Plan B: Manta

Ecuador, 30-31. Januar 2021

Schon klar, ich wiederhole mich aber wozu holt man eigentlich den Wetterbericht ein? Wieder einmal waren sich unsere Hauptlieferanten Wetterwelt und Saildocs einig. Morgens schwacher Rückenwind aus Süd, tagsüber Flaute und am Nachmittag evtl. bis zu 3 Bft. mit West-Komponente. Kein echtes Segelwetter, aber der Wassermacher muss heute bei unserem aktuell leeren Tank ohnehin eine Extraschicht schieben.

Doch es kommt anders. Natürlich. Also nicht das mit dem Wassermacher. Nur das mit dem Wind. Warum um Seglers Willen bekommen wir größtenteils 4 Bft. Nordwind auf die Nase? Grmpf! Ein blöder Nebeneffekt betrifft unseren geplanten Übernachtungsstopp bei der Isla de la Plata. Der ist natürlich auf Basis der Wetterberichte ausgesucht und zeigt sich bei Nordwind tendenziell offen. So auch bei unserer Ankunft pünktlich 15min vor Sonnenuntergang. Zwar liegen tatsächlich einige durchaus stabil aussehende Bojen aus. Allerdings sind diese doch schon arg dicht unter Land. Dazu drücken Wind und Schwell auf den nahen Strand. Für La Skipper ist die Sache nach grob geschätzt 0,42s klar: Hier werden wir nicht übernachten!

Isla de la Plata (SE-Ecke)
Vor dem Strand mit Haus liegen die Bojen… leider auf Legerwall

Also weiter zu Plan B: Manta. Das ist zwar auch nach Norden offen, bietet aber viel Platz zum Ankern auf unter 10m. Zieht sich halt nur noch ein Bisschen. Nach weiteren gut 35sm mit kräftigem Gegenstrom erreichen wir um halb zwei Nachts den vor hell erleuchteter Stadtkulisse teils grell erleuchteten Hafen. An dem müssen wir jetzt nur noch vorbei. Etwas dichter unter Land. Die führende Landmarke, ein roter Leuchtturm auf der Hafenmole, blinkt natürlich nicht. Dafür scheint es zwei neue, zumindest noch nicht in der Seekarte verzeichnete Fahrwassertonnen zu geben. Achtung: Wie überall in Amerika blinkt es hier anders herum als in Europa. Von See kommend bleibt grün an Backbord und rot an Steuerbord.

Hinter diesen Tonnen ist es brechend voll. Davon zeugen schon die vielen AIS-Signale. Aber was das Radar verzeichnet, haben wir so auch noch nicht gesehen. Die vielen Echos bilden fast schon eine geschlossene Fläche. Dazu noch einige in der Karte verzeichnete Wracks mit sichtbarem Rumpf oder -teilen, Einzelgefahrenstellen, eine nicht verzeichnete West-Untiefentonne, sonstige gelbe und weiße Blinklichter sowie eine tunlichst zu meidende, natürlich nicht weiter gekennzeichnete Untiefe. Nachts. Es ist halt auch nur Plan B.

Ziemlich voll hier

Vorsichtig schleichen wir uns durch. Um zwei Uhr fällt endlich der Anker auf ca. 5m. Wir sind zwar immer noch knapp ½sm vom Land weg, aber dichter wollen wir dann doch nicht. Da wird es noch flacher. Interessanter Weise liegt das in der Karte verzeichnete Areal Anchorage Small Craft Moorings vor dem Yacht Club mittig zwischen 2m-Linie und trocken fallendem Grund. Das ist dann wohl wirklich nur für „very small crafts“.

Ankern weit vor Manta

Andere Argumente für etwas mehr Wasser unter dem Kiel sind über 2,5m Tidenhub (Springzeit) sowie ein stetig reinkommender Schwell von gut und gerne 1,5m. So schaukeln wir uns in den kurzen Schlaf. Schon um halb acht holt ein lautes Rufen den schlaftrunkenden Skipper an Deck. Welcome to Ecuador! Er sei wohl irgendwie so halbwegs offiziell brauchen wir Diesel? Nein, danke. Wirklich nicht? Nein, wirklich nicht. Ok, adios.

Wir bleiben auch nicht mehr lange. Es ist zwar nur noch ein kurzer Hüpfer zur Bahía de Caráquez, aber wir dürfen uns nicht verspäten. Der uns hinein geleitende Pilot ist für 1 Stunde vor Hochwasser bestellt. Den zu verpassen wäre schon ärgerlich. Also Anker auf und optimistisch weiter Richtung Äquator.

