21. Juli 2020
Wenn Segler etwas zu schätzen wissen, dann ist das ein guter Wetterbericht. Insbesondere die darin enthaltene Windvorhersage ist für uns von größtem Interesse. Schließlich wollen wir ja segeln. Und wenn der Wind schon nicht so richtig zum Segeln passt, dann sollte er zumindest nicht zu sehr stören. Auch wir versorgen uns selbstredend regelmäßig mit aktuellen Informationen.
In der schönen Seno Pico-Paico hatten wir drei Nächte auf diesen Tag gewartet. Standen zuvor 3-4 Bft. Nordostwind eher ungünstig für unsere nächste Etappe, sollte dieser nun schnell auf 1 Bft. abnehmen. Zwar immer noch aus Ost, also von vorne. Aber bei dieser Stärke selbst dann nicht weiter wild, wenn die eine obligatorische Windstärke oben drauf gerechnet wird. Dazu sollte uns noch der Flutstrom schieben, so dass wir eine schnelle Passage unter Motor erwarteten und entspannt losfuhren.

Schon im von Bergen eingerahmten Fjord blies es dann um einiges stärker. Das war aber eigentlich auch zu erwarten, da die Winde hier ja gerne mal kanalisiert werden. Als bei der Ausfahrt allerdings plötzlich bis zu 30kn Wind von hinten kam, hätte man eventuell schon mal stutzig werden können. Doch kaum um die Ecke der Peninsula Skyring Richtung Norden abgebogen, war der Spuk auch schon wieder vorbei. Nun hatten wir unsere eine Windstärke und motorten weiter zum Cabo Taitao. Dort mussten wir dann für die verbleibenden 25sm Richtung Osten in die Bahía Anna Pink abbiegen. Und dann kam der Wind.


Am Cabo Taitao selbst waren es noch 4 Bft. gegenan. Nun gut, das wird dann wohl einer dieser berüchtigten „Kap-Effekte“ sein, die den Wind an exponierten Stellen schon mal kräftig verstärken können. Das geht sicher vorbei. So dachten wir zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch. Gut 1½ Stunden später hatten wir 6 Bft. (also um die 25kn bzw. knapp 50 km/h) von vorne. Und dann war da ja auch noch der Flutstrom. Geplant als unser beschleunigender Freund stand der nun gegen diese Windsee und sorgte für locker 2m hohe, sehr kurze und steile Wellen. Weiße Schaumkronen wohin das Auge blickte. Da wurde uns langsam aber sicher klar, dass dieser Tag anders werden könnte als geplant.

Nochmal zur Erinnerung: die Windvorhersage prophezeite für den Nachmittag 1-2 Bft., also gut 3kn Ostwind. Ok, die Richtung stimmte. Nur die Stärke passte um den Faktor 10 nicht, lagen unsere beobachteten Spitzenwerte doch bei 33kn. Genau von vorne. Zunächst entschloss ich mich zu einer kleinen Routenänderung um dichter unter Land zu kommen. Das sollte zumindest für etwas weniger Welle sorgen. Außerdem brachte uns das dichter an Puerto Refugio und somit die einzig halbwegs plausible Ausweichmöglichkeit. Doch was ich im Fernglas sah, gefiel mir auch nicht so richtig. Dazu versprach die Topologie bei den aktuellen Bedingungen wahlweise Schwell, kanalisierte Winde und/oder Fallböen. Also weiter, schließlich sollte der Wind ja im Laufe des Tages abnehmen, nicht wahr?

Doch das war eben diesem Wind wohl nicht so richtig bewusst. Es blies weiter mit konstant 6 Bft. und 7’er Böen von vorne. Wenigsten nahm die Welle wie erwartet etwas ab. Trotzdem schafften wir kaum die notwendigen 4kn Fahrt über Grund. Das nächste Problem war schließlich der winterlich frühe Sonnenuntergang gegen halb sechs. Spätestens um 18 Uhr sollten wir am Ziel sein, ansonsten würden wir im Dunkeln tappen. Als wir um halb vier die erste Fischfarm dieser Reise passierten, lagen noch knapp 10sm vor uns.

Immer noch 5-6 Bft. Gegenwind und so langsam setzt auch noch der nun entgegenkommende Ebbstrom ein. Das würde knapp.

4.7 Caleta Saudade (Isla Guerrero)
Für das Versprechen „enjoy complete protection“ solle man tief in der „tiny NW indentation“ festmachen.

Diese Empfehlung brachte bei unserer Einfahrt im Dämmerlicht gleich mehrere Problemchen mit sich:
- Der Ostwind blies genau in die Bucht. Ja, in der kleinen Ecke war er natürlich abgeschwächt, doch fühlten wir uns in der Ansicht bestärkt, dass der Fokus der Empfehlungen tendenziell auf den (insbesondere im Sommer) vorherrschenden Westwinden liegt.
- Das brachte natürlich auch eine kleine, aber doch vorhandene Welle mit sich.
- Der flache Grund war nicht mehr richtig auszumachen, lediglich ein großer Stein am Rand war offensichtlich.
- Die unten schon winzige Ausbuchtung wird oben durch überhängende Bäume weiter verkleinert.
- Wir mussten uns etwas beeilen bevor es stockfinster sein würde.
La Skipper und Samuel fuhren mit der ersten, nach hinten führenden Landleine los. Kaum war diese fest, begann Maila am Bug damit, den Anker runter zu lassen. Das macht sie inzwischen nicht nur sehr gerne, sondern auch wirklich sehr gut! Der Skipper zielte rückwärts fahrend auf die kleine Einbuchtung, holte dabei die erste Landleine dicht, vermied möglichst Geäst im Rigg, fuhr den Anker ein und freute sich über die zeitnah vom Dinghy angereichte zweite Landleine in Luv (also Windrichtung).
Da wir es im Sinne eines ruhigen Schlafes lieber etwas übertreiben, wurden noch zwei weitere Landleinen ausgebracht. Das sollte uns eigentlich sicher halten. Doch so richtig toll war das hier bei den aktuellen Bedingungen wirklich nicht. Kaum eine Stunde zuvor sagte ich noch im Brustton der Überzeugung, am nächsten Tag nirgendwo hinzufahren. Dieser Vorsatz kam schon jetzt ins Wanken. Doch irgendwie passte das alles doch zusammen in den bei der ganzen Crew gefestigten Gesamteindruck: Ein Tag zum Vergessen!


