Es ist soweit. Wir sind wieder hier. Nach etwas mehr als drei Jahren und einem Monat hat die Samai wieder deutsche Gewässer unter dem Rumpf. Um 16 Uhr haben wir in Borkum festgemacht. Die Windvorhersage für die nächsten Tage ist ruhig. Motorfahrt. Nicht schön, aber immerhin kein Gegenwind. Beim Timing sorgt lediglich die (Gezeiten-)Strömung für ein paar Tränen des Lachens und des Weinens. Mal sehen, wie wir das hinbekommen.
Egal. Unsere Ankunft im Heimathafen Kühlungborn für Mitte/Ende nächster Woche ist praktisch gesichert. Auf den letzten Drücker. Am 22. August sitzen die Kinder wieder in der Schule, am 1. September fängt La Skipper ihren neuen Job an. Und der Skipper? Wird sich definitiv nicht langweilen.
Aber bis dahin sind ja auch noch ein paar (viel zu wenige) Tage. Obwohl man am Bordklima inzwischen schon recht deutlich merkt, dass wir nicht im Aufbruch, sondern bei der Rückkehr sind. Es wird Zeit.
Wir werden hier – abgesehen von den noch offenen Berichten über die Niederlande (inkl. der Staande Mastroute), zwei Inseln der Azoren und Costa Rica – auch über unserer Rückkehr in den Alltag berichten. Wir wollen dieses Thema aus zwei Gründen nicht auslassen. Einerseits gehört es halt irgendwie schon zu unserer kleinen Auszeit unter Segeln. Andererseits hört und liest man oft darüber, wie schwierig das sei. Punkt. Keine weitere Information. So wollen wir nicht enden. Wir sind schließlich kein „Alles-eitel-Sonnenschein-Wohlfühl-Blog“… nicht wahr?! ;-)
Die Marina du Moulin Blanc liegt zwar nicht zentrumsnah, hat jedoch andere Vorzüge. Einer davon ist der im Preis inbegriffene Fahrradverleih. Vier Drahtesel stehen zur Verfügung, vier Familienmitglieder wollen versorgt werden. Dementsprechend starten wir kurz nach Büroöffnung, bevor jemand anderes auf die Idee eines Fahrradausfluges kommt. Die Innenstadt von Brest liegt nur gut 5km entfernt. Auf gehts…
Zuerst müssen wir einmal ein Lob der Fahrradfreundlichkeit aussprechen. Ok, an die Niederlande mag es vielleicht noch nicht heran reichen, aber Deutschland wird doch recht deutlich abgehängt. Gut ausgeschildert finden wir auf eigenen, teils separierten Fahrradspuren und Wegen unser Ziel. Und wenn doch mal die Straße überquert werden muss, hält ausnahmslos jedes Auto für uns an. Vorbildlich!
Wir beginnen unseren Ausflug an der Marina du Château. Hier lag vor Jahren der heutige Skipper der Samai bei Kojencharter mit seinem damaligen Skipper der Antares. Liebe Grüße!
Weiter geht es Richtung Stadtzentrum. Auf dem Weg erinnert das kaum zu übersehende Naval Monument de Brest (Tour rose) an die Erfolge der U.S. Navy im ersten Weltkrieg. Ein im mehrfacher Hinsicht interessanter Standort für diesen Bau.
Das Thema Krieg spielt auch auf dem zentralen Ensemble von Place de la Liberté und Square Mathon eine unübersehbare Rolle. Mahnend ragt das 1954 errichtete Monument aux Morts in den Himmel und erinnert an die für Frankreich gefallenen Kinder der Stadt Brest.
Auf der anderen Seite des auch für Veranstaltungen sowie den Weihnachtsmarkt genutzten Platzes informieren Tafeln über die Geschichte der Stadt, lagen Liegen zum Verweilen ein, auf dem Rathaus weht die Tricolore und in der benachbarten Touristeninformation erhält man sogar vergünstigte Tickets für viele Attraktionen.
