Dringender Reparaturbedarf

25./26. Juli 2022

Wenn vier Menschen sozusagen „Vollzeit“ auf einem kleinen Segelboot leben, lässt sich ein gewisses Maß an Abnutzung nicht vermeiden. Unsere 2do-Liste für die Zeit, wenn wir wieder zurück in Deutschland sind umfasst locker über 100 Punkte. Oft sind es Kleinigkeiten. Aber alle diese Dinge sollten erledigt werden. Doch manche Punkte können einfach nicht länger warten. Zu sehr nerven sie vor allem die erwachsene Hälfte der Crew. Das sind insbesondere der Gasherd und, was für eine Überraschung, die Toilette.

Wobei es sich gerade beim Herdproblem um etwas handelt, mit dem wir so nicht gerechnet haben. Auf den einzelnen Gasfeuerstellen liegt ja eine Abdeckung. In den letzten Jahren ist mir bei diesen jedoch immer mal wieder aufgefallen, dass es innen abbröselt. Scheibe um Scheibe brechen immer mal wieder rostrot-verbrannte Ex-Metallschichten ab. Bis vor Kurzem hatte das keinen sichtbaren Effekt. Nun aber hat sich die Flamme in weiten Teilen von effizient-heißen und vor allem nicht-rußenden Blau in flackerndes Orange gewandelt. Im Gegensatz zu dessen wohligen Schein färben sich die Böden der Töpfe und Pfannen nun aber konsequent rußschwarz.

In die Jahre gekommen…
… mit unsauberer Flamme

Morgens, nach knapp 10 Tagen Atlantik in Brest angekommen, mache ich mich nur unwesentlich übermüdet noch am gleichen Nachmittag auf, um neue Abdeckungen zu finden. Fehlanzeige im ersten Laden (Brest Nautic). Im zweiten Laden (Uship) könnte man sie mir zur nächsten Woche bestellen. Zu spät. Ich frage, ob ich eventuell die passenden Abdeckungen vom Ausstellungsherd mitnehmen könne und sie diese dann später mit der Nachbestellung ersetzen. Die nette Dame meinte, dass sie da gerne mal nachfragen werde. Muss sie dann aber gar nicht. Im dritten Laden (NaviOuest) werde ich fündig. Alle drei Größen sind vorrätig und sogleich gekauft. Endlich schimmert das Herdfeuer wieder blassblau. Nicht so heimelig, aber die Böden der Töpfe bleiben endlich sauber.

Saubere Flamme

Tja und dann ist da noch die Klospülung. Vor Abfahrt wollte ich eigentlich einen Ersatz mitnehmen. Expertenrat hielt mich ab. Was solle da schon kaputt gehen? Nun habe ich eine Antwort. Und diese sorgt trotz mehrerer improvisierter, zeitweise sogar erfolgreicher Reparaturversuche nun wieder verstärkt für Feuchtigkeit rund um die Toilette. Gleich im ersten Laden (Brest Nautic) werde ich fündig. Für erschwingliche(?!) 119€ erstehe ich eine Ersatzpumpe. Der Hersteller Jabsco nimmt es echt vom Lebendigen. Wie auch immer. Letztlich ist der Kauf – Achtung Reizwort! – alternativlos. ;-)

Adios!
Temporär gesperrt
:-)

Der Wechsel gestaltet sich unkompliziert. Ist ja nicht das erste Mal, dass der Skipper am Klo rumschrauben muss. Na hoffentlich ist zumindest an dieser Front jetzt mal eine Weile Ruhe. Das Ergebnis stimmt schon mal optimistisch. Wir müssen beim Spülen nun nicht mal mehr den kleinen Umschalthebel nach rechts drücken. Hält von selbst. Dann bleiben ja nur noch locker-über-100-minus-2 Punkte auf der 2do-Liste…

Kurs Kontinent Tag 10 – Leinen fest in Brest

24./25. Juli 2022

Der Reeds ist DAS Standardwerk für Segler in Großbritannien sowie auch der europäischen Küste von Dänemark bis zur Straße von Gibraltar. Jedes Jahr gibt es eine neue, aktualisierte Auflage. Das ist nicht zuletzt den darin enthaltenen jährlichen Gezeitentabellen geschuldet. Aber auch sonst werden immer viele Aktualisierungen eingepflegt. Wir sind dieses Jahr nur kurz in dem Geltungsbereich des Reeds unterwegs. Und die wenigen Gezeiten- und Strömungsinformationen liefert auch unser Plotter. Daher begnügen wir uns mit dem 2019‘er Reeds, der uns die letzten Jahre wohl verstaut unter dem Bett begleitet hat. Jetzt krame ich ihn wieder raus. Er ist selbst in der veralteten Auflage eine gewohnt verlässliche Hilfe

