Wie bekomme ich bloß das Kuttersegel wieder flott?

Ushuaia, März 2020

Die Vorsegel haben bei uns ein sogenanntes Rollreff. Das heißt, dass um das eigentliche Vorstag eine drehbare Röhre liegt, an der wiederum das Vorsegel angeschlagen ist. Wenn das Segel eingeholt werden soll, kann mit der Reffleine im Cockpit diese Röhre über die unten angebrachte, sogenannte „Furlex“ gedreht werden. Damit rollt sich dann auch das Segel darum auf. Das Segelsetzen ist noch einfacher. Die Reffleine muss nur kontrolliert gefiert (also losgelassen) werden, ein dosierter Zug an den Schoten (die Leinen, mit denen die Stellung des Segels bestimmt wird) und durch den Wind entrollt sich das Segel von selbst. Jedenfalls immer dann, wenn sich diese Röhre auch frei um das Vorstag drehen kann.

Und dann war da dieser kleine Knick. Ich hatte ihn schon vor einiger Zeit bemerkt und immer im Verdacht, für eine gewisse Schwergängigkeit der kleineren Kutterfock verantwortlich zu sein. Und dann kam die denkwürdige Nacht in Plénau Island und der Knick war nicht mehr so richtig klein. Die Kutterfock, welche ab jener Nacht bis hin nach Ushuaia immerhin unser einziges angeschlagenes Vorsegel war, ließ sich fortan nur noch mit einiger Kraftanstrengung bergen. Selbst das Setzen (also mit dem Wind rauslassen) ging nicht mehr von selbst. Zurück in Ushuaia musste da also definitiv etwas passieren. Aber was?

Die Grundsatzfrage war leicht zu beantworten. Ersatz für das verbogene Teil war in Ushuaia nicht zu bekommen. Ich musste es also wenn schon nicht reparieren, so doch wenigstens wieder hinbekommen.. Erster Gedanke war natürlich, es irgendwie zumindest halbwegs wieder gerade zu biegen. Doch dazu musste ich das Teil erst einmal abbekommen. Das sogenannten „stehenden Gut“ (also Stage und Wanten, die im Endeffekt den Mast halten) wurde auf der Samai seit Erstwasserung zwar geprüft, aber noch nie abgenommen. Warum auch? Nun musste es aber sein. Wenigstens war es nur das kleinere Kutterstag. Das bis fast zu Mastspitze reichende Vorstag der größeren Fock würde ich nicht antasten müssen.

Nun denn, noch nie gemacht, also munter ran. Beginnen wir mit „RTFM“ („read the fucking manual“ ;-). Hmmm… ok, man kann das ganze also auseinanderbauen und offensichtlich hat mein Rollreff auch eine Teleskopfunktion. Macht ja durchaus Sinn, um es auf verschiedenen Booten mit verschieden langen Vorstagen verwenden zu können. Werkzeug rausgeholt, Handykamera gezückt und frisch ans Werk.

RTFM!

Eigentlich wollte ich nur das Stag unten an Deck lösen und dann die Röhre runterziehen… doch Pustekuchen. Der Knick löste jeden Gedanken daran schnell in Wohlgefallen auf. Das untere „Terminal“ des Stages hatte sich direkt verkantet, die Röhre ging weder vor noch zurück. Das Stag musste komplett runter. Also rauf in den Mast. Man lernt ja nie aus.

Einige Zeit später lag das Ganze nun also auf dem Steg. Der herangeholte Kollege von der Werkstatt des Clubs schüttelte nur den Kopf. Nein, er könne da nichts wieder gerade biegen. Ganz vielleicht eine andere Werkstatt in der Stadt… blöde Option. Also Plan B. Beim Abbau hatte ich gesehen, dass in der Teleskopvorrichtung durchaus noch Spiel war. Was konnte ich noch kaputter machen, als es ohnehin schon war? Ich holte also meine kleine Akku-Flex raus, setzte die Schutzbrille auf, atmete nochmal tief durch und schnitt das untere Ende der Röhre einfach ab! Gaaaaaanz vorsichtig natürlich, schließlich durfte das innen entlangführende Stag selbst nichts abbekommen.

Der Rest war fast schon Routine. Eines der Löcher für das Teleskop wurde zum unteren Halteloch der Röhre vergrößert, das Stag oben wieder angeschlagen, die Furlex zusammengeschraubt, das Vorstag gespannt, die Kutterfock hochgezogen und dann der große Moment: Segel bergen!

Mit breitem Lächeln rollte ich die Kutterfock auf… von Hand… ja, es funktionierte… wieder etwas gelernt… jetzt erstmal ein Bierchen! ;-)

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