Abfahrt weiter nach Norden…

Abschied aus Salinas

Ecuador, 29.-30. Januar 2021

Nach dem morgendlichen Schauspiel beruhigt es sich im Laufe des Tages doch recht schnell. Der Strand füllt sich immer mehr und auch auf dem Wasser ist heute ein besonders geschäftiger Tag mit Jet Skis, Spaß-Bananen und -Schläuchen, Tretbooten mit Rutsche, Wasserski und so manchem mehr. Sogar ein StandUp-Paddler schaut bei uns vorbei und spricht richtig gutes Deutsch! Der junge Mann studiert in Karlsruhe und hat das umgekehrte Problem, gerade nicht zurück nach Deutschland zu können.

Später kümmert man sich dann noch um die früh mitsamt Boot Richtung Land vertriebene Mooringboje. Ein großes Motorboot bindet sie sich am Heck fest und fährt sie langsam an die ursprüngliche Position. Große Mühe scheint das nicht zu machen. Anschließend wird dasselbe kleine Segelboot an dieselbe, jede Zuverlässigkeit ausdrücklich von sich weisende Mooring gebunden und gut ist. So kann man es natürlich auch machen.

Die losgerissene Mooring wird einfach wieder zurück gezogen.

Einen letzten Tag genießen auch wir, wenn schon nicht die Ruhe, so doch den Badespaß von Bord und bekommen sogar zweimal Besuch von einer neugierigen Meeresschildkröte. Am nächsten Morgen geht es weiter. Wir haben aus der nördlich gelegenen Bahía de Caráquez (Puerto Amistad) gehört, dass man Segler dort wohl aufnehme. Auch liegt unseres Wissens neben Craig mindestens ein anderes deutsches Trans Ocean Boot dort. Hier werden Sie geholfen! Das ist zumindest die Hoffnung. Was haben wir schon zu verlieren?!

In Salinas ist noch Weihnachten :-)

Natürlich könnten wir den kleinen gut-100sm-Hüpfer auch in einem etwa 20-Stunden-Nachtschlag machen. Doch dann wird das mit dem Timing schwierig. Eine Ankunft bei Hochwasser ist Pflicht. Das wäre aktuell am späten Nachmittag. Und da wir am Äquator sind, ist es auch nichts mit langen, lauen Sommerabenden. Im regelmäßigen 12-Stunden-Takt quert die Sonne den Horizont immer so kurz nach sechs. Kurz und gut, wir planen einen kurzen Zwischenstopp ein. Auf halber Strecke liegt die Isla de la Plata. Die kleine, etwa 12sm vor der Küste gelegene Insel bietet zwar keine berauschenden Ankerbuchten und der Meeresgrund fällt relativ steil ab. Doch laut Seekarte liegen auf der geschützten Seite zwei Mooringbojen. Keine Ahnung, ob das stimmt, wem sie gehören, ob sie frei sind das werden wir heute Abend dann ja sehen…

Ausnahmezustand in Salinas

Ecuador, 29. Januar 2021

Als vor ein paar Tagen unser Anker auf ca. 5m Wassertiefe fiel, da haben wir ihn natürlich eingefahren. Auch wenn wir dabei nicht zu 100% überzeugt waren, beließen wir es dabei. Der Anker sollte uns mit 35m Kette bei dem angesagten, ablandigen Schwachwind von maximal 3 Bft. trotzdem sicher halten. Tat er auch. Alles kein Problem.

Doch dann kommt der Morgen des 29. Januars. Kurz vor sieben Uhr zieht eine dunkle Wolke mit unbarmherziger Gewalt von Norden heran und fegt gnadenlos über das Anker-/Mooringfeld hinweg. In Spitzen haben die Böen über 20kn!!!

Moment mal wie jetzt will der uns veralbern? Kaum 6 Bft. sind doch nun alles andere als heftig. Stimmt! Die Samai dreht sich um 180° mit dem Heck zum Land. Naturgemäß braucht der Anker bei so einem Richtungswechsel einen Moment, bis er wieder richtig greift. Tut er dann nach einigen Metern aber auch ganz brav. Unangenehm ist eigentlich nur die kurze Welle, die der nun auflandige Wind mit sich bringt. Selbst als der Spuk schon längst vorbei ist, schaukelt es uns immer noch ganz schön durch.

