Skippers nervige Überfahrt nach Panama

Anfang Juni 2021

Mit der Wahrnehmung ist das so eine Sache. Der berühmte „Perspektivenwechsel“. Ja, ich habe natürlich auch die schönen und lustigen Erfahrungen gemacht, von denen Samuel berichtet. Doch er spricht ja schon ein paar weniger schöne Dinge an. Trotzdem ist ist das aber nur die halbe Geschichte. Der Rest ist eigentlich eher zum Vergessen.

Vorab mal ganz grundsätzlich der Hinweis, dass wir ja nicht ganz ohne Grund ein Segelboot unser Eigen nennen. Für meinen Geschmack sind wir schon viel zu viel damit gemotort. Aber was soll man machen, wenn es mit nur einer Handvoll Knoten von hinten säuselt. Da ist sie wieder, die Sache mit dem scheinbaren Wind. Wenn es mit fünf Knoten von schräg hinten weht und ich (nur mal theoretisch) mit schlappen drei Knoten fahre, dann haben wir halt nur noch einen scheinbaren Wind von knapp 3 Knoten. Von schräg hinten. Und mit diesem lauen Lüftchen bekomme zumindest ich ein tonnenschweres Fahrtenboot praktisch nicht auf drei Knoten Fahrt. Jetzt lass noch etwas Gegenstrom und einen immer noch hinreichend bewachsenen Rumpf dazukommen. Langer Jammerrede kurzer Sinn. Von Costa Rica nach Panama haben wir knapp 340sm runter gerissen. Komplett unter Motor. Toll!

Wenigstens der Sonnenuntergang…
… weiß mal wieder zu beeindrucken!

Über andere Geschehnisse (der Nacht) habe ich schon ausführlicher berichtet. Unser kleiner, gefiederter Gast ist wirklich süß, wie er da so eingekuschelt döst. Aber dann ist da ja auch noch die wenig erbauliche Begegnung mit so einem unerwünschten Sechsbeiner. Brauch ich nicht wirklich. Ebenso wenig wie Kurswechsel wegen wetterleuchtender Blitze. Herrlich!

Neu dagegen ist der Müll. Ok, wir haben schon in der vermeintlichen Einsamkeit Chiles verschmutze Strände gesehen und leider entdeckt man auch sonst immer mal wieder etwas auf dem Wasser treiben, das dort definitiv nicht hingehört. Doch so schlimm wie vor der Pazifikküste von Panama haben wir das noch nicht sehen müssen. Flaschen, Tüten, Badelatschen und sonstiges Zeug schwimmt hier rum. WARUM???

Der unbestrittene Höhepunkt dieser Erfahrung deutet sich mit Geschwindigkeitsabfall und einer leichten Vibration an. Haben wir uns was in die Schraube geholt? Aufgestoppt, zurück, vor, enge Kurven, zurück… und plötzlich treiben kleine blaue Plastikfetzen vom Heck weg. Ein wenig „Aktion“ später sind es dann die angefetzten Überreste einer großen Plastiktüte gleicher Farbe. Immerhin läuft der Motor nun wieder rund. Doch zu welchem Preis?

Im weiteren Verlauf der Fahrt bemerke ich das Fehlen weiter entfernter AIS-Signale. Dieses ausgesprochen hilfreiche „Automatic Identification System“ kommuniziert über Funk. Auch auf dem Anrufkanal 16 ist es erstaunlich ruhig. Und das, wo wir hier im Einzugsbereich des Panamakanals sind. Moment mal. Kann das sein? Ein spontaner Blick zur Mastspitze klärt auf. Da wo eigentlich unsere Funkantenne sein sollte, herrscht gähnende Leere. Sie ist weg. Einfach so. Na super!

Doch ich möchte positiv enden. Kurz vor Panama City durchfahren wir die gut gefüllte Reede der großen Pötte und bekommen trotz fehlender Antenne zumindest die AIS-Signale der Umgebung zu sehen.

Anfahrt auf die Reede
Hier ist was los (wir sind das schwarze Schiffchen am unteren Rand)

Bei Anfahrt auf unseren geplanten Ankerplatz für die erste Nacht werden wir nicht schlecht überrascht. Das auf die Karte gelegte Radarbild (rot) zeigt unzählige Echos… ganz offensichtlich sind wir hier nicht alleine. Trotzdem finden wir recht schnell ein vernünftiges Eckchen für uns und genießen entspannt den Ausblick auf die nächtliche Skyline von Panama City.

