Blitzschlag – Bestandsaufnahme

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Eine wesentliche Aufgabe, die nach der „Nacht der Nächte“ auf der Liste steht, ist eine Bestandsaufnahme, der durch den Blitzschlag entstandenen Schäden. Natürlich möchte ich mich zunächst selbst darum kümmern. Keine wirklich schöne Aufgabe, aber nach meinem Verständnis die erste Pflicht eines verantwortungsbewussten Skippers.

Dreimal lässt sich sehr schnell ein offensichtlicher Totalschaden feststellen.

  • Die gerade erst vor wenigen Wochen mühsam neu angebracht Funkantenne in der Mastspitze ist weg. Immerhin hat es auch wirklich nur die Antenne erwischt. Die Halterung ist ebenso noch da, wie der mühsam angelötete Coax-Stecker. Ob er und das Kabel noch funktionieren?
  • Das Funkgerät am anderen Ende des Antennenkabels schweigt. Uns bleibt als Backup nur das Handfunkgerät mit seiner geringen Reichweite. Alleine das ist schon ein wesentliches Argument dafür, schnellst möglich einen Hafen anzulaufen.
  • Den Wechselrichter (blaue Victron-MultiPlus-Box im Heck) hat es auch erwischt. Vielleicht durch eine Erdung am Rumpf?! Dass wir damit keinen Landstrom mehr nutzen können, ist nicht weiter schlimm. Der nun fehlende Inverter ärgert vor allem Samuel, der diesen zum Schreiben auf seinem akku-schwachen Laptop braucht. Vorerst muss er auf den 12V-Bord-PC wechseln. Ansonsten fehlen Komfortoptionen wie Brotbackautomat, Toaster, Wasserkocher, Staubsauger etc.

Um Bordstrom müssen wir uns glücklicherweise keine Gedanken machen. Lichtmaschine, Solarpaneel und Windgenerator laden weiterhin zuverlässig die offensichtlich unversehrten Batterien. Überhaupt ist es faszinierend, dass ich bei meinen ganzen Tests und Nachforschungen nicht eine einzige durchgebrannte Sicherung finde!

Dann haben wir noch den Effekt, dass die Plotter zwar funktionieren, aber keinerlei Daten anderer Instrumente anzeigen. Auch Radar und Autopilot lassen sich damit nicht verwenden. Das lässt vermuten, dass irgendetwas mit dem sogenannten NMEA-Bus nicht stimmt. Das wird leider schnell bestätigt. Die Netzwerkdiagnose im Plotter zeigt „NMEA-Bus – Off“ und „TX-Fehler“, also Probleme beim Senden. Damit gibt es praktisch keinen Datenaustausch in der Navigationselektronik mehr. Das erklärt die Symptome. Der Grund? Gute Frage.

Ich mache mich also auf die Suche in den Niederungen der verbauten Bord-Elektronik. Ein erster, oberflächlicher Blick stimmt eigentlich optimistisch. Grüne Lämpchen zeigen Betriebsbereitschaft praktisch aller Geräte. Das gilt sogar für den zwischen Funkantenne und Funkgerät geschalteten Antennensplitter sowie das davon abgehende AIS. Doch das kann täuschen.

Ich verkleinere also den NMEA-Bus mit Endwiderständen auf das Nötigste, stöpsel nach und nach Geräte ab. Das Ergebnis bleibt immer gleich. Immerhin kann ich mich einmal mehr über die werftseitig gute Dokumentation freuen. Darin sind selbst die NMEA-Anschlüsse in korrekter Reihenfolge verzeichnet.

Dann nehme ich mir noch alle in der Navi-Ecke verbauten T-Stecker einzeln vor und messe fast überall einen Durchgang bei 2 oder sogar 3 Leitungen. Diese Durchgänge kommen wohlgemerkt nicht aus den Steckern, sondern an jeweils angeschlossenen Geräten. Ich bin kein Experte, aber so ganz richtig fühlt sich das nicht an. Ich gebe nicht auf, messe und teste weiter. Inzwischen kenne ich die Funktion und jeweilige Position der fünf Pins in den Steckern… 2x Strom, 2x Daten sowie Erde. Der große Plotter hat Durchgang zwischen Datenleitung und Erde. Nicht gut.

Ein kleiner Plotter aus dem Cockpit scheint ok. Ich hole ihn runter, nehme erneut mehr und mehr Geräte vom Bus bis nur noch Plotter und Stromzufuhr bleiben. „Bus – Off“ bleibt allerdings auch. Am NMEA-Bus selbst scheint es nicht zu liegen. Der Widerstand zwischen den Datenleitungen liegt zwischen 50 und 60 Ohm. So soll es sein. Entweder übersehe ich irgendeine Kleinigkeit oder es hat doch zumindest den Großteil der Geräte dahingerafft. Meine Hoffnung schwindet.

Zu guter Letzt bleibt unsere Kurzwellenanlage. Auch hier bringen meine Tests keine guten Nachrichten. Strom kommt im großen schwarzen Kasten in der Navi-Ecke zwar an, aber der Versuch einer Inbetriebnahme wird von einem still schweigenden Endgerät quittiert. Genau wie beim kleinen Kurzwellenbruder bleibt die Technik dunkel und stumm.

Zusammenfassend hat es uns also wohl doch ziemlich übel erwischt. Wir haben zwar die Plotter als stand-alone Geräte, mit deren eingebauten GPS und Seekarten wir navigieren können. Aber sonst?

  • Keine Information über Windrichtung und -stärke (Backup: Handwindmessgerät)
  • Keine Tiefe (Backup: Handtiefenmesser)
  • Kein Kurs/Geschwindigkeit durchs Wasser (via internem GPS immerhin über Grund)
  • Kein Funk… weder UKW (Backup: Handfunkgerät) noch Kurzwelle (Backup: Satellitentelefon)
  • Kein AIS
  • Kein Radar
  • Kein Autopilot
  • Kein Landstromanschluss und kein Inverter (für 220V)

Letztlich wirft uns unsere neuste Erfahrung also in eine seglerische Epoche, in der die elektronische Navigation noch in den Kinderschuhen steckte. Sozusagen „back to basics“. Sicher sind Menschen in früheren Zeiten so um die Welt gesegelt. Trotzdem ist das für unsere kleine Familiencrew keine realistische Option. Wir sind froh, sicher in Cartagena angekommen zu sein. Nun heißt es, unsere angeschlagene Samai wieder auf Vordermann zu bringen. Wir bleiben optimistisch… wird schon!

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