Wir sitzen also an Deck und schauen uns um. Moment mal wie jetzt lag das Boot da hinten vorhin nicht noch an einer großen, gelben Mooringtonne? Jetzt treibt es neben dem langen Pier Richtung Strand. Wenigstens kann es nicht weit kommen. Große, mit einem starken Schwimmseil verbundene Tonnen sperren den Badebereich großzügig ab. An diesem Seil bleibt dann auch das losgerissenen Segelboot hängen. Kurz danach wird man auf das Problem aufmerksam. Ein Motorboot wird klargemacht und plötzlich steht auch jemand an Deck des Seglers. Entweder hat jemand unbemerkt übergesetzt oder die Person hat einen außerordentlich gesegneten Schlaf. Leinen werden geworfen, wieder aus dem Wasser gezogen, erneut geworfen, irgendwann steht die Verbindung und das Motorboot zieht den Segler langsam raus. Es bleibt jedoch erst einmal beim Versuch. Anscheinend hat sich das dicke Schwimmseil irgendwie und -wo am Kiel und/oder Ruder verhakt. Männer springen ins Wasser. Bei der kurzen Welle ein gewagtes Unterfangen, doch ihnen passiert nichts. Insgesamt vergehen fast 2 Stunden, bis der Segler wieder an seiner Mooring hängt. Hoffentlich hält sein Festmacher jetzt besser.

Die Verbindung ist hergestellt…
… und irgendwann wird das Segelboot auch rausgezogen.

Derweil schweift der Blick immer wieder umher. Moment mal wie jetzt war der kleine Segler backbord querab nicht eigentlich schräg vor uns? Ja, war er. Er hat sich aber auch nicht losgerissen, sondern treibt schaukelnd mitsamt seiner Mooring langsam aber sicher auf dieses dicke Schwimmseil zu. Das Heck hängt schon weit in den Badebereich, als zwei kleine Motorboote auf ihn aufmerksam werden und recht schnell raus ziehen können. Mal sehen, ob seine neue Mooring besser hält.

Der nächste Problemfall…
… wurde schon entdeckt.

Zum Glück ist es vor uns weitgehend leer. Erst in einiger Entfernung ankern ein paar Boote. Wobei das große Motorboot gestern auch noch nicht so direkt mitten in der Hafeneinfahrt lag. Es hilft sich selbst, holt den Anker ein und versucht es weiter draußen erneut.

Knapp drei Stunden später normalisiert sich die Situation. Die vielen kleinen, durch das Anker-/Mooringfeld schwirrenden Motorboote haben sich zurück gezogen. Erste Badegäste erscheinen trotz geschlossener Wolkendecke und leichtem Nieselregen am Strand und auch ein Jet-Ski braust schon umher. Der Wind ist ohnehin schon lange durch, nur die Welle wird uns dagegen noch etwas erhalten bleiben. Als kleine Erinnerung an diesen Morgen im ecuadorianischen Ausnahmezustand…

Bald schon ist alles wieder gut.

Inkognito Ankern vor Salinas

Ecuador, 25.-28. Januar 2021

Inzwischen liegen wir hier bei Salinas schon drei Nächte vor Anker. Das AIS ist im Silent Mode, ecuadorianische Gastland- und gelbe Quarantäneflagge sind eingeholt, nur der Trans Ocean Stander weht unter der Backbordsaling. Auch die Nationale flattert nicht am Heck, lediglich der Heimathafen Berlin verrät unsere fremde Herkunft, ist aber wiederum recht gut vom Windpiloten verdeckt. Nur kein Aufsehen erregen.

Samai inkognito vor Salinas…

Salinas ist eines der wichtigsten Touristenzentren Ecuadors und auch, wenn in der aktuellen Situation ganz offensichtlich keine Vollauslastung bei den die Küste säumenden Hotelhochhäusern herrscht, so genießt man augenscheinlich das Leben. Der Strand ist nicht überfüllt, aber stets gut besucht. Am Nachmittag brettern einzeln oder doppelt besetzte Jet-Ski (bzw. in gutem Beamtendeutsch Wassermotorräder) vorbei, Motorboote ziehen voll besetzte Bananen und große Schwimmringe oder machen Ausflugsfahrten mit gerne auch mal mehr als einem Dutzend gut gelaunter Gäste an Bord. Bis in die späte Nacht klingt Musik wahlweise vom Strand oder auch einem in der Nähe treibenden Boot. Hier tobt das Leben!

Der Strand ist gut besucht, …
… das Wasser auch.

Auch wir genießen die äquatoriale Januarsonne, fluchen nur manchmal über die einhergehende Hitze und springen zur Abkühlung regelmäßig in den Pazifik. Die Kinder spielen auf der aufgeblasenen Badeplattform Twister, Samuel schwingt sich mit dem Gennaker-Fall von Bord und auch Maila springt eine Kerze nach der anderen in erfrischendes Nass. Im Grunde lassen wir es uns also soweit gut gehen.

Fast wie Tarzan…
… mit sehr eleganter Landung!
Eine Kerze nach der anderen.
Twister auf der Badeplattform.

Einen besonders gewagten Schritt ist La Skipper gegangen. Nach Monaten ohne Friseur zieht sie als Erste die Reißleine… bzw. zückt die Schere und gibt sie dem Skipper in die Hand. Die langen Haare zu einem Zopf gebunden, ergeht die schlichte Anweisung: Hier ab!. Nun gut, sie hat es ja nicht anders gewollt. Es wird reichlich kurz und ziemlich ungewohnt, aber gar nicht mal sooooo schlecht. Es hat ein bisschen was von 20er Jahre. Der Rest der Familie wächst dagegen weiter zu.