Ganz viele kleine rote Radarecheos…

Insofern ein fast schon versöhnliches Ende der Überfahrt von Costa Rica nach Panama… nicht wahr?! ;-)

Samuels tierische Überfahrt nach Panama

Anfang Juni 2021

Es geht los nach Panama! Der Tank war voll und wenig Wind angesagt. Wir rechneten mit einer langen Motorfahrt. Die Angel ließen wir wie immer im Wasser und hofften auf Fische. Direkt an der Einfahrt von unserem Hafen hatten wir auch einen Biss! Nur leider löste er sich vom Haken, ehe ich bei der Angel war. Der Motor dröhnte, während ich mich an die Schule setzte. Den Tag über sahen wir noch einige Braunpelikane. Mehr aber nicht.

Vor dem ersten vollen Tag auf See, gegen 23Uhr nachts, hatten wir einen Vogel. Nein! Nicht im Kopf, sondern an Bord. Es handelte sich um einen Galápagossturmtaucher.

Wir hatten noch weitere neue Tierarten, zum Beispiel die grünen Meeresschildkröten! Schon morgens um 7:10 Uhr hat Mama eine gesehen. Ich machte Schule, während Maila wieder neben dem Cockpit saß und Musik hörte. Am Abend hatte sie bei der hiesigen Sonne einen Sonnenbrand! Doch um einen Sonnenbrand geht es nicht. Maila sah immer wieder eine Flosse aus dem Wasser kommen. Natürlich mussten wir dort hin. Wir fuhren zu den Flossen und sahen immer wieder grüne Meeresschildkröten. Sie waren etwa 50 cm lang. Als wir bei ihnen waren, sahen wir auch ab und zu ein paar Quallen, die die Schildkröten wahrscheinlich essen wollten.

Gleich die erste muss die Samai natürlich umfahren. Also die Samai die Schildkröte. Das Wasser ist glasklar und die Schildkröte gleitete knapp an unserem Rumpf vorbei. Maila machte sich Sorgen, dass sie unter das Boot gekommen ist und dann vom Propeller verletzt wurde, dem war aber nicht so. Wir fuhren an drei weiteren Schildkröten vorbei, die aber schnell Reißaus nahmen. Die Samai hatte offenbar den Spitznamen Schildkrötenschreck verdient, den wir ihr dann auch gaben.

Mama und Maila sagten, dass eine Libelle bei uns an Bord sei. Kurze Zeit später fanden wir sie tot unter einer Leine liegen.

Kurz darauf sagte Maila: „Delfine voraus!“ wir sahen die Schule und fuhren hin. Die Tiere spielten und wir bestaunten sie. Sie hatten kleine weiße Punkte auf einem dunkeln Körper. Auch einige kleine waren dabei. Aber die waren ausschließlich grau. Als sie weggeschwommen waren, schaute Maila in unserem Delfinbuch nach. Die gepunkteten Delfine waren Schlankdelfine, während die kleinen eher zu einer Große Tümmler Gruppe gehörten, die nicht weit weg von unserem Boot entfernt schwamm.

Es gab dort aber nicht nur Delfine, sondern auch weitere Vögel! Ganz viele Weißbauchtölpel! Wie die, die es in Galápagos gab, nur mit einem weißen Bauch, einem weißen Gesicht und Schnabel und braunem Gefieder. Also im Grunde doch ganz anders, aber es sind Tölpel. Das reicht doch als Gemeinsamkeit.

An diesem Tag sahen wir auch noch eine weitere Delfinschule, die ausschließlich aus Großen Tümmlern bestand. Die begleiteten uns dann eine ganze Weile.

Der Galápagossturmtaucher, der die ganze Strecke hinter unserem linken Steuerrad gesessen und Brot sowie Wasser nicht angerührt hat, wurde von Papa sanft auf einen Teller geschoben und dann hoch genommen. Papa hielt den Teller über Bord und wartete. Der Vogel, der anfangs noch aufgeregt gewankt war setzt sich wieder. Daraufhin wackelte Papa ein wenig mit dem Teller auf und ab. Der Vogel wippt mit und fällt schließlich über Bord. Er gleitet aufs Wasser und treibt nun dort ein wenig. Wir waren nah an einer Inselgruppe dran er hatte also super Chance. Es handelte sich bei dem Vogel ja um einen Hochseevogel.

Der zweite Tag verlief ruhig und langweilig. Die Angel bleib ruhig, nur ein paar Delfine, aber keine Schildkröten waren in Sicht.

