22./23. Juli 2022
Der neue Wetterbericht bestätigt weitgehend die Prognose von gestern. Wir segeln weiter Richtung Osten. Wieder ein wirklich schöner, meist sonniger Segeltag. Wind und Welle nehmen dabei immer mehr ab. Letzteres ist gut, ersteres nicht so sehr. Zumal er sich auch weiterhin nur so auf eine grobe Richtung einigen kann. Unser relativ zum Wind eingestellter Kurs folgt diesen Drehern. Wir segeln Schlangenlinien. Dazu werden wir immer langsamer. Auf der Straße hätte uns ein freundlicher Polizist mit skeptischen Blick längst ein Röhrchen zum Reinpusten überreicht. Aber wir sind ja nicht nur nüchtern, sondern auch noch in internationalen Gewässern unterwegs. Weiterhin kaum eine andere Menschenseele weit und breit.
Das ändert sich am späten Nachmittag. Offensichtlich erreichen wir den Highway „English Channel – Cap Finisterre“. Ersteres ist allgemein bekannt, letzteres die Nordost-Ecke der iberischen Halbinsel. Gut ein Dutzend AIS-Signale von Frachtern und Tankern verschiedener Größe tauchen auf. Praktisch alle gehen vor uns quer. Da passt es ganz gut, dass kurz vor 18 Uhr der Wind sich endgültig in den nicht-segelbaren Bereich verabschiedet. Motor an. Im rechten Winkel abgebogen. Kurs Nord.

Moment mal. Liegt Brest nicht im Nordosten? Ja, das stimmt. Allerdings zieht sich das von Windarmut gekennzeichnete Zentrum des Hochdruckgebietes ebenfalls von Südwest nach Nordost und soll dort auch erst einmal recht stabil liegen bleiben. Auf direktem Kurs würden wir darin bis auf weiteres munter entlang motoren. Selbst wenn eine Motorfahrt durch wellenarme Flaute mehrere Größenordnungen angenehmer ist als gegen den Wind anzuschlingern, wollen wir die Maschine so schnell wie möglich wieder ausmachen. Mit dem eingeschlagenen Nordkurs sollten wir das Zentrum recht zügig queren um danach auf einen Südwestwind zu treffen, der uns dann Richtung Brest die Segel bläht. So der Plan.

Auf dem Weg zum erhofften Segelwind verläuft die Nacht so langweilig wie der vorhergehende Tag. Nur einmal sind wir auf Kollisionskurs mit einem 300m-Frachter. Nach unserer Kursänderung passieren wir wie über Funk besprochen „Port an Port“ (also den anderen in Fahrtrichtung jeweils an der linken Seite lassend). Ansonsten fast schon grenzwertig langweiliger Bordalltag. Zum Abendessen gibt es mit Asianudeln aufgepeppte Dosensuppe sowie Reste von gestern. Wobei Maila natürlich Nudeln ohne Suppe bevorzugt.

Im Laufe der Nacht dreht der kaum vorhandene Wind fast einmal um die Kompassrose von Nordnordwest über Ost auf Südsüdwest. Kurz vor Sonnenaufgang kann ich den stärkeren Wind dann schon förmlich sehen. Hinter und über uns wird sich schon bald ein strahlend blauer Himmel entfalten. Vor uns dagegen zieht sich ein dunkles Wolkenband über den Horizont. Untrügliches Zeichen dafür, dass wir auf der anderen Seite des Hochdruckgebietes ankommen. Sozusagen eine Wetterkarte an den Himmel gemalt. Immer wieder faszinierend.
Wir gehen zwar schon um halb sieben auf Kurs Brest, bleiben aber noch unter Motor. Doch pünktlich zum Ende des Segeltages um 10:30 Uhr (UTC+1) ersetzen wir ihn durch das Großsegel raus. Die Fock bleibt dagegen eingerollt. Da wir auf unserem Kurs den Wind praktisch genau von hinten bekommen, würde sie in der Abdeckung des Groß ohnehin immer wieder in sich einfallen, bzw. „nicht stehen“.
Der Kurs vor dem Wind, welcher „wahr“ nur mit gerade Mal knapp 4 Bft. weht, verringert natürlich die scheinbare Wind- und damit die Bootsgeschwindigkeit. Luftlinie liegen jedoch nur noch 200sm vor uns und wir sind recht gut auf Kurs. Das sollte bis Montag früh zu schaffen sein.