Wetterfenster, das: Eine unter Seglern so benannte zeitliche Periode, in der insbesondere der vorhergesagte Wind in Richtung und Stärke gerne nebst Sonnenschein gute Segelbedingungen für das angepeilte Ziel erwarten lassen.
Soweit – so gut… und wie kann das in der Praxis von Laguna nach Rio Grande aussehen?
Das Problem ist, dass es sich hier um einen fast 300sm langen Küstenabschnitt ohne jede auch noch so kleine Chance eines Zwischenstopps handelt. Es muss trotz der tendenziell wechselhaften Bedingungen hier also in einem Rutsch nach S(üd)W(est) durch gesegelt werden. Die eingeholten Wettervorhersagen (Seadocs und Wetterwelt) waren sich recht einig. Nach bevorstehendem, kurzem NE-Wind herrscht in der mittleren Zukunft eine ungewöhnlich stabile SW-Windlage. Zur Erinnerung: beim Wind zeigt (im Gegensatz zur Strömung) die Himmelsrichtung an, wo der Wind herkommt! Wir hatten in absehbarer Zeit also nur eine realistische Chance, ein kleines Wetterfenster mit etwas mehr als einem Tag gut segelbaren Wind Richtung Rio Grande. Also los…

Durchwachsener Auftakt am Dienstag: Vorhersage zunächst schwach windig, später etwas zunehmend auf E 3-4
Von 3m Restwelle (auch Schwell genannt) des vergangenen Südwinds hatte aber keiner was gesagt. Der anfangs fehlende Wind war kein Problem, da wir ohnehin noch den Wassermacher für ein paar Stunden laufen lassen mussten. Und das geht nun mal nur unter Motorfahrt. Nachmittags hatten wir dann mit 4 Bft. E-NE erstmals wirklich gut segelbaren Wind… das Fenster öffnete sich.
Das offene Fenster am Mittwoch: Vorhersage schon nachts weiter zunehmend auf NE 5-6, nachmittags etwas abnehmend aber abends bis nachts wieder zunehmend NE 4
Ja, so sieht ein schönes Wetterfenster aus. Kräftiger Wind von hinten versprach schnelles Segeln mit vielen Meilen und weitgehend unkritischer Welle. In der Tat nahm der Wind sogar schon Dienstagabend zu. Nein, nicht auf 5-6 Bft. sondern gleich mal auf Böen über 30 kn (also 7 Bft.). Da reichte das Großsegel im 1. Reff lange Zeit völlig aus. Nachmittags nahm der Wind bei inzwischen geschlossener Wolkendecke tatsächlich auf 4 Bft. ab. Unter Vollzeug machten wir weiter gut Strecke. Abends war der Wind dann plötzlich weg. Einfach so. Da hatte er wohl die Vorhersage nicht richtig gelesen. Und wir mussten viel früher als erwartet schon den Motor anwerfen. Wenigstens blieb der von Wetterwelt prophezeite Regen aus.
Unvergessliches Finale: Vorhersage ab Donnerstag früh SW 4-5 (evtl. Böen 6), abends abnehmend und S-drehend
Diese Vorhersage war der Grund, warum wir eigentlich schon Montagabend losfahren wollten, was aus den geschilderten Gründen leider nicht klappte. Ja, das eigentliche Wetterfenster war hiermit geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt sollten wir jedoch keine 40sm vor der Einfahrt in gut geschützte Gewässer stehen. Nicht schön, aber 4-5 Windstärken auf die Nase lassen sich unter Motor für eine gewisse Zeit halbwegs plausibel fahren.
Der Wind kam dann leider überpünktlich. Schon um 3 Uhr nachts wehte es exakt aus SW. Allerdings mit 5, in Böen 6 Windstärken. So zum warm werden. Den gesamten Donnerstag blies es schließlich mit konstanten 6 Bft. und regelmäßigen Böen über 30kn (stabile 7) voll auf die Nase. Gerade mal 24 Stunden zuvor war das, wenn auch minimal schwächer, exakt umgekehrt! Und es sei daran erinnert, dass aufgrund des zu diesem Zeitpunkt defekten Autopilots (der mit den Bedingungen aber ohnehin seine Probleme gehabt hätte) immer, also wirklich immer jemand (ok… zu 90% der Skipper) am Steuer stehen musste.
Etmal, das: Die mit einem (Segel-)Boot in 24 Stunden zurückgelegte Strecke über Grund in Seemeilen. Eine Seemeile hat die Länge von 1.852m. So ein mittleres Etmal für Fahrtenboote unserer Größe liegt mit 5kn Durchschnittsgeschwindigkeit bei 120sm. Wenn es schlecht läuft, kann man schon mal unter 100sm rutschen. Bei guten Bedingungen und/oder passendem Strom geht es natürlich selbst bei uns auch gerne mal höher. Von der Atlantiküberquerung eines etwas größeren Fahrtenbootes wurde kürzlich sogar ein persönliches Rekord-Etmal von 189,4sm (im Schnitt knapp 7,9kn!) berichtet.
Ja, auch wir schreiben hin und wieder an dieser Stelle die Information über unser Etmal. Doch heute möchte ich ein Statement gegen die unter Seglern weit verbreitete, fast schon wahnhafte Fixierung auf diese Kennzahl abgeben. An eben jedem Donnerstag legten wir von 10:30 Uhr bis 15:24 Uhr knapp 7,5sm zurück. Das ergibt rein rechnerisch ein Etmal von ca. 36sm. Das ist auf der Ostsee etwas mehr als die Strecke Kühlungsborn – Travemünde. In 24 Stunden. Diese Neuentdeckung der Langsamkeit könnte man fast genießen, würde denn die Sonne scheinen und hätte sich die Welle nicht auf ruppige 2-3m aufgebaut. Immerhin wurde sie durch die mit der Welle (und damit gegen uns) laufenden Strömung nicht weiter „aufgesteilt“.
Fast den ganzen Donnerstag kamen wir also gelinde gesagt SEHR langsam voran. Lange Zeit zeigte der Geschwindigkeitsmesser kaum mehr als 1kn SOG (Speed Over Ground) an. Zur Erinnerung für Nicht-Segler: kn = Knoten = sm pro Stunde… 1kn sind also knapp 2km/h! Um 15:24 Uhr sahen wir dann erstmals seit Stunden wieder einen Wert über 3kn und nach einer gefühlten Ewigkeit war es Freitag früh um 0:25 Uhr endlich geschafft. Nach über 20 Stunden Quälerei standen wir endlich vor der Einfahrt in den großen Lagoa dos Patos. Nach Rio Grande waren es damit zwar immer noch 12sm, doch diese konnten wir nun entspannt, gut geschützt ohne Welle und Gegenwind angehen.
Frei nach dem sehr empfehlenswerten Kling’schen Känguru steht eine Wiederholung dieses Tages ziemliche weit oben auf meiner „Not-2Do-Liste“ :-)