Es ist nicht mehr weit. Noch in der Nacht ziehen erste Leuchtturmlichter ihren Kegel über den Nachthimmel. Am Morgen erkennen wir die Küstenlinie. Doch es zieht sich. Und unser Timing passt leider auch nicht. Wir kommen zur Ebbe an. Da strömt es uns mit über einem Knoten aus der großen Bucht Rade de Brest entgegen. Dazu haben wir teils kräftigen Wind von hinten, der unter einer Wolke schon mal an 6Bft. kratzt. Jeder Segler weiß, dass Wind gegen Strom für ein sehr unangenehmes Wellenbild sorgt. Dabei haben wir noch die bessere Möglichkeit getroffen. Langsam, aber erträglich. Anders ergeht es den Seglern, die uns entgegen kommen. Sie stampfen zwar schneller, aber extrem unangenehm durch die kurze, steile Welle. Das schafft Vorfreude auf die Ausfahrt. Doch kaum haben wir die Engstelle hinter uns gelassen, wird es merklich ruhiger.

Land in Sicht!
Einfahrt in die Rade de Brest
(Natürlich ursprünglich deutsche) U-Boot-Bunker in Brest

In und um der Rade de Brest gibt es eine Vielzahl von Häfen. Doch selbst in Brest haben wir die Wahl. Auf Kojencharter war der Skipper schon zweimal in der stadtnahen Marina Le Château. Wir entscheiden und heute dagegen für die Marina Le Moulin Blanc. Dafür sprechen das benachbarte Oceanopolis (größtes Aquarium Frankreichs!) sowie eine bessere Ausrüstersituation. Ich brauche ein paar Kleinigkeiten für die Samai lieber gestern als morgen.

Der Rest ist Routine. Wir suchen uns ein Plätzchen am Außensteg, Leinen über, Motor aus, Ruhe im Boot. Angekommen. Zurück auf dem alten Kontinent.

Sommerlicher Empfang?!?

Für manche von euch ist das allerdings ein alter Hut. AIS verriet unsere Ankunft schließlich in Echtzeit. An dieser Stelle auch noch einmal vielen Dank für die lieben Nachrichten, sei es als Kommentar in diesem Blog oder auf anderem Wege. Und ein von Herzen kommendes „Prost“ an die Stoïste. ;-)

Kurs Kontinent Tag 9 – Von Tieren, Nudeln und Schiffen

23./24. Juli 2022

Der Süd(süd)westwind ist da. Großsegel hoch, Motor aus. Wir schaukeln gemütlich vor dem Wind Richtung Brest. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Herrlich! Inzwischen haben wir auch schon die französische Seegrenze überquert. Höchste Zeit, die Gastlandsflagge der Azoren gegen die von Frankreich und der Bretagne zu tauschen.

Heute lässt sich nach sehr langer Zeit auch die Tierwelt mal wieder blicken. Sollte diese größere, langsam auftauchende Finne da hinten tatsächlich ein kleiner Wal sein? Wir werden es nicht erfahren. Eindeutig handelt es sich bei unserer Abendbegleitung jedoch um eine kleine Delfinschule. Immer wieder springen die süßen Meeressäuger aus den Wellen und platschen mit ihrem kleinen Schwanz auf das Wasser.

Endlich mal wieder Delfine…
… am Bug der Samai

Schließlich meldet sich nach ebenfalls einer gefühlten Ewigkeit auch die Angel endlich mal wieder. Es ist schon 22 Uhr Bordzeit und recht dunkel. Das soll uns aber nicht davon abhalten, das morgige Abendessen einzuholen. Da haben wir die Rechnung allerdings ohne Angel und Fisch gemacht. Erst streikt die ohnehin schon seit einiger Zeit zickende Angelrolle. Samuels robuste Überredungsversuche zur Mitarbeit sorgen dafür, dass ich die Leine mit dem Fisch von Hand ans Heck hole. Derweil durchwühlt La Skipper die Weinkammer nach unserem neuen Kescher. Irgendwie dauert das alles eine Ewigkeit. Der Fisch ist längst am Heck und muss rausgeholt werden, sonst… ja sonst macht der ohne Zug an der Leine ein paar ruckartige Bewegungen hin und her und verschwindet wieder in den Tiefen des Ozean. Na dann gibt es morgen halt doch wieder Nudeln.