Tag drei brach an und die Samai fuhr durch dreckige Gewässer mit viel Plastik. Plötzlich die Angel! Ich stürmte von der Schule an Deck zur Angel und riss den Motorhebel nach hinten. Ich verstärkte die Bremse und holte Leine ein. Der Fisch zog gleichmäßig, aber nicht sehr stark. Ich wunderte mich, weil ich ein solches Verhalten noch nicht kannte. Ich sah hinten wo sich der Hacken befand etwas Schillerndes. Ich holte die Leine schneller ein. Als die Leine ganz eingeholt ist erkenne ich, was wir geangelt haben. Es war kein schwacher Fisch. Es war… eine Plastiktüte. Wir hatten eine Plastiktüte geangelt. Na toll! Aber etwas Gutes hatte dieser Fang schon. Das Meer muss nun mit einer Plastiktüte weniger klar kommen.

Manchmal mache ich auch Spiegeleier zum Frühstück!

Der vierte und letzte Tag unserer Motorfahrt nach Panama brach an. Dort sahen wir auf dem Weg kaum etwas. Fische bissen auch keine an. Schon von weitem sahen wir Panamas Hochhäuser und merkten, wie die Luft schlechter wurde. Dann, kurz bevor wir die auf Reede liegenden Frachter und das eine Kreuzfahrtschiff erreichten… die Angel! Sie zog wieder. Dann hörte sie plötzlich auf. Ich schaute hin und die Angel war gebogen! Der Fisch war definitiv noch dran! Aber wieso wurde keine Leine mehr gezogen? Ich schaltete den Motor runter und der Fisch löste sich vom Haken! Schon wieder nichts. Mist!

Nach genauerer Betrachtung der Angel und besonders der Rolle stellte ich eines missmutig fest. Der Fisch hatte keine Leine mehr ziehen können, weil die Bremse die Angelleine verhakt hatte. Das tat sie seit Neuestem häufiger! Die Bremse an sich hätte den Fisch nicht halten können, aber wenn die Leine verhakt ist, schafft es kein Fisch Leine zu ziehen. Eine sehr gefährliche Angelegenheit für die Angel, die der Kraft vielleicht nicht standhält.

Wieso genau bei der Verhakung die Leine so stark gehalten wird ist mir unbekannt. Ich löste sie und hole die Leine ein. Während des Einholens verhakte sie sich ständig und ich löste auch sie jedes mal. Dann, wo nur noch wenige Meter Leine draußen waren, endgültig. Ich konnte die Verhakung nicht mehr lösen. Papa schaltete den Motor wieder an und schaute sich die Angel an. Die Bremse hatte sich verdreht und ist so dann unlösbar geworden. Er hatte sie wieder richtig hingedreht und befestigt.

Ein paar Pelikane begleiteten unseren Weg noch bis zu unserem Ankerplatz. Dort schalteten wir den Motor aus und erfreuten uns an der Stille!!!

Samuel

Shelter Bay Marina (Bahía Limón)

19. – 22.06.2021

Jedem Segler, der vom Pazifik durch den Panamakanal kommt oder meist dann doch eher eben dorthin fahren will, ist die Shelter Bay Marina ein Begriff. Sie ist am atlantischen Ende des Kanal schlichtweg konkurrenzlos, seit Anfang 2009 der Hafen des traditionsreichen, damals immerhin 81 Jahre alten Panama Canal Yacht Club abgerissen wurde. Auch für uns ist es nach dem erfolgten Transit die logische Anlaufstelle.

Angekommen in der Karibik
… mit Boot!
Blick nach vorne :-(
Blick nach hinten :-)

Positiv anzumerken ist die uns hier entgegenschlagende Professionalität. Die Mitarbeiter sind auf UKW-Kanal 74 empfangsbereit und weisen den Liegeplatz zu. Als wir beim Einfahren gesichtet werden, kommt sofort die Rückfrage, ob wir ein Aluminiumboot sind. Eigentlich wollte man uns neben ein Stahlboot legen, plant das nun jedoch sofort um. Jetzt liegen wir gegenüber einer älteren, wie unsere Samai in Cherbourgh gebauten (Alu-)Garcia. Eddi begrüßt uns überaus freundlich. Er findet sogar einen 220V/16A-Eurostecker-Anschluss für unseren Landstrom. Den Check-In können wir morgen machen. Kein Problem. Letztlich reicht sogar der darauf folgende Montag. Dazu bekommen wir nach dem Check-In sogar noch ein T-Shirt geschenkt!

Die Ausstattung kann sich im Vergleich zu unseren Erfahrungen der letzten Monate auch sehen lassen. Es gibt ein Restaurant, Pool, Minimarkt, kleinen Bootshändler und noch ein paar Dinge mehr. Wir bekommen sogar unseren dringend gesuchten Panama Cruising Guide (… doch davon ein anderes Mal). Uber-Fahrer gibt es hier in der recht abgelegenen Gegend zwar nicht, aber Eddi kümmert sich gerne um zuverlässige(!) Taxifahrer.