An dieser Stelle sei nun auch endlich mal der längst überfällige Dank an Arnaud (Sailing Ecuador!) ausgesprochen. Er war und ist uns Ansprechpartner, Dolmetscher, Tipp-Geber und eine wertvolle Hilfe hier vor Ort ¡Muchas gracias!

Kurz nachdem der letzte Eintrag abgeschickt war, haben wir übrigens noch einen kleinen Hoffnungsschimmer bekommen. Doch davon ein anderes Mal mehr.

¡El mundo esta loco!

Ecuador, 25.-26. Januar 2021

Ja, die Welt ist verrückt. Das sollte inzwischen jeder mitbekommen haben. Der Eine mehr, der Andere weniger. Wir gehören ganz offensichtlich zu der ersten Gruppe Menschen. Stets an vorderster Front fehlenden Menschenverstandes.
Vor gar nicht langer Zeit hat uns ein befreundeter Segler geschrieben: „Ecuador is brilliant. Its like theres no Covid. The restaurants and shops are open. […] We were sightseeing for a week before we were fully checked in.“ Anscheinend haben sich die Zeiten wieder einmal geändert.

In Puerto Lucia angekommen werden wir vor der Hafeneinfahrt auf einen Ankerplatz gewiesen. Der Skipper soll mit den Unterlagen zum Büro kommen. Dort stößt die Dame sich zunächst daran, dass unser letztes offizielles Zarpe (aus Ushuaia) auf den Mai 2020 datiert. Aus Chile haben wir nur die offizielle Erlaubnis zur Verproviantierung von Anfang September vorzuweisen. Das sei ein Problem. Warum auch immer.

Letztlich teilt sie mir dann die Alternativen mit. Einerseits dürfen wir uns gerne zwecks Heimreise zum Flughafen begeben. Andererseits könne sie aber auch die Autoritäten anrufen. Die kommen dann zu uns an Bord. Wir müssen natürlich Tests machen und dürfen bis zum Vorliegen der Ergebnisse das Boot nicht verlassen. Danach steht evtl. noch eine Quarantäne an das wird nicht so ganz klar. Wie auch immer, letztlich werden wir den Hafen definitiv nicht verlassen dürfen. Nein, auch nicht nach dieser, ich nenne es mal Einreise light für ca. 200$. Wir können uns aber gerne beliefern lassen. Ja, natürlich kenne man auch den von mir genannten Segler, der uns diese vielversprechenden Nachrichten geschickt hat. Er habe wegen seiner schwangeren Freundin eine spezielle Genehmigung gehabt. Unsere Argumente reichen ganz offensichtlich nicht aus.

Der nächste Tiefschlag. Die Entscheidung fällt nicht schwer. Das ganze Prozedere um wieder in einem Hafen gefangen zu sein? Nein Danke! Wir füllen noch den Dieseltank und fahren weiter. Allerdings nicht allzu weit. Nach etwa drei Seemeilen werfen wir bei Salinas direkt außerhalb der Strandbadezone den Anker. Wir haben den Tipp bekommen, dass nicht immigrierte Yachten hier gerne mit dem Dinghy an den Strand fahren, um einkaufen zu gehen. Niemand werde nach den Papieren fragen. Nun ja, das galt immerhin für normale Zeiten. Wir sind noch unschlüssig und gehen erst einmal baden.

Wie geht es weiter? Für die nächste Etappe schwanken wir zwischen zwei Optionen…

Entweder fahren wir direkt nach Panama. Dieses Land hat zumindest ein offizielles Prozedere für die Einreise mit dem Schiff. Auch wenn das zunächst einmal nur 72 Stunden umfasst, so besteht wohl doch die (zumindest theoretische) Möglichkeit einer Verlängerung. Dieser Abschnitt von ca. 670sm hat jedoch das Problem, dass der Wind hier gerne auch mal kräftiger aus Norden, also direkt auf die Nase weht. Wetterwelt verspricht bei heutiger Abfahrt Böen mit über 30kn.

Alternativ laufen wir vorher noch Costa Rica an. Die Strecke ist sogar ein klein wenig kürzer und bietet die Möglichkeit, dem angesprochenen Windfeld etwas ausweichen zu können. Allerdings haben wir aktuell noch keine Informationen dazu, auf welcher Skala der weltweiten Verrücktheit sich dieses Land gerade befindet.

So werden wir also noch mindestens eine Nacht hier liegen bleiben, die Sonne genießen und baden wenigstens eine kleine Abwechslung.

Abendstimmung vor Salinas