prüfung waren nicht notwendig. In Medellín versichert uns unser Guide jedoch, dass sich das vor etwa 2 Jahren geändert hat. Zumindest für den Erwerb eines neuen Führerscheins…
Straßennamen
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zu den Straßennamen. Die sind in Kolumbien weitgehend unbekannt. Lediglich einige wenige große Autovía haben einen Namen. Ansonsten führen Carrera grob in Nord-Süd-Richtung, Calle dagegen grob in Ost-West-Richtung… und werden schlichtweg (ggf. mit angehängtem Buchstaben) durchnummert. Bei der Richtung der Nummerierung zeigt man sich dagegen flexibel. Calle 1 ist oft im Süden, manchmal aber auch im Norden und Carrera 1 findet sich wahlweise am östlichen oder westlichen Ende der Stadt. Abwechslung muss sein.

Fazit
Wie gesagt hat es mir persönlich ausgesprochen viel Spaß gemacht in Kolumbien Auto zu fahren. Maila wirkte meist auf dem Beifahrersitz auch ganz vergnügt. La Skipper hat ihre Rücksitz-Erfahrungen dagegen weniger enthusiastisch in Erinnerung. Was macht sie auch so oft die Augen auf?! :-)
Letztlich ist sich die ganze Familie darin einig, dass die Entscheidung zum selber Fahren richtig war, ich vor der ersten Fahrt in Deutschland aber vielleicht doch noch mal einen Blick in die Straßenverkehrsordnung werfen sollte… sicher ist sicher! ;-)
Buenos Tardes, liebe SAMAI-Crew.
ich bin schon wieder (immer noch) begeistert von Euren Expeditionen!!!
Meine erste Bekanntschaft mit dem Südamerikanischen Kontinent hatte ich bereits 1968…..
als frischer Seefunkoffizier wollte ich nach dem Studium natürlich mein Patent auch“ausfahren“.
Also heuerte ich an bei der HAMBURG SÜD für eine Urlaubs/Vertretungsreise mit der Cap San Marco
(Schwesterschiff der Cap San Diego, Museumsschiff in Hamburg) für eine Reise in 33 Tagen (Hin-/Zurück).
U.a. waren wir auch in Cartagena……
Damals waren diese Schiffe, auch genannt als Weisse Schwäne des Atlantiks, die schnellsten Reefer weltweit.
Reisegeschwindigkeit 18-20 Knoten!!! Aber nun zum aktuellen Artikel, Landpartien mit dem KFZ.
Wir waren genau vor 30 Jahren in Venezuela (Silberhochzeit und mein 50 .Geburtstag) mit der HR 38 meines Cousins
6 Wochen auf Karibik-Rundreise, einschl. Trinidad/Tobago, Isla Margerita, Los Roques. ABC. etc.
Damals war die Kriminalität überschaubar und „händelbar“. Man wusste was geht und was nicht….
nur im Convoi gesegelt und geankert mit Hörwache. Beiboote nachts hoch und zum Einkaufen an Land immer
in Gruppe. Das Highlight war eine Reise ins ORINOCO-Delta mit Safari-Landrovern in 8 Tagen.
Aber ein Ausflug von Caracas nach Colonia TOVAR war auch eine Reise in die Vergangenheit.
Dort ist eine deutsche Kolonie 1843 mit Auswanderern vom Südschwarzwald/Kaiserstuhl gegründet worden-
Die leben noch heute ihre Bräuche, Sprache (Ditch) und haben ihre Kultur, trotz der Übergriffe der Diktatoren,
bis heute nahezu bewahren können.
Schade, leider könnt Ihr dieses wunderschöne Land nicht besuchen. Ich hätte es Euch so gegönnt!!
Los Roques, ein Archipelago mit Südseefeeling. Traumhaft schön, aber heute ein Nationalpark mit Eintrittskarte
und trotzdem nicht sicher. Genauso wie Isla Margerita, da haben wir immer günstig gebunkert.
Aber das ist alles Geschichte!!!
Liebe Grüße und weiterhin fair winds und eine Handbreite Serveza in der Bilge,
Euer Dierk aus dem herbstlich bunten Neustadt.
Hallo Dierk,
vielen Dank für Dine lieben Worte und deine geteilten Erfahrungen. Es ist wirklich eine Schande, was da gerade in Venezuela passiert. Venezolanische Flüchtlinge finden sich inzwischen fast überall in Südamerika, insbesondere natürlich den Nachbarländern. Doch mit wem man hier auch spricht, die Warnungen sind eindeutig: Abstand von Venezuela. Wirklich schade. Umso mehr freuen wir uns für Dich und alle, die dieses nach allem was man hört wirklich schöne Land besuchen konnten.
Liebe Grüße,
Micha
Moin, ich habe noch einen Punkt vergessen zu erwähnen.
In MERIDA gibt es die höchste Seibahn der Welt, Gigantisch…..
die Bergstation liegt auf 4.765 m.
das wäre doch was für La Skipper……hihi
nein Spaß beiseite, da muss man für trainieren.
Machts gut, Ihr schafft den Rest.