Pool und Restaurant
Minimarkt und Chandler

Der Preis für all das ist jetzt nicht gerade günstig. Zumindest für kürzere Aufenthalte. In den ersten sechs Tagen zahlen kleine Einrümpfer wie wir immerhin 1,25$ pro Tag und Fuß… wie immer in Panama plus Steuern. Inklusive Wasser, zuzüglich Strom. Das ist aber immer noch billiger als jede Liegeoption an einem Steg auf pazifischer Seite. Dazu geben lange Liegezeiten Rabatt. Würden wir über 90 Tage bleiben, wären es „nur“ noch 45Ct. pro Tag und Fuß.

Voller Steg…

Dementsprechend viele Langzeitlieger sind hier auch versammelt. Denn der Hafen ist wirklich groß. Zumindest im Vergleich zu unseren Erfahrungen der letzten Monate. Wir haben den äußeren Liegeplatz E47… alleine an unserem (fünften von sechs) Steg(en) haben also fast 50 Boote Platz. Auch wenn es einige freie Boxen gibt, spüren wir die Nachteile solch großer Anlagen. Auf dem Nachbarboot rauscht nahezu 24/7 eine Klimaanlage, um 8 Uhr geht ein anderer Nachbar mit dem Hochdruckreiniger an seine Segel und am Pool werfen rücksichtsvolle Menschen gerne mal ihre Soundanlage an. Wer es mag…

Badespaß!

Natürlich hätten wir in diesem Hafen die Gelegenheit zum Austausch mit anderen Seglern. Schnell wird uns berichtet, dass an den Stegen ein paar deutsche Boote liegen. Hier ein Pärchen, dort ein Pärchen… und damit wird ein Grundsatzproblem deutlich. Wir sind nun mal nicht das typische segelnde (Ehe-)Paar, das ihre ein- bzw. zweisamen Tage an Bord (Achtung: Vorurteil!) mit Lesen und Müßiggang verbringt und daher regelmäßige Abwechslung, Unterhaltung und Austausch mit anderen segelnden Paaren sucht… die man möglichst noch in den nächsten Häfen und Buchten wiedertreffen kann. Wir sind nun mal eine Familie. Das sorgt einerseits dafür, dass uns hier an Bord rund um die Uhr nicht so schnell langweilig wird. Andererseits wäre es unserem Nachwuchs gegenüber alles andere als nett, wenn sich die Eltern regelmäßig für „langweiliges Erwachsenenzeug“ von Bord schleichen. Irgendwie sind das dann wohl doch zwei Welten?!

Dieses Motto kann der Skipper bedenkenlos unterschreiben!

Drei Tage halten wir es hier aus. Obwohl das natürlich etwas zu negativ klingt. Die Kinder gehen mit La Skipper in den Pool und der Skipper schont seinen leider angeschlagenen Fuß. Doch dann reicht es auch. Wir werfen die Leinen los… weiter an Panamas Atlantikküste Richtung Osten.

Abfahrt aus der Shelter Bay Marina vorbei an Mangroven.
Adiós!

Durch den Panamakanal

19. Juni 2021

Boah ist das früh! Nach knapp vier Stunden leidlichem Schlaf pellt sich die Crew von der Matratze. Bettdecken benutzen wir hier schon lange nicht mehr. Kurz vor 4 Uhr sind alle an Bord und mit insgesamt sieben Personen auf der Samai nehmen wir im Fahrwasser Kurs Nord.

Die Samai im offiziellen Kanalplan des Tages

Mit dem Bau des im Jahre 1914 eröffneten Panamakanals wurden alle Landbrücken zwischen Nord- und Südamerika abgebrochen. Heute verbinden lediglich drei Brücken die Kontinente. Zwei davon stehen auf der Pazifikseite. Als ersten unterqueren wir die 1962 in Betrieb genommene Puente de Las Américas, auf der nach Ende der nächtlichen Ausgangssperre allmählich der Verkehr zu Rollen beginnt. Wir fahren entspannt durch den großen Industriehafen „Puerto de Balboa“ zur ersten Schleuse. Für die meisten Segler ist die Esclusa Miraflores das ersehnte Tor zum Pazifik. Für uns ist es dagegen der definitive Schritt zurück Richtung Europa. Perspektivenwechsel.

