Barbados, 15./16. Februar 2022
Skipper: Wir haben schon seit Monaten eine kleine Harpune zum Speerfischen an Bord. In Deutschland ist deren Nutzung natürlich streng verboten. Da fällt ja schon eine ohne Angelschein ins Wasser gehaltene Schnur mit Haken in den Straftatbestand der Fischwilderei. Doch in vielen anderen Ländern gehört die schonende Art des Fischfangs mit Speer zur lokalen Tradition und wird selbstverständlich praktiziert. So auch in Barbados.
Unser Free Diver Samuel schnappt sich also das Handwerkszeug und ist schnell im Wasser verschwunden. Kurz vor dem Davonschwimmen murmelt er noch etwas davon, was wir denn mit einer Muräne machen würden. Der Skipper murmelt zurück: „Grillen!“ La Skipper nimmt das alles nicht wirklich ernst. Ganz im Gegensatz zu unserem Sohn. Er hat ein klares Ziel vor Augen.
Samuel: Ich gehe ins Wasser, mit der Harpune, den Flossen und der Taucherbrille ausgerüstet. Ich suche und suche, kann aber keine Muräne entdecken. Auch andere Fische sehe ich nicht. Nach gefühlten Stunden mache ich mich auf den Rückweg. Plötzlich sehe ich unter mir eine Stelle, wo sich erfahrungsgemäß gerne Muränen verstecken. Ich tauche hinab um nachzusehen. Erst sehe ich keine, doch dann sehe ich den schwarz-weißen Körper einer Muräne. Ok, eigentlich sehe ich nur den Kopf und ein kleines bisschen vom Schwanzende.
Ich ziehe die Harpune auf. Meine Lunge beginnt zu brennen, als mir auffällt, dass mein Herz rast wie bei meiner ersten Autofahrt. Also schnell wieder an die Oberfläche. Ich atme tief durch und tauche erneut ab. Die Harpune ist noch immer gespannt. Die Spitze der Harpune zielt auf den Kopf der Muräne. Ich lasse los und die tödliche Waffe schnellt vor. Trotz der enormen Wucht der Harpune treffe ich die Muräne nicht. Sie kann ihren Kopf noch zurückziehen. Ich wundere mich und tauche auf. An der Oberfläche ziehe ich die Harpune wieder auf und tauche erneut ab. Sie schaut wieder aus der Höhle, aber dieses mal an einer anderen Stelle. Ich ziele wieder und lasse erneut los.
Dieses mal treffe ich. Als ich auftauche, hängt die Muräne am tödlichen Ende der Harpune. Doch habe ich sie nur mit einem der insgesamt drei „Harpunenhaken“ getroffen. Also tauche ich wieder ab. Am Boden drehe ich die Harpune, bis die Muräne sich unter den anderen Haken befindet. Da steche ich zu. Die Harpune durchbohrt die Muräne und gräbt sich in den Boden. Das Beutetier verkrampft sich und klammert sich an die Harpune. Dann schwimme ich zurück. Ab da an sollte Papa weiter erzählen.



Skipper: Es dauert letztlich gar nicht mal so lange, da taucht Samuel wieder am Heck der Samai auf. Am Speer in seiner Hand hängt eine Gefleckte Muräne. Na toll. Ich hätte es wissen müssen. Dann mal ran ans Werk. Arbeitshandschuh angezogen, Messer gezückt und die Muräne von ihrem Leid befreit. Das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Sie ist nicht nur richtig glitschig, sondern hat dazu noch eine erstaunlich feste Haut.


Von unserer ersten Erfahrung mit frittierter Muräne in Cabo Verde haben die Jungs in guter Erinnerung, wie grätig dieser Fisch ist. Filetieren kommt da nicht in Frage. Also klassisches Ausnehmen. Erwähnte ich schon die glitschig-zähe Haut? Die Aktion zieht sich. Doch irgendwann sind die Innereien raus und die Haut auf griffiges Normalmaß abgewaschen. Ja, damit kann der Grillmeister was anfangen.

Doch vorher müssen wir noch das Thema „Ciguatera“ klären. Dabei handelt es sich eine in tropischen Breiten durchaus häufige Fischvergiftung. Ciguatoxin und Maitotoxin reichern sich über die Nahrungskette vor allem in den großen Riffräubern an. Das sind insbesondere Barrakudas und Zackenbarsche, aber halt auch Muränen. Die Fische selbst stört das hitzebeständige und somit auch vom Kochen bzw. Grillen unbeeinflusste Gift nicht. Beim Menschen können schon weniger als 100g belastetes Fischfleisch zu schweren Symptomen führen. Darunter eine Störung von Wärme- und Kälteempfinden. Die Letalität beträgt immerhin ca. 0,1%. Eine Therapie gibt es nicht, der Körper muss das Gift selbst wieder loswerden. Da ist Vorsorge die beste Medizin!


Wir fragen also beim alteingesessenen TO-Stützpunktleiter an. Er gibt Entwarnung. Ciguatera sei hier kein Problem. Dazu ist unsere Muräne ja auch nicht besonders groß. Damit steht der Speiseplan für den nächsten Abend fest: Muräne vom Grill!

Der saftige Fisch ist wirklich grätig und wirklich lecker. Selbst unsere Mädels lassen es sich nicht nehmen, mal zu kosten. Zumindest ein winziges Stück. Ansonsten halten sie sich lieber an den gegrillten Alternativen und Bratkartoffeln. Kein Problem. So bleibt für die Jungs mehr übrige von diesem nicht alltäglichen Gaumenschmaus: Lecker Muräne!