Die von hier abgehende, von der einzigen Tramlinie der Stadt befahrene Einkaufsstraße trägt einen sonderbaren Namen: Rue de Siam. Sie erinnert damit an den Besuch einer siamesischen (heute thailändischen) Gesandtschaft im Juni 1686. In Bangkok gibt es mit einer Rue de Brest das Gegenstück dazu.
Brest hat sehr unter dem 2. Weltkrieg gelitten. Die Alliierten haben die Deutsch besetzte und militärisch genutzte Stadt seit 1941 bombardiert und nach der Landung in der Normandie ganze 43 Tage belagert. Bei Übernahme durch amerikanische Truppen war von Brest nicht viel übrig. Der anschließende Wiederaufbau erschuf aus den Trümmern der alten eine völlig neu gestaltete Stadt.
Das gilt auch für die ursprünglich barocke Église Saint-Louis de Brest aus dem 18. Jahrhundert. Am 16. August 1944 ausgebrannt, wurde sie von 1953-58 im modernen Stil neu erbaut. Sicherlich eines der eher ungewöhnlichen, doch nicht weniger beeindruckenden Gotteshäuser, die wir in letzter Zeit besucht haben.
David – Moses – Abraham
Nun lassen wir die Fahrräder stehen und wechseln das Transportmittel. Seit 2016 verbindet die Téléphérique de Brest die gegenüberliegenden Ufer des kleinen Flusses Penfeld. Eine 82m hohe Stütze sorgt für freie Schifffahrt und einen tollen Ausblick.
Das Quartier des Capucins besteht schon seit über 150 Jahren aus Werkshallen der französischen Marine. Als diese vor knapp 20 Jahren ausgemustert und einige Zeit später an die Stadt verkauft werden, entsteht daraus bzw. darin und drumherum ein völlig neues Stadtviertel. In diesen Hallen, den im Januar 2017 eröffneten Ateliers des Capucins endet auch die kurze Fahrt über den Fluss. Darin entfaltet sich ein besonderes Ambiente. Gastronomie, eine große Mediathek, eine Kletterwand und kleine Geschäfte, aber auch Leerstand umrahmen die große Weite des Innenraums, wo zwischen alten Maschinen und Bauteilen einige Kinder mit dem Ball spielen. Das Ganze ist offensichtlich noch in der Entwicklung.
Zwei Höhepunkte sind jedoch schon fest etabliert. Im 70.8 (soviel Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt) präsentiert sich als Außenstelle des OcéanOpolis eine „Galerie der maritimen Innovationen“. Direkt vor deren Tür steht das 1810 für Napoleon Bonaparte gebaute Canot de l’Empereur. Mit seinen 18,80m Länge übertrifft dieses Kanu locker unsere Samai… an goldener Pracht sowieso. ;-)
Natürlich darf der mittelalterliche Tour Tanguy aus dem 14. Jahrhundert nicht auf dem Besuchsprogramm fehlen. Auch er überstand die Zerstörung von Brest nicht unbeschadet, ist in seiner Substanz aber eines der wenigen historischen Gebäude der Stadt. Das kleine Museum darin zeichnet mit alten Karten, in detailfreudigen Modellen und Dioramen sowie über historische Fotos und Postkarten ein Bild der ursprünglichen Stadt. Fotografieren leider verboten.
Zum Abschluss machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Château de Brest, das heute vor allem militärisch genutzt ist. Hier sitzt der Seepräfekt für die gesamte französische Atlantikküste. Lediglich das Musée national de la Marine steht Besuchern ohne Uniform offen. Doch es ist schon recht spät und die Familie leidlich erschöpft. Da fahren wir jetzt lieber zurück zu unserer Samai.