Esclusa Miraflores voraus
Blick zurück auf die Puente de Las Americas

Um halb sechs geht es los. Die Tore stehen offen und wir fahren hinter dem Chemietanker „Navig8 Goal“ (sic!) in die erste der insgesamt sechs Schleusen, die heute auf dem Programm stehen. Noch wissen wir nicht, wie genau wir geschleust werden. Es gibt grundsätzlich vier Optionen:

  • Längsseits an der Wand: Das sollte man eigentlich nicht machen. Die Wände sind rau, das Wasser steigt/fällt schnell und es gibt starke Wirbel. All das macht diese Option wenig komfortabel.
  • Längsseits an einem Schlepper: Hierbei handelt es sich dagegen um die bequemste Variante. Zwei Leinen und eine kurz Spring halten das Boot am privaten Schwimmsteg.
  • Alleine mittig in der Schleuse: Bei dieser Option bekommt man bei der Einfahrt insgesamt vier dünne Leinen mit erstaunlich schweren „Affenfäusten“ zugeworfen. Diese Knoten sind im Grunde nichts weiter als ein Wurfgewicht, dem man jedoch tunlichst ausweichen sollte. Je nachdem wo sie aufkommen, kann das ganz schön knallen. Mit diesen dünnen Leinen werden dann die vier dicken, langen Leinen an Land gezogen und belegt. An jeder Ecke steht ein Linehandler und trägt die Verantwortung für seine Leine. Der Advisor koordiniert das Ziehen und Fieren, so dass das Boot möglichst mittig und sicher in der Schleuse steht. Der Skipper hat bei dieser Option den entspanntesten Job… zurücklehnen und zuschauen.
  • Päckchen mittig in der Schleuse: Letztlich ist es ganz ähnlich wie die letzte Option. Nur dass sich hier nicht ein Boot mit vier dicken Leinen in der Schleusenmitte hält. Stattdessen werden meist drei Boote im Paket zusammengebunden. Das in der Mitte fährt, die Seiten kümmern sich um je zwei Leinen. In der Hauptsaison die einzige Möglichkeit, ausreichend Segler durchzuschleusen. Wir machen unsere Passage jedoch alleine.

Wir haben Glück. Bei Einfahrt in die erste Schleusenkammer wartet schon ein Schlepper auf uns. Ranfahren, Leinen über und entspannen. Da es sich um eine Doppelschleuse handelt, wiederholt sich das Spiel auch bei Nummer 2 von 6. Für den Anfang ist das ganz gut so. Die Miraflores-Schleusen überwinden je nach Wasserstand eine Höhe von 13-20m. Das machen sie in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Das Wasser drückt mit aller Macht und erzeugt Wirbel.

Das Tor zum Pazifik schließt sich :-(

Als dann der große Pott vor uns den Gang einlegt, kommt so richtig Druck aufs Ruder. Dabei muss er seine 183m ja gar nicht alleine voranbringen. An der Seite kaum einen Meter Platz, wird der Tanker von vier Treidelloks gezogen.

Mit Treidelloks und etwas Schraube…
Rechts das zurzeit geschlossene Miraflores-Besucherzentrum
2 von 6 sind geschafft!

In der folgenden Esclusa de Pedro Miguel wird es dann ernst. Der Schlepper bleibt zurück. Wir fahren erst an die linke Wand und bekommen zwei Affenfäuste übergeworfen. Dann noch zwei an der rechten Wand. Eine trifft den Mast, der laut schallt. Unser Advisor ist jedoch so umsichtig, alle Geschosse auf das Vordeck werfen zu lassen. So besteht keine Gefahr für empfindliche Gerätschaften am Heck (Antennen, Windgenerator, Sprayhoodscheiben…)

Da machen lange Leinen Sinn!

Was folgt ist für die Linehandler echte Arbeit. Die schweren Leinen müssen auf dem Weg nach oben immer wieder dicht geholt werden. Wirbel versetzen das Boot. Unser Advisor Rick behält den Überblick und dirigiert ebenso meisterlich wie entspannt. Hier kommt seine ganze Erfahrung von mehr als sagenhaften 1.000 Kanaltransits auf verschiedensten Segelbooten zum Vorschein.

Der Platz des Skippers ist hinter dem Steuer…
Die Jungs am Bug haben den schwersten Job
Mit einem guten Team läuft das ganz entspannt (besonders für den Skipper ;-)

Nach gut einer Stunde, um 7:40 Uhr sind wir auf der Pazifikseite hochgeschleust. Wir unterqueren die 2004 eröffnete Puente Centenario. Vor uns liegen 25 Seemeilen entspannte Motorfahrt durch Kanal und künstlichen Gatún See. Jetzt erst einmal ein schönes Frühstück!

Unter der Puente Centenario werden wir überholt.

