„Wollt ihr das wirklich machen?“ Die Frage hören wir mehr als einmal, wenn es um das Thema „Autofahren in Ecuador“ geht. Manch einer mietet sich hier lieber ein Fahrzeug komplett mit Fahrer. Für uns ist das keine echte Option. Ich habe mal Autofahren gelernt und setze dieses nun schon jahrelang in die Praxis um. In Berlin. Das soll jetzt nicht eingebildet klingen, aber unser heimischer Stadtverkehr ist eine gute Schule. Selbstredend gibt es immer Orte in der Welt, wo es noch ganz anders zugeht. Kairo oder jede beliebige indische Großstadt sind Pflaster, auf denen auch ich intensiv über Alternativen nachdenken würde. Aber Ecuador? Nicht wirklich.
Sehr schnell merken wir dann auch, dass der uns gegenüber geäußerte Ruf ecuadorianischer Autofahrer nicht wirklich gerechtfertigt ist. Rücksichtslos fahre man hier. Kann ich eigentlich nicht bestätigen. Natürlich kommt hin und wieder mal ein Auto von hinten angerast. Besonders, wenn man selbst gerade hinter einem LKW festhängt. Das ist aber rein gar nichts gegen einen aufgemotzten BWM auf der südlichen A9, der einem lichthupend im Kofferraum parkt… nur weil man es wagt, sich zum Überholen mit 180 Sachen kurz auf die linken Spur zu trauen.
Wenn wir schon bei Licht- und Schallsignalen sind. In Ecuador ist der Einsatz der Hupe regelmäßige Praxis. Allerdings wird damit normalerweise nicht über das subjektiv unverschämte Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer gemeckert. Hier macht man bei einem beginnenden Überholvorgang mit der Hupe auf sich aufmerksam um einem potentiellen Unfallrisiko vorzubeugen. Oder man hupt einfach einem Bekannten am Straßenrand zu, wobei in diesem Fall auch mit einhergehender Geschwindigkeitsverringerung zu rechnen ist. Der Blinker kommt dagegen eher selten zum Einsatz. Zum Abbiegen schon mal so gut wie gar nicht. Stattdessen zeigt ein langsamer fahrender Wagen damit gerne an, dass es voraus frei ist, einem Überholen also nichts im Wege steht. Im Gegensatz zu Deutschland, wo in diesem (sehr seltenen ;-) Fall der Blinker nach rechts zum Straßenrand gesetzt wird (Motto: „Ich halte mich rechts, du kannst vorbei.“), blinkt es hier allerdings nach links auf (Motto: „Du kannst links vorbei, es ist frei.“). Eine Verwechslung mit „Ich möchte links abbiegen!“ ist aus genannten Gründen eher unwahrscheinlich.
Mit Geschwindigkeitsbegrenzungen hält man es hier erwartungsgemäß nicht so genau. Im Zweifel wird gefahren, was die Kombination aus Auto, Straße und vorausfahrendem Verkehr hergibt. Geschwindigkeitskontrollen haben wir nicht gesehen. Dafür gibt es an neuralgischen Stellen, gerne auch mal Mitten auf einer Durchgangsstraße, die von den Ecuadorianern liebevoll „schlafender Polizist“ genannte Erinnerung an eine angepasste Fahrweise. Wer einen solchen Huckel „verschläft“ wird kräftig durchgeschüttelt. Immerhin kündigen Schilder ihn meist rechtzeitig an.
Überhaupt der Schilderwald. Nein, so krass wie in deutschen Innenstädten, wo man vor lauter Parkverbots-, Vorfahrts-, Geschwindigkeits- und sonstiger xyz-Schilder die Straße kaum noch wahrnimmt, fokussiert sich die hiesige Auswahl auf die Straßenführung. Nahezu jede Kurve wird nicht nur vorab angekündigt, sondern zusätzlich von großen, ebenfalls schwarz-gelben Schilden umrahmt. Der Hersteller dieser Schilder hat sich garantiert eine gold-gelbe Nase verdient (… und wahrscheinlich auch die richtigen, dafür notwendigen Kontakte zu einschlägigen Entscheidungsträgern ;-)

Ein gerade zur Regenzeit wichtiges Schild ist die Warnung vor Steinschlag. Dagegen ist im Fall eines Erdrutsches das Resultat nicht nur von gegebenenfalls ausdauernder Präsenz, sondern ohne jede beschilderte Vorwarnung nur eher provisorisch gekennzeichnet.


Ein anderes Phänomen sind Straßenverkäufer. An nahezu jeder Ampel laufen sie bei Rotlicht die wartenden Fahrzeuge ab und bieten von Getränken über Snacks bis hin zu kleinen Alltagsgegenständen ihre Waren feil. Auch bei „schlafenden Polizisten“ stehen sie oft in der Mitte und halten den langsam fahrenden Autos kalte Getränke entgegen. Besonders dreist war eine Stelle auf dem Weg zum Regenwald. Am Rand saß ein Mann unter seinem großen Sonnenschirm und hielt das Ende eines quer über die Straße gespannten Seils in die Höhe. Jeder sollte anhalten müssen, um die in der Straßenmitte dargebotenen Waren seiner Mitarbeiter einer ausführlichen Würdigung zu unterziehen. Erst dann wurde das Seil gesenkt. Unser Fahrer nutzte den großen Parkplatz neben der Straße für eine zügige Umfahrung.


Nicht immer leicht zu umfahren sind die insbesondere in ländlichen Gegenden immer wieder in Straßennähe umher streunenden Hunde. Mit teils stoischer Ruhe stehen sie mehr oder weniger am Rand und schauen auf die dicht vorbeifahrenden Autos. Ganz offensichtlich lohnt es sich. Immer wieder sehen wir den Wagen vor uns langsamer werden und irgendwas aus dem Fenster werfen. Daran sollte man sich hier ebenso schnell gewöhnen, wie die verschiedenen, an anderer Stelle schon gezeigten, tierischen Verkehrsteilnehmer. Manchmal liegt nur eine Kuh herum. Oft sind Esel oder Schafe dicht am Rand angebunden und kümmern sich um das gesunde Straßengrün. Nicht immer ist die Leine ausreichend kurz für eine störungsfreie Passage. Man muss im Grunde immer mit allem rechnen.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den fast allgegenwärtigen Motorradfahrern. Sie fügen sich nahtlos in das ecuadorianische Verkehrsgeschehen ein. Alleinfahrer mit Helm sieht man meist nur von hinten. Überholen trotz Gegenverkehr? Kein Problem, der Platz wird da sein. Manchmal sieht man aber auch Zweiräder mit halben Familien darauf. Wobei es da mit der Helmpflicht auch nicht immer so genau genommen wird.


Das passt zu einer gewissen fatalistischen Grundeinstellung. Es wird schon nichts passieren und wenn doch, dann soll es so sein. Dementsprechend sind selbst Sicherheitsgurte oft nicht mehr als mehr oder weniger ästhetische Accessoires und dementsprechend ist die Anzahl mitfahrender Personen auch nicht zwingend durch die Anzahl Sitze begrenzt.


Damit einher geht aber auch der Blick für den anderen Verkehrsteilnehmer. Hier geht es nicht um den vielen Deutschen auf der Straße so eigenen „Erziehungsansatz“. Es geht eher um ein Miteinander und die Unversehrtheit am Ziel. Insofern herrscht bei aller „ambitionierten Fahrweise“ doch eine erstaunliche Rücksichtnahme, die zumindest für uns das Fahren in Ecuador zu einer recht entspannten Sache werden lässt.