Ein letzter Stopp ist dann aber doch noch drin. Ganz in der Nähe der Marina du Moulin Blanc liegt eine Filiale von Paul. Hier holt Samuel morgens leckere Baguettes, doch es gibt auch Patisserie, Eis… und Crêpes. Ein lecker Abschluss für einen schönen Ausflug.
Hier nun alle nachgereichten Fotos unserer kurzen Überfahrt von Brest (Frankreich) nach Vlissingen (Niederlande) in einem kompakten Beitrag. Wer Lust hat, kann sich aber natürlich auch die jeweiligen, nun bebilderten Berichte (nochmal?!) anschauen.
Alderney voraus!Bucht mit breitem StrandBucht mit schmalem StrandBLAU = Kurs im Wasser / BRAUN = Kurs über GrundGeburtsstätte unserer SamaiCherbourg bleibt achteraus…
Hier nun alle nachgereichten Fotos unserer Überfahrt von den Azoren nach Frankreich in einem kompakten Beitrag. Wer Lust hat, kann sich aber natürlich auch die jeweiligen, nun bebilderten Berichte (nochmal?!) anschauen.
Streiche: Selbst zum Essen gibt es fast nur langweilige Reste.
Ersetze: Immerhin bringt das Essen etwas Abwechslung: Hühnchen-Ananas-Churry nach Samai-surinamesischer Art (zumindest haben wir das Doksa-Masala-Pulver in Suriname gekauft) auf lockerem (ebenfalls surinamesischem) Reis. Wobei unserer Jüngste dann doch ein gebratenes Hühnnerbrustfilet mit Mais-Reis bevorzugte. Immer diese Sonderwünsche.
Na was mag hier wohl schon wieder untergegangen sein?!? ;-)
Auf diesem verhältnismäßig kurzen Schlag durch zwei Nächte läuft es vielleicht nicht vom Wind, aber vom Strom her ziemlich gut für uns. Direkt vor Cherbourg erwischen wir die kräftige Strömung, die um das nordöstliche Kap der Normandie geht. Beim Skipper werden Erinnerungen wach. Wir haben unsere Samai im Jahr 2015 in Cherbourg abgeholt und nach einem windbedingt kurzen Familienurlaub auf einigen der Kanalinseln ging es darum, das Boot nach Deutschland zu bringen. Leider fand ich damals keinen Mitsegler, so dass ich meine erste einschlägige Einhanderfahrung tatsächlich mit unserem brandneuen Boot machen durfte, bzw. musste. Das war echt eine steile Lernkurve, in deren Kielwasser wir nun auf die letzte Etappe unserer kleinen Auszeit fahren.
Natürlich bremst der Gezeitenstrom am Abend wieder ordentlich aus. Quälend langsam schleichen wir durch die Dunkelheit. Kurz vor Mitternacht überqueren die den Nullmeridian und sind nach gut drei Jahren wieder „im Osten“. Zumindest was diese willkürlich festgelegte Längengradeinteilung der Welt angeht, welche 1884 auf einer Konferenz in… na wo wohl?… genau… der Sternwarte von Greenwich beschlossen wurde.
Am Morgen werden wir erwartungsgemäß schneller. Am frühen Nachmittag nähern wir uns (nun wieder langsamer) der Straße von Dover. Kaum mehr als 30km breit ist diese engste Stelle des Kanals…
Ganz schön viel los hier!
Angeberwissen: Ein Kanal mit vielen Namen. Oft wird die Meeresenge zwischen England und Frankreich als „The English Channel“ bzw. bei uns als „Englischer Kanal“ bezeichnet. Ein Name, der wenig verwunderlich besonders in Großbritannien Anklang findet. Wobei hier oft einfach nur vom „Channel“ gesprochen wird. Ist ja klar, welchen man meint. In Frankreich war man zu geschichtlichen Zeiten einer gewissen Rivalität mit dem nördlichen Nachbarn ebenso wenig verwunderlich nicht besonders glücklich mit diesem Namen. Hier heißt er „La Manche“, wörtlich übersetzt „der Ärmel!“. Das erinnert an die deutsche Alternative „Ärmelkanal“, welche von der sich verjüngenden Form inspiriert ist. Im Bretonischen dagegen zeigt man sich ausgesprochen patriotisch. „Mor Breizh“ bedeutet schlicht „Bretonische See“. Ein Kanal mit vielen Namen.