Am Anfang ist es fast wie auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Nur ist das Ufer nicht von Radweg, norddeutschen Häuschen und gemähtem Rasen gesäumt, sondern von Dschungel. Die Sonne scheint. Gemütlich tuckern wir mit 5-6 Knoten voran.

Dschungel säumt das Ufer

Nach einiger Zeit passieren wir Gamboa. Hier liegen Baggerschiffe und Schlepper auf Abruf. Es gibt sogar ein 5-Sterne-Hotel mit Dschungelfeeling. In Gamboa endet dann auch die Straße aus Panama City. Das Ufer wird natürlicher. Hin und wieder sieht man kleine Häuschen einer Lodge. Immer mal wieder rasen kleine Motorboote mit Menschen in Rettungswesten vorbei. Touristen, die den Reiz des Panamalkanals mit einer Dschungelfahrt kombinieren. So geht es einmal quer durch das schmale Land.

Mitten in Panama
Zeit für einen gemütlichen Plausch

Allmählich wird es breiter. Der Gatún See öffnet sich. Wir würden gerne den reizvollen Banana Channel fahren. Ein enges Fahrwasser, dass sich an die einstigen Bergspitzen schmiegt, welche nun Inseln sind. Doch leider ist er gesperrt. Dicht unter der Oberfläche treiben Baumstämme. Eine Gefahr für Rumpf und vor allem Propeller. So bleibt die Samai auf dem Hauptfahrwasser.

Den Banana Channel dürfen wir nicht nehmen

Wir kommen gut voran und erreichen die Atlantikseite deutlich vor unserem designierten Schleusenpartner. Vielleicht schaffen wir ja eine frühere Option? Doch die „Hyundai Dubai“ wartet nicht auf uns. So fahren wir nun also Kreise und essen erst einmal gemütlich Mittag.

Zwei Stunden später, kurz vor drei Uhr, geht es auch für uns endlich weiter. Wir liegen zusammen mit der „Doric“ in der ersten Kammer der Esclusas de Gatún auf Atlantikseite. Wieder haben wir das Glück, mit einem Schlepper durchzufahren. Dazu liegen wir nun vor dem Frachter. Damit bleiben uns die Verwirbelungen der Schraube erspart.

Unser Schleusenpartner runter zum Atlantik

Die dritte und letzte Schleusenkammer hat es trotzdem in sich. Kräftige Wirbel und Ströme versetzen uns teils meterweise Richtung Wand. Als wir fest sind meint Rick, dass das bei der letzten Kammer immer so sei. Mehr als hier noch auf der Pazifikseite. „Sorry, I should have told you!“. Na ist ja nichts passiert.

Oben…
… unten!
Entspannt am Schlepper
Die Treidelloks schaffen auch Steigung
Atlantik voraus!

Das letzte Tor öffnet sich und vor uns liegt die Karibik. Sehnsuchtsziel vieler Segler. Tja, nun ist also auch die Samai hier. Wir unterqueren noch die gerade erst 2019 eröffnete Puente Atlántico. Ein Pilotboot kommt ran und nimmt unseren Advisor auf. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Rick! Professionell, entspannt und immer freundlich führtest du uns durch den Kanal. Es war eine Freude, dich an Bord zu haben!

Puente Atlántico achteraus…

Weiter geht es zur Shelter Bay Marina. Für die meisten der Ausgangs-, für uns der Endpunkt des kleinen Abenteuers Panamakanal. Wir haben uns angekündigt und werden erwartet. Bei der Einfahrt gehen unsere Augen auf. Eine derartig voll gepackte Marina, so viele Segelboote auf einem Fleck haben wir nicht mehr gesehen seit… ja seit wann eigentlich? Es war wohl 2019 irgendwo in Europa. Willkommen in der Karibik?!

Professionell werden wir eingewiesen. Motor aus. Geschafft. Nun heißt es Abschied nehmen. Noch einmal vielen Dank an Rudi und Natalija. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel lieber wir mit euch, als mit „irgendwelchen pseudo-professionellen Linehandlern“ durch den Kanal gefahren sind. Es war eine Riesenfreude, euch an Bord zu haben!

Tolles Team!

Ja, wir sind in der Karibik. Schon der erste Hafen ist eine Art nicht wirklich genossener Kulturschock. Ja, es ist nett hier. Sogar mit Swimmingpool. Trotzdem fühlt es sich komisch an. Auch deswegen versuchen wir uns treu zu bleiben und die allzu ausgetrampelten Pfade zu meiden. Hoffentlich gelingt es uns…

Bürokratie in Mittelamerika: Panamakanal

Panama, Anfang Juni 2021

Viele Segler der norddeutschen Küste kennen den Nord-Ostsee-Kanal. Man spart sich den Weg rund Dänemark. Die Passage ist denkbar einfach. Man kommt vor und irgendwann auch durch die Schleuse, zahlt einen kleinen Obolus, denkt an das Nachtfahrverbot und kommt nach ca. 100km auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins wieder raus.

