Atlantik Tag 8-11: Baden und Segeln in den Doldrums

Wie versprochen, berichten wir am Wochenende ganz aktuell von unserer gerade stattfindenden Atlantiküberquerung.

Sonntag, 22. Mai 2022 – Kollisionskurs auf dem Weg in die Doldrums

Die Nacht verläuft solange ruhig, bis die Crystal Angel auf dem AIS erscheint. Da sieht man nach Tagen mal wieder ein anderes Schiff und natürlich ist es auf direktem Kollisionskurs. Typisch! Ebenso erfreulich ist, dass der Tanker rechtzeitig seinen Kurs ändert um gut eine Seemeile hinter uns durchzufahren. Vorbildlich!

Kurzer Einschub für Nichtsegler: Vielleicht fragt sich jetzt der eine oder die andere, warum ein 230m-Tanker so einem kleinen 12m-Segelboot wie uns ausweicht. Die Antwort findet sich in den international gültigen Kollisionsverhütungsregen. Darin wird unter vielem Anderen geregelt, wie sich zwei begegnende Boote verhalten sollen. Nein, da steht nichts von Vorfahrt. Das ist der deutschen Seeschifffahrtstraßenverordnung vorbehalten. International gibt es entweder die Pflicht, Kurs und Geschwindigkeit beizubehalten oder die Pflicht auszuweichen.

Was die Schiffstypen angeht, gibt es eine gewisse Rangfolge. Zum Beispiel müssen (vereinfacht gesagt) alle anderen Schiffe Fischern (bei der Arbeit) ausweichen. Das letztere es beim Fischen mit dem Kurshalten nicht so genau nehmen, ist wenig verwunderlich und allgemein bekannt. Treffen ein Motorboot und ein Segelboot (unter Segeln!) aufeinander, so muss das Motorboot ausweichen. Und die Samai ist aktuell nun mal ein Segelboot und ein Tanker ist unbestritten ein Motorboot. Darum ist er uns ausgewichen.

Guten Morgen…

Der Wetterbericht ist so la-la. Klar ist, dass der Wind weiter nachlassen wird. Das ist auch wenig verwunderlich, schließlich kommen wir so langsam die die Breiten der Doldrums.

Kurzer Einschub für Nichtsegler: Wir würden echt gerne direkt von Südamerika zu den Azoren segeln. Geht aber nicht. Rund um den Äquator weht der Passatwind beständig aus (hier aktuell nord-)östlicher Richtung. Darum segeln wir auch gerade eher nach Norden. Weiter oben haben wir die auch für das Wetter in Europa maßgebliche Westwindzone. Spätestens dort werden wir Richtung Osten abbiegen. Und dazwischen? Tja, da sind die Doldrums. Mal breiter, mal schmaler ist das ein Bereich mit wenig bis gar keinem Wind. Für Segler ein Albtraum. Und da müssen wir irgendwie durch…

Früher konnten die Doldrums für Segelboote eine echte Gefahr darstellen, wenn diese tagelang bei Flaute vor sich hindümpelten. Heute kann man natürlich auch noch warten und dümpeln. Alternativ wirft man den Motor an. Wir bevorzugen, auch im Sinne unserer immer noch aufzufüllenden Wasservorräte, meist letzteres.

Verlust des Tages: Am Nachmittag werfe ich einen Blick in unsere Nudelvorräte. Manch einer mag denken: Na was soll da schon sein?. Segler-Antwort: Kleine schwarze Krabbeldinger. Bei Pappkartons mag das ja noch hinkommen, aber in Plastikverpackungen? Keine Ahnung, wie die da rein kommen. Muss wohl schon bei der Produktion passiert sein. Uns kostet das heute fünf Fusilli-Packungen. Auch zwei große Spaghetti-Packungen sehen nicht so gut aus und werden folgerichtig gleich mal gekocht. 2kg Nudeln. Der Speiseplan der nächsten Tage steht.

Montag, 23. Mai 2022 – Badepause, Bootsarbeiten und kein Fisch

Allmählich beginnt das unschöne Spiel mit dem fehlenden Wind. Wir motoren durch die Nacht mit direktem Kurs Richtung Azoren. Der neue Wetterbericht am Morgen lässt uns nach Norden abbiegen. Auf der Suche nach wenigstens etwas Wind in der vorhergesagt großen Flaute.

Der große Swimmingpool lockt…

Eigentlich der perfekte Zeitpunkt für eine Badepause. Gut eine Stunde lassen wir uns treiben und springen in den tiefblauen Atlantik. Unter uns sind etwa 5km Wasser. Das nenne ich mal ein tiefes Schwimmbad. Anschließend hauen wir einiges von dem gerade frisch gemachten Wasser raus und duschen uns alle mal wieder so richtig sauber. Wurde auch langsam Zeit.

Badepause auf 5km Wassertiefe
Ist da auch nichts unter uns?

Ansonsten nutze ich die Ruhe für ein paar Kleinigkeiten an Bord. Ich lege endlich die Bilge trocken und wechsle den Filter vom Wassermacher. Auch das hat der sich inzwischen hochverdient. Danach kümmern wir uns um die Großschot. Die hat im Laufe der Zeit ordentlich Twist bekommen und verdreht nun immer mal wieder die Leinenführung unter dem Segel. Nichts, was man nicht rausdrehen könnte. Schließlich klariere ich noch die beidseits vom Cockpit nach vorne führenden Strecktaue. Daran kann man sich bei unruhigem Wetter und nachts einpicken um nicht über Bord zu gehen. Leider war ich beim letzten Mal Einfädeln der Vorsegelleinen etwas unaufmerksam. Die Schoten lagen einer lückenlose Nutzung der Strecktaue im Weg. Das ist nun auch wieder in Ordnung.