Nudeln gibt es auch heute. Aktueller Anlass ist eine Inspektion unseres Nudelschapps. Schon wieder müssen wir den Inhalt von vier Packungen zusammen mit ihren kleinen schwarzen Krabbelbewohnern ungegessen über Bord geben. Interessanterweise hat es auch zwei recht neue Makkaroni-Packungen aus Französisch-Guyana erwischt, die viel älteren Spaghetti aus Aruba sind aber in Ordnung. Spontan koche ich 1kg Fusilli als Basis für zwei Nudelsalate. Einmal mit Zwiebel, Gurke, Mischgemüse und Würstchen für die zarten Gaumen und einmal mit Bohnen, Mais, Chorizo und Chilli für die scharfen Jungs. Zum Abendessen reichen wir passend dazu Spaghetti. Wahlweise mit Thunfisch-Soße oder Pesto. Nudeln satt.

Ohne Worte…

Den ganzen Tag segeln wir auf direktem Kurs Richtung Brest. Damit nähern wir uns auch immer mehr dem vielbefahrenen, vor uns kreuzenden Schiffs-Highway. Zeitweise sind darauf bis zu 30 AIS-Signale in unserer Reichweite. Und wir müssen da heute Nacht als kleiner, langsamer Segler einmal mitten durch. Viel Schlaf bekomme ich da nicht. Allerdings auch nicht wirklich viel zu tun. Manchmal sieht es auf dem Plotter zwar so aus, als wenn wir von einer Frachter-Gang gleich über den Haufen gefahren werden. Letztlich löst es sich aber doch immer in Wohlgefallen mit ausreichend Abstand auf. Nur der 180m-Frachter Aal Moon nimmt es entweder besonders sportlich oder übersieht bzw. ignoriert uns. Selbst 0,1sm lang passiert er unser Heck in den Morgenstunden in weniger als 0,4sm Abstand. Deutlich sehe ich seine Bugwelle und höre seine Motoren. Jetzt mal ehrlich… muss das sein? Na ist ja nichts passiert.

Kurz nach Sonnenaufgang steht auch La Skipper auf. Wir machen „heiße Koje“. Der Skipper kriecht mit seinen Eisfüßen (ja, es ist hier nachts echt kalt!) unter die noch warme Decke, dreht sich um und schnarcht weg. Morgen ist auch noch ein Tag.

Rund Südamerika abgeschlossen

24. Juli 2022 um 00:01 Uhr (UTC+2 = MESZ)

Wie jetzt? Seid ihr nicht schon irgendwo in der Biskaya? Direkt vor Europa? Ja, das ist richtig. Trotzdem haben wir erst jetzt den Kontinent auf der anderen Seite des Atlantiks wirklich umrundet. Erst hier vor der Biskaya auf Position 46°51,26‘N / 007°25,97‘W haben wir heute unser eigenes Kielwasser vom 1. August 2019 gekreuzt.

Wenn man eine Weltumseglung macht, so wie wir es ja ursprünglich auch wollten, so muss man für deren Anerkennung drei Kriterien erfüllen.

– Zweimal den Äquator queren… um auf beiden Erdhälften gewesen zu sein

– Eine gewisse Anzahl an Seemeilen zurücklegen… „nur“ knirsch um die Antarktis mit einem kurzen Abstecher zum Äquator zählt nicht.

– Das eigene Kielwasser kreuzen… um den Kreis zu schließen

Für Südamerika gibt es solche offiziellen Kriterien unseres Wissens nicht, doch das Kreuzen des eigenen Kielwassers müsste sicher dazu gehören. Doch halt. Sind wir wirklich ganz um Südamerika rumgekommen? Haben wir uns nicht ausgerechnet an der kritischen Südspitze gedrückt? Streng genommen ist das so. Wir haben zwar zweimal die Drake-Passage zur Antarktis gequert, dabei aber gerade eben nicht Kap Hoorn umrundet. Den letzten Zipfel des Kontinents haben wir im Beagle Kanal im wahrsten Sinne des Wortes „außen vor gelassen“. Und auch auf dem weiteren Weg durch die südwinterlichen Kanäle Patagoniens sind wir nicht wirklich komplett außen um Südamerika rumgefahren.

Mist. Dann war das wohl doch nichts mit der Umrundung von Südamerika. Nicht einmal das haben wir hinbekommen. Das sagt zumindest der Rest des pedantischen Deutschen in mir (und vielleicht auch dir?! ;-). Andererseits haben wir auf diesem schönen Kontinent so viel sehen und erleben dürfen und dabei auch eine Lebenseinstellung erfahren, die so völlig anders ist.