Viele Blauwassersegler auf der sogenannten „Barfußroute“ kennen den Panamakanal. Man spart sich den Weg rund Südamerika. Auch wenn wir diesen nicht gescheut haben, wählen wir für den Weg vom Pazifik zurück in den Atlantik die künstliche Wasserstraße. Die Passage ist… nun ja, sagen wir mal ein klein wenig aufwändiger und nicht zuletzt teurer.

Am Anfang steht die Grundsatzfrage, ob man für die Formalitäten einen Agenten bemühen möchte. Derer gibt es viele, die offiziellen sind nach allem was wir gehört und gelesen haben durchweg zuverlässig und preislich nehmen sie sich nicht viel. Ja, man kann das alles natürlich auch in Eigenregie machen. Nicht zuletzt aufgrund eher dürftiger Kenntnisse der spanischen Sprache, anderen unerlässlichen 2DOs sowie auch einer gewissen Bequemlichkeit war das für uns jedoch keine echte Option. Auf Empfehlung der SY Thula kommen wir mit Rogelio de Hoyos (Panama Cruiser Connection) zusammen. In Personalunion ist er Trans Ocean Stützpunktleiter in Panama City. Neben all den Formalitäten für unsere Einreise ins Land, kümmert er sich auch um alle formalen und praktischen Voraussetzungen für eine Passage zwischen den Ozeanen und hilft bei allen Fragen, Problem, Besorgungen und was noch so anfällt. Danke Rogelio!

Unser guter Geist Rogelio ist immer zur Stelle!

Schiffsinspektion

Jedes Boot, inklusive kleiner Segler, bekommt vor seiner ersten Passage durch den Kanal persönlichen Besuch von einem offiziellen Inspektor. Am vereinbarten Termin wird dabei zunächst penibel die Gesamtlänge des Schiffes aufgenommen. Basis sind die Bootspapiere zuzüglich darin nicht verzeichneter Überhänge wie z.B. Dinghy oder Solarpanel. Wichtig ist dabei, möglichst unter der „magischen Grenze“ von 65 Fuß zu bleiben, doch dazu später mehr. Weiterhin werden die Ausrüstung aufgenommen, Klampen begutachtet und wertvolle Hinweise gegeben. Bei uns läuft das in einem sehr entspannten Gespräch im Cockpit ab. Zum Abschluss bekommen wir einen Zettel mit unserer „Ship Identification Number“. Diese bleibt fortan dem Schiff erhalten, so dass es bei weiteren Passagen nicht erneut inspiziert werden muss.

Linehandler

Wir dürfen die Passage nicht alleine machen. Vorgeschriebene Mindestbesatzung sind der Skipper am Ruder sowie vier sogenannte „Linehandler“. Voller Optimismus besetzen wir den zweiten Platz neben La Skipper mit Samuel, so dass uns nun nur noch zwei Personen fehlen. Natürlich könnten wir diese (kostenpflichtig) über den Agenten besorgen. Doch vorher folgen wir wiederum dem Tipp der SY Thula und schreiben die deutsche Botschaft in Panama City an. Vielleicht hat ja jemand Lust mitzukommen? In der Tat melden sich Rudi und Natalija. Sie hatten bei der letzten Anfrage keine Zeit und sind überglücklich, mit uns die Passage machen zu können. Segel- oder gar Bootserfahrung haben sie zwar nicht, aber das wird kurioserweise auch nicht verlangt. Damit sind wir vollzählig.

Diese Leinen sind zu „handlen“

Leinen und Fender

Für die Ausstattung gibt es klare Vorschriften. Es müssen mindestens sechs richtig große Fender an Bord sein. So in der Art unserer zwei (inzwischen Lieblings-)Fender „Charly und Charleen“ aus Ushuaia. Alternativ gehen auch Autoreifen. Des weiteren müssen vier mindestens 2,2cm (7/8“) dicke Leinen mit mindestens 38m (125ft) Länge dabei sein. Die hat auch nicht jeder immer an Bord. Hier hilft wiederum unser Agent Rogelio. Er bringt alles vorab zum Boot und holt es nach der Passage wieder ab.

