Nacht und Nebel

Vor gar nicht langer Zeit hat die SY Flora ganz richtig geschrieben, dass Nachtfahrten mit einem Segelboot nicht nur sehr schön, sondern normaler Weise auch nicht besonders schwierig sind. Über den Sternenhimmel und die Milchstraße haben wir ja schon bei der Biskaya geschwärmt. Lustig ist es auch immer wieder, wenn nachts beim Spülen mit Seewasser kleine fluoreszierende Lichtpunkte für Disko-Stimmung in der Toilettenschüssel sorgen. Und eigentlich sind auch die Lichter von Fischern, Frachtern, Tonnen und allem, was sich sonst noch so auf dem Wasser tummelt, schon von weitem zu erkennen. Also eigentlich. Es gibt jedoch zwei Dinge, die einem Segler eine solche entspannte Nachtfahrt aber mal so richtig schön verderben können. Und das Wort „Nebel“ steht da oben nicht zufällig in der Überschrift. Nein, ganz und gar nicht!

Von A Coruña sollte es in einem Schlag bis nach Baiona gehen. Nicht zum ersten Mal verhieß keiner der verfügbaren Wetterberichte guten Segelwind. Schwach aus wechselnden Richtungen sollte es die ganzen gut 110sm wehen. Knapp 20 Stunden Motorfahrt ließen die Vorfreude nicht gerade ins unermessliche steigen. In der Tat war es dann sogar so, dass wir die ganze Zeit den Wind mit bis zu 4-5 Bft. genau auf die Nase bekommen hatten. Dabei waren wir wohlgemerkt nicht immer in die gleiche Richtung gefahren! Zuerst nach Westen, dann um die NW-Ecke von Spanien rum, am Cabo Finisterre vorbei und schließlich Südsüdost Richtung Ria de Vigo.

Abfahrt gegen 10 Uhr Ortszeit, geschlossene Wolkendecke und dann war da noch der vor uns aufkreuzende Segler, der genau… also so richtig ganz genau exakt vor uns beschlossen hatte in den Wind zu gehen um ein Reff einzubinden. Ok, natürlich wichen wir mit Freude aus, an Steuerbord wollten wir vorbei und waren auch schon fast auf gleicher Höhe, als den anderen Skipper ein weiterer Geistesblitz durchzuckte. Das Reff war eingebunden, also konnte man jetzt ja wieder auf den Steuerbordbug abfallen um zurück zu kreuzen… muss ich noch erwähnen, dass er uns damit natürlich wieder genau vor den Bug gefahren ist?

Noch vor der Sonne hatte sich dann auch noch die Sicht verabschiedet. Im Logbuch steht für 19:00 Uhr: „Nebel-Radarfahrt“. In solchen Momenten bin ich wirklich froh über dieses technische Wunderwerk am Mast, welches nur durch Aussenden und Empfangen unsichtbarer Wellen den alles andere als unsichtbaren Nebel durchdringt und offenbart, dass genau auf unserem geplanten Wegpunkt 2-3 Fischer Ihrer Arbeit nachgingen… ohne AIS natürlich. Die Sonne ging, der Nebel blieb, dicht passierende Radarpunkte blieben für das Auge unsichtbar. Die „Sicht“ wurde vor allem von unseren eigenen Positionslichtern erzeugt: am Bug eine rot-grüne Wand, am Heck eine weiße Wand und dazwischen grau-schwarzes Gewaber. So tasteten wir uns bis 1 Uhr durch… dann endlich verzog sich der Nebel und gab die Sicht auf eine beleuchtete Küste frei. Plötzlich waren da sogar Leuchttürme zu sehen. Etwas entspannter ging es nun weiter, bis sich gegen halb sechs morgens der Anker bei Baiona eingrub. Auch um diese Zeit gönnte sich der Skipper noch ein kleines Anlegerbierchen… und dann erstmal ins Bett.

Und was ist nun das zweite Ding, das einem eine Nachtfahrt verderben kann? Es ist schon einige Jahre her, begab sich aber nicht weit von hier vor der portugiesischen Küste. Auch unter Motor und natürlich nachts sagte der Ausguck, dass da irgendein Schatten vor uns sei. Kein Hindernis auf der Seekarte, kein AIS-Signal, kein Licht… nur ein undefinierbarer Schatten, der sich schließlich als ein unbeleuchtet vor sich hintreibendes Boot aus der Dunkelheit schälte. Nun gut, jeder muss wissen, was er macht und für uns hieß das, den Kurs nach Backbord zu ändern. Doch auch dieser Skipper hielt eine Überraschung für uns bereit. Kurz bevor wir passierten, gingen Positionslichter an. Wir sahen im doppelten Sinne rot… unter anderem die Backbordseite des anderes Bootes, das nun auch spontan Fahrt aufnahm. Plastisch für Nichtsegler: Wir waren gerade dabei, links an einem bis vor kurzem unbeleuchteten Hindernis vorbeizufahren, als dieses Hindernis beschloss nach links zu fahren. Das war in der Tat der ideale Moment für ein sogenanntes „Manöver des letzten Augenblicks“… auf einer doch eigentlich ganz entspannten Nachtfahrt.

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