Bitte nicht falsch verstehen. Ich möchte hier nichts verklärt wissen. In Südamerika ist wahrlich nicht alles „eitel Sonnenschein“. Doch vielleicht haben sich viele Menschen dort gerade aus diesem Grund eine positiv-pragmatische, gelassene, flexible und auf ein Miteinander ausgerichtete Lebenseinstellung bewahrt, die in weiten Teilen Europas, vor allem aber in Deutschland verloren scheint. Es ist eine Einstellung, von der auch wir uns etwas bewahren und in unser weiteres Leben mitnehmen wollen. Und es ist eine Einstellung, die uns sicher nicht widersprechen würde, wenn wir hier und heute dreist behaupten: Rund Südamerika abgeschlossen. :-)

Kurs Kontinent Tag 8 – Zick-zack vor der Biskaya

22./23. Juli 2022

Der neue Wetterbericht bestätigt weitgehend die Prognose von gestern. Wir segeln weiter Richtung Osten. Wieder ein wirklich schöner, meist sonniger Segeltag. Wind und Welle nehmen dabei immer mehr ab. Letzteres ist gut, ersteres nicht so sehr. Zumal er sich auch weiterhin nur so auf eine grobe Richtung einigen kann. Unser relativ zum Wind eingestellter Kurs folgt diesen Drehern. Wir segeln Schlangenlinien. Dazu werden wir immer langsamer. Auf der Straße hätte uns ein freundlicher Polizist mit skeptischen Blick längst ein Röhrchen zum Reinpusten überreicht. Aber wir sind ja nicht nur nüchtern, sondern auch noch in internationalen Gewässern unterwegs. Weiterhin kaum eine andere Menschenseele weit und breit.

Das ändert sich am späten Nachmittag. Offensichtlich erreichen wir den Highway „English Channel – Cap Finisterre“. Ersteres ist allgemein bekannt, letzteres die Nordost-Ecke der iberischen Halbinsel. Gut ein Dutzend AIS-Signale von Frachtern und Tankern verschiedener Größe tauchen auf. Praktisch alle gehen vor uns quer. Da passt es ganz gut, dass kurz vor 18 Uhr der Wind sich endgültig in den nicht-segelbaren Bereich verabschiedet. Motor an. Im rechten Winkel abgebogen. Kurs Nord.

Wir fahren jetzt nach Norden…

Moment mal. Liegt Brest nicht im Nordosten? Ja, das stimmt. Allerdings zieht sich das von Windarmut gekennzeichnete Zentrum des Hochdruckgebietes ebenfalls von Südwest nach Nordost und soll dort auch erst einmal recht stabil liegen bleiben. Auf direktem Kurs würden wir darin bis auf weiteres munter entlang motoren. Selbst wenn eine Motorfahrt durch wellenarme Flaute mehrere Größenordnungen angenehmer ist als gegen den Wind anzuschlingern, wollen wir die Maschine so schnell wie möglich wieder ausmachen. Mit dem eingeschlagenen Nordkurs sollten wir das Zentrum recht zügig queren um danach auf einen Südwestwind zu treffen, der uns dann Richtung Brest die Segel bläht. So der Plan.

… und sind dabei nicht mehr alleine

Auf dem Weg zum erhofften Segelwind verläuft die Nacht so langweilig wie der vorhergehende Tag. Nur einmal sind wir auf Kollisionskurs mit einem 300m-Frachter. Nach unserer Kursänderung passieren wir wie über Funk besprochen „Port an Port“ (also den anderen in Fahrtrichtung jeweils an der linken Seite lassend). Ansonsten fast schon grenzwertig langweiliger Bordalltag. Zum Abendessen gibt es mit Asianudeln aufgepeppte Dosensuppe sowie Reste von gestern. Wobei Maila natürlich Nudeln ohne Suppe bevorzugt.

Jajaja

Im Laufe der Nacht dreht der kaum vorhandene Wind fast einmal um die Kompassrose von Nordnordwest über Ost auf Südsüdwest. Kurz vor Sonnenaufgang kann ich den stärkeren Wind dann schon förmlich sehen. Hinter und über uns wird sich schon bald ein strahlend blauer Himmel entfalten. Vor uns dagegen zieht sich ein dunkles Wolkenband über den Horizont. Untrügliches Zeichen dafür, dass wir auf der anderen Seite des Hochdruckgebietes ankommen. Sozusagen eine Wetterkarte an den Himmel gemalt. Immer wieder faszinierend.

Wir gehen zwar schon um halb sieben auf Kurs Brest, bleiben aber noch unter Motor. Doch pünktlich zum Ende des Segeltages um 10:30 Uhr (UTC+1) ersetzen wir ihn durch das Großsegel raus. Die Fock bleibt dagegen eingerollt. Da wir auf unserem Kurs den Wind praktisch genau von hinten bekommen, würde sie in der Abdeckung des Groß ohnehin immer wieder in sich einfallen, bzw. „nicht stehen“.

Der Kurs vor dem Wind, welcher „wahr“ nur mit gerade Mal knapp 4 Bft. weht, verringert natürlich die scheinbare Wind- und damit die Bootsgeschwindigkeit. Luftlinie liegen jedoch nur noch 200sm vor uns und wir sind recht gut auf Kurs. Das sollte bis Montag früh zu schaffen sein.