Charly und Charleen in guter Gesellschaft

Gebühren

Nichts auf der Welt ist umsonst. Schon gar nicht die Passage durch den Panamakanal. Für Schiffe bis 19,81m (65ft. – darüber wird es teuer) fallen Stand Juni 2021 an…

  • Transit Tolls – $1.600
  • TVI Inspection – $75
  • Security Charge – $165

Das macht dann also $1.840 nur für die Passage. Dazu kommen $350 für den freiwillig genommenen Agenten. Dann ist noch eine Sicherheit von ca. 900$ zu hinterlegen, die nach erfolgreichem Transit erstattet wird. Nur Bares ist Wahres… bei Kartenzahlung kommen 1,5% Bankgebühren oben drauf. Ist aber immer noch günstiger als Barzahlung. Beim Geldabheben am Automaten mit ausländische Kreditkarten werden bei max. 250$ pro Transaktion satte 5,25$ Gebühr, mithin über 2% aufgeschlagen.

Solarpanel schützen

Man erkennt ein Segelboot, dass vom Panamakanal kommend den Hafen anläuft, meist schnell am geschützten Solarpanel. Eine der Optionen beim Schleusen beinhaltet, dass man mit einer „Affenfaust“ (einem festen Knoten) versehene Seile an Bord geworfen bekommt. Dabei ist wohl schon mehr als ein Solarpanel zu Bruch gegangen. Es ist unbedingt angeraten, den Energiespender zu schützen. Manche legen Matten drauf, auch eine Holzplatte soll helfen. Doch als Familienboot, das wir nun mal sind, gibt es eine besonders ästhetische Variante. So binden wir also zwei bunte Luftmatratzen nebst Schwimmbrett auf das schützenswerte Gut. Hoffentlich wird das nicht als Zielscheibe missverstanden.

Gut geschütztes Solarpanel

Termin

Je nach Andrang ist bei der Terminvergabe mit einer gewissen Vorlaufzeit zu rechnen. In der Hauptsaison (Jahresanfang) auf der üblichen Route (Start Atlantik) können das schon mal Wochen sein. In der Nebensaison (jetzt) auf der unüblichen Route (Start Pazifik) reichen wenige Tage. Am 15. Juni beantragt unser Agent den Transit für den 19. Juni. Die finale Bestätigung kommt am Vortag zusammen mit einem vorläufigen Termin für die frühmorgendliche Übernahme des Advisors.

Pilot vs. Advisor

Eine kurze Erklärung zu Pilot und Advisor. An gefährlichen Einfahrten, in Kanälen oder sonstigen kniffligen Stellen besteht insbesondere für die Berufsschifffahrt die Pflicht, einen Pilot an Bord zu nehmen. Dieser trägt dann die Verantwortung und übernimmt damit auch faktisch die Kommandogewalt an Bord. Das ist natürlich auch im Panamakanal so. Zumindest bei Schiffen über 65ft. Darunter, also auch bei unserer kleinen Samai, kommt ein sogenannter Advisor an Bord. Dieser steht mit wertvollem Rat und helfender Tat zur Seite. Die letzte Entscheidungsgewalt verbleibt aber beim Skipper.

Kochen

Der Advisor muss, die Leinenhandler sollten (fairer Weise) an Bord beköstigt werden. Original verschlossene Wasserflaschen sind Pflicht. Für das Essen kocht man am Besten vor. Als alter Berliner entscheide ich mich für Bouletten und Kartoffelsalat. Der Vorabend steht also im Zeichen der Pantry.

Sollte für ein paar Bouletten reichen!

Funkwache

Parallel dazu muss am Vorabend des Transits das Funkgerät auf Kanal 12 empfangsbereit sein. Darüber wird der Reihe nach allen Schiffen der folgenden Nacht vom Port Entry Coordinator (am Pazifik „Flamenco Signal“) der Zeitpunkt der Pilot-Übernahme angekündigt. Für die Samai bestätigen wir frühe 0345.

Advisor an Bord nehmen

Unsere Linehandler Rudi und Natalija schaffen es trotz nächtlicher Ausgangssperre pünktlich um 3:15 Uhr in die Marina. Halb vier verlassen wir den Hafen und treiben davor am „La Playita Anchorage“. Hier erwarten wir den Advisor. Kurz nach unserer Funkbestätigung, dass wir bereit sind, kommt das Pilotboot angebraust. Rick hüpft an Bord und verschafft sich einen Überblick. Moment mal… ein 13jähriger Linehandler? Eigentlich müsse er mindestens 15 Jahre alt sein. Doch unser kräftiger Samuel besteht die Sichtprüfung und wird akzeptiert. Damit sind wir komplett.

Los geht es durch den Panamakanal

… aber davon ein anderes Mal mehr!