PS: Denkt an den Neerstrom auf dem Weg nach Osten.
LG Dierk.
Na insbesondere Maila müsste da mal GANZ tapfer sein ;-)
Den Neerstrom haben wir auf dem Weg von Cartagena nach Osten gut mitbekommen… inzwischen sind wir ja immerhin schon auf Aruba. Auf dem weiteren Weg werden wir uns aber definitiv weiter weg von Land halten… dir traurigen Gründe sind bekannt.
LG, Micha
Schon beeindruckend diese Straßenbilder!!!
Liebe Grüße,
Roland
Und was meinst Du, wie das erst live und in Farbe aussieht… meine liebe Frau hat so manches Mal erschrocken aufgejauchzt! ;-)
Toller Bericht, jetzt kann ich mir lebhaft vorstellen wie das so abgelaufen ist. Ich bin ganz bei „La Skipper“, für meine schwachen Nerven wäre das nichts gewesen. Aber wenn man nachher alles hinter sich hat, war es doch ein tolles Erlebnis.
Vielen Dank für das Lob! 🙂
Es ist ja eine tröstliche Eigenschaft des Menschen, im Nachhinein vieles zu verklären. Aber ob meine liebe Frau das auch bei diesem Thema schaffen wird?!? Gerade bei diesem kleinen Straßenwasserfall kommt ja gar nicht so schön zur Geltung, dass es rechts gut 50m senkrecht runtergeht… das jagt manchem auch in pastellfarbenen Tönen der Erinnerung noch einen gehörigen Schrecken ein.
Liebe Grüße,
Micha
Hallo Micha, sehr interessant und kurzweilig geschrieben der kolumbianische Strassenzustand. Kreuzen dieses herrliche und vielseitige Land nun seit 2 Monaten und wir können nur nicken und müssen nichts ergänzen. Vielleicht nur noch, dass ab 18.00h die nachtschwarzen Strassen nichts mehr für uns sind, fährt doch manch einer mit nur einem oder keinem Licht und eben, wie von euch erwähnt, Überraschungen lauern nicht nur nach Kurven sondern auf jeder Strecke. Vor allem die Absenkungen und Verwerfungen finden wir übelst. Ansonsten macht Autofahren Spass, mann muss sich höchst konzentrieren weil auf einer 2-sputigen Fahrbahn auch 5 Spuren ohne weiteres möglich sind und überholt wird auf allen Seiten, rechts und links, von 40tönnern mit Anhängern rechts und Bussen links und dazwischen jene Menge Töfffahrer.
Wir freuen uns auf weitere 2 Monate in Kolumbien.
Werde euch googeln und bin gespannt auf eure Reise.
Herzlichst, Sylvia
Moin Sylvia und vielen Dank für den lieben Kommentar. Schön, dass es noch mehr Touristen auch für längere Zeit in dieses schöne Land verschlagen hat. Wir wünschen euch in jedem Fall viel Spaß und tolle Erlebnisse. Nach uns googeln musst du gar nicht… Du findest alles auf diesem unseren Blog ;-)
Gruß aus Aruba,
Micha
Hallo, ich habe auch eine Kolumbienreise geplant, dann kam das blöde C, sowie Ausschreitungen und das alte Hobby Touri-Kipnapping dazu. Aber mittlerweile höre ich nichts mehr über Kolumbien. Den Berichten nach, ist Kolumbien also wieder ein „normales“ Land zum Bereisen?
Gute Fahrt, Segeln noch.
Georg
Moin!
Aus unserer Sicht ist Kolumbien wirklich eine Reise wert. Thema C muss man sich im Klaren sein, dass die Grenzen für Ungeimpfte aktuell geschlossen sind und es auch im Land einige Restriktionen gibt. Zum Thema Ausschreitungen wurde uns mehrfach gesagt, dass es die natürlich gab, damit aber natürlich nicht das ganze Land in Flammen stand. Man konnte sich gut davon fernhalten. Da haben die europäischen Medien offensichtlich mal wieder etwas zu dick aufgetragen. Trotzdem beruhigend, dass sich die Lage in dieser Hinsicht beruhigt hat. Thema Entführungen ist es seit dem Friedensschluss auch ruhiger geworden, wobei sich diese auch schon früher niemals auf das ganze Land, sondern spezielle Regionen und Gebiete beschränkt haben. Man muss sich halt überlegen bzw. beraten lassen, wohin in diesem großen Land man reist.
Zusammenfassen sicher nicht „normal“, aber unserer Meinung nach gut und sicher zu bereisen. Das sehen offensichtlich auch andere Segler so, da Cartagena und Santa Marta von diesen aktuell gut besucht sind.
Abschließend noch der technische Hinweise, dass eine Gelbfieberimpfung sehr sinnvoll ist (bin mir nicht sicher, ob die bei Einreise per Flugzeug evtl. sogar nachgewiesen werden muss). Und falls Du einen kompetenten, netten deutschsprachigen Reiseanbieter suchst… nun dazu habe ich in dem ein oder anderen Blogbeitrag ja was geschrieben. ;-)
Gruß,
Micha