Blitzschlag!

Ja, ich habe an dieser Stelle schon mehr als einmal über beeindruckendes Wetterleuchten sowie Blitze in tropischer Regenzeit berichtet. Aber in dieser Nacht hat der nordische Gewitter- und Donnergott Thor mal so richtig die Muskeln spielen lassen. Obwohl… so sehr eigentlich auch wieder nicht. Wir hatten schon ganz andere Nächte. Mehr Blitze. Mehr Donner. Aber da waren wir nur Zuschauer. Heute sind wir Hauptdarsteller.

Wie schon so oft in den letzten Wochen, ja fast schon Monaten, begleitet uns Wetterleuchten durch die Nacht. Doch dabei bleibt es leider nicht. Gegen Mitternacht wird es heftiger. Nicht nur die Wolken leuchten. Immer wieder sehen wir Entladungen bis ins Wasser. Schließlich zieht eine der Zellen über uns. Ein Ausweichen ist nicht möglich. Trotzdem fahren wir optimistisch in die nun noch etwas dunklere Nacht. Bisher sind wir immer problemlos davon gekommen. Doch immer häufiger flackert die Umgebung sekundenlang auf. Ehrfürchtig erlebe ich im Cockpit das Schauspiel.

Plötzlich ist es gleißend hell. Reflexartig schließe ich die Augen. Zeitgleich zerreißt es die Luft und fast auch meine Ohren. Ich zucke erschrocken zusammen. Ein leicht verbranntes, so noch nie gerochenes Aroma steigt mir in die Nase. Dieser Blitz ist dichter als nah, die Mastspitze keine 20m über mir. Volltreffer! Blitzschlag!!!

Ich stürze zum Steuerrad. Das leichtgängige Ruder bestätigt, dass sich der Autopilot verabschiedet hat. Unter Deck stürzt La Skipper aus dem Bett und fragt, ob alles in Ordnung sei. „Ja, alles gut bei mir.“ – „Die Batterieanzeige ist schwarz.“ – „Mach die Hauptsicherungen aus!“ – „Die drei roten Schalter?“ – „Ja!“ Mit einer gewissen Erleichterung sehe ich, wie unter Deck kurz Licht angeht. Ok, kein Totalausfall. La Skipper findet die Sicherungen. Das Schiff hüllt sich in Dunkelheit. Um uns herum flackert es weiter im Sekundentakt. Es hilft nichts. Weiter geradeaus!

Nach einer Weile, inzwischen hat es sich etwas beruhigt, schalten wir die Hauptsicherung wieder an. Der Plotter läuft. Das ist gut. Er zeigt keinerlei Daten von anderen Instrumenten. Das ist schlecht. Ein Blick in die Bilge. Trocken. Gut. Die Kinder schlafen seelenruhig im Vorschiff. Unglaublich, aber wahr.

La Skipper sitzt inzwischen bei mir oben im Cockpit. Durchatmen. Situation realisieren. Wortlos schauen wir uns an. Es hat uns tatsächlich erwischt. Die Minuten vergehen. An Schlaf ist momentan ohnehin nicht zu denken. Was nun? Wie geht es unserer Samai? Was bedeutet das für die Zukunft? Zumindest wird uns damit eine eigentlich schon getroffene, dann aber wieder lange gewälzte Entscheidung endgültig abgenommen. In dieser Situation ist an einen langen Schlag bis zu den ABC-Inseln auch nicht nur ansatzweise zu denken. Thor hat eine klare Meinung. Wir laufen als Nothafen Cartagena an. Kolumbien, wir kommen!

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