Der rechte Filter hat sich den Ruhestand verdient.

Am Nachmittag meldet sich die Angel. Sie biegt sich richtig durch. Offensichtlich ein großes Ding am Haken. Samuel eilt hin und versucht den Fang einzuholen. Leider vergeblich. Später schwört er Stein und Bein, dabei eine Hai-ähnliche Rückenflosse gesehen zu haben. Vielleicht ganz gut, dass er entwischt ist?! So essen wir unseren improvisierten Nudelauflauf aus der Pfanne vegetarisch.

Immerhin können wir heute noch ganze acht Stunden segeln. Trotz angesagter Flaute. Am Ende bekommen wir unter einer dunklen Wolke sogar gut 5 Bft. ins Segel gepustet. Danach geht es jedoch innerhalb von 10min auf 5kn runter. Segel rein. Entspannt motoren wir durch den Rest der Nacht.

Dienstag, 24. Mai 2022 – Raus aus den Tropen

Schon vor Sonnenaufgang sehe ich eine Ansammlung von AIS-Signalen. Ein Schiff mit offensichtlich ostasiatischem Namen und seine fünf Bojen. Ein Fischer bei der Arbeit. Aber lassen wir uns das in Ruhe auf den Zeilen zergehen. Ein chinesisches Fischerboot von 45x8m setzt im Atlantik gut 500sm nordöstlich der Karibik auf einer Länge von fast 15sm (für Ostseekenner zum Vergleich: Kühlungsborn-Rostock sind ca. 12sm!) seine Bojen aus und fischt das Meer leer?! Internationale Gewässer. Keiner ist zuständig. Jeder darf (fast) alles. Perfekter Ort für das perfekte Verbrechen. Ideal auch für opportunistisches Verhalten. Und letzteres ist meiner bescheidenen Meinung nach Hauptgrund dafür, dass die Welt allmählich vor die Hunde geht. :-(

Chinesischer Fischer mit seinen Bojen

Ebenfalls kurz vor Sonnenaufgang queren wir auf 23°26N den nördlichen Wendekreis des Krebses. Auf diesem Breitengrad steht einmal im Jahr, genau zur nördlichen Sommersonnenwende unser Zentralgestirn im Zenit. Und offiziell bezeichnen die Wendekreise zugleich das Ende der Tropen. Mehr als ein Jahr und vier Monaten nachdem wir vor Chile den südlichen Wendekreis gequert haben, erreichen wir wieder gemäßigte Breiten.

Morgens mache ich spontan einen Nudelsalat. Das ist immer gut für ein kleines Hüngerchen zwischendurch. Wie es der Zufall so will, habe ich da noch ein paar Spaghetti im Kühlschrank gefunden… ;-) Abends gibt es zur Abwechslung dagegen mal Reis mit Zwiebel-Pilz-Pfanne.

Wir werden langsamer. Motor und Segel halten sich heute zeitlich so in etwa die Waage. Über Mittag füllen wir unseren gesamten Vorrat an Wasserflaschen auf. Am Nachmittag genießen wir bei strahlenden Sonnenschein und teilweise nur 2-3 Bft. entspanntes Dümpel-Cruisen unter Segeln. Wenigstens scheint die Sonne. Abends nochmal Motor an, den Großteil der Nacht können wir aber, wenn schon nicht rasend schnell, so doch entspannt segeln.

Mittwoch, 25. Mai 2022 – Kurs Azoren… noch!

Beständiger Wind wäre schön. Ist hier aber nicht. Am Vormittag müssen wir wieder den Motor anwerfen. Der Wassermacher drängt die letzte Luft aus dem Wassertank. Zumindest kann die Fock als Unterstützung stehen bleiben. Und zumindest fahren wir (fast) direkten Kurs auf die Azoren im Nordosten von uns. Luftlinie sind es kein 1.500sm mehr. Seit Französisch-Guyana haben wir fast 1.300sm im Kielwasser gelassen. Kurz vor der Halbzeit? Wohl kaum.

Der aktuelle Wetterbericht stimmt nicht optimistisch. Erst Flaute, dann Nordost-Wind auf die Nase, der auf Ost dreht. Damit sollten wir Richtung Norden segeln können. Direkt auf das Zentrum des zugehörigen großen Hochdruckgebietes. Danach dreht der Wind dann auf Nord, was wir mit einem Ostkurs kontern müssten. Nächste Woche kommt es dann ganz dicke von Norden runter, so dass wir uns besser südlich der Azoren halten sollten. Also wie denn nun Zick-Zack zum Ziel?!

Allerdings ist das alles natürlich mit einem großen Vorbehalt zu sehen. Gerade in dieser Gegend ist die Halbwertszeit eines Wetterberichts erschreckend kurz und einer Vorhersage der kommenden Woche in der Regel kaum mehr Wert beizumessen, als dem berühmten Blick in die Kristallkugel. Insofern hoffen wir trotz der wenig erfreulichen Grundtendenz auf das Beste.

Abends wird es Zeit, sich endlich mal um die letzten Spaghettireste zu kümmern mit Pesto für die Mädels gebraten für die Jungs das geht immer!