Dann zeigt sich Erstaunliches auf dem AIS. Innerhalb kürzester Zeit laufen über 20 Segelboote aus dem etwas südlicher gelegenen Boulogne-sur-Mer aus. Abgesehen von einem Briten und vier Belgiern ausnahmslos Niederländer. Und sie sind schnell. Erstaunlich schnell für den kaum vorhandenen Wind. Zumindest ausschließlich unter Segeln. Wie auch immer. Der von gut einer Handvoll über den Kanal kommenden Seglern ergänzte Bulk passiert vor uns das Kap Gris-Nez an der „Strait of Dover“ (in Großbritannien) bzw. „Pas de Calais“ (in Frankreich). Wir reihen uns hinten ein und halten uns deutlich weiter vom Land weg. Damit ist schnell klar, dass diese Boote keine Nachtfahrt vor sich haben, sondern sich in einem der nächsten Häfen um die freien Gastliegeplätze streiten.
Niederländische Flotte…
Unser Timing passt schon wieder. Der Strom schiebt schnell voran. Am Abend erreichen wir belgische Hoheitsgewässer. Anlegen wollen wir im Land der Pommes jedoch nicht. Kurz nach vier Uhr nachts passiert die Samai die Hafeneinfahrt von Zeebrugge. Ich wundere mich kurz, warum die oberen Teile der großen Hafenkräne in den Wolken verschwinden. Ein intensiver Blick nach hinten bringt eine Erklärung. Immer besser erkenne ich die Nebelwand, welche uns langsam aber sicher einholt.
Im trüben Grau hole ich dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mal wieder ein Segel raus. Die Fock reicht völlig. Zwar segeln wir mit kaum 3kn durch das Wasser, doch der Strom schiebt auf mehr als 5kn über Grund. Eigentlich ist das immer noch etwas zu viel. Ich möchte nicht zur Unzeit in die Westschelde fahren. Doch ein weiteres Mal passt das Timing. Mit teils wieder einmal ordentlich Seitendrift segeln wir die letzten Meilen Richtung Vlissingen.
Die Einfahrt in den angepeilte Michiel de Ruijterhaven ist nicht ganz trivial. Einerseits ist sie von einer Barre begrenzt recht flach. Eine Ankunft von +/- 4 Stunden um das Hochwasser wird empfohlen. Das macht mir bei unseren mit aufgezogenem Schwert geringen Tiefgang jedoch weniger Sorgen. Da gibt es dann aber auch noch zwei Fußgängerbrücken über dem im Übrigen offiziell nur 6m breiten, dafür gefühlt ewig langen Mauerdurchlass. Diese Brücken sind zwar von 22-8 Uhr geöffnet. Allerdings sei das laut dem Reeds und der zwei deutlich sichtbaren roten Lichter nur für die Ausfahrt gedacht. Wir stehen schon um 7 Uhr davor. Und nun?
Wir planen schon, uns vor der Einfahrt an eine Holzkonstruktion zu legen, da kommt ein Segelboot aus dem Hafen. Freundliches Winken sowie der Hinweis, dass wir reinfahren und uns an ihren nun leeren Platz 18 auf der linken Seite legen können. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Wenig später sind die Leinen fest und der Motor aus. Augenscheinlich ist der Hafen voll belegt. Da haben wir richtiges Glück gehabt. Oder auch nur richtiges Timing. Mal sehen, was der Hafenmeister dazu sagen wird. Bis er um 8 Uhr aufmacht bleibt immerhin noch Zeit für ein Anlegerbier. Wie war das mit dem Timing?!? ;-)