6. Mai 2022
Hier in Kourou befindet sich der europäische Weltraumbahnhof. Und wir hatten so sehr darauf gehofft, einen Raketenstart mitzuerleben. Tatsächlich stand für den April lange Zeit eine Ariane 5 auf dem Plan. Doch dann die Ernüchterung. Verschoben auf den 22. Juni. Das ist zu spät für uns. So fallen wir also genau in ein ausgesprochen langes Loch von Nicht-Starts in Kourou. Das soll jedoch nicht von einem Besuch abhalten. Täglich werden zwei Touren angeboten. Kostenfrei und auf französisch. Man muss jedoch mindestens zwei Tage vorher reservieren.



Jupiter-Kontrollzentrum
Die Tour beginnt im Jupiter-Kontrollzentrum. Der Herzstück eines jeden Raketenstarts. Hier flimmern die Monitore und sitzen alle Chefinnen und Chefs. Die Kunden der Nutzlast zahlen gut 20 Mio. Euro pro Tonne und bekommen dafür auch Plätze in der ersten Reihe. Hin und wieder haben auch Besucher das Glück, dass ihr Antrag bewilligt wurde, einen Start im Kontrollzentrum zu erleben. Und jetzt sitzen wir hier. Die Monitore sind schwarz, die anderen Sitze verwaist. Trotzdem ist es schon irgendwie toll, das mal live und in Farbe zu sehen.



Die nette Dame erzählt uns (natürlich auf französisch) viel über die verschiedenen Raketen, die von Kourou aus starten. Vor allem ist das natürlich schon seit 1996 die Ariane 5 (780t). Seit 2020 auch die Nachfolgerin Ariane 6. Deren Hauptvorteil sind ihre zwei Versionen A62 (500t) und A64 (800t) für unterschiedliche Nutzlasten sowie eine signifikante Kostenersparnis. Die Tonne kostet damit „nur“ noch ca. 12 Mio. Euro.

Ebenso startet hier seit 2012 die kleine italienische Vega-Rakete (137t) und im Juni hat die etwas größere Weiterentwicklung Vega-C hier ihren Jungfernstart.
Ansonsten startete hier seit 2011 bis vor kurzem noch die Soyuz-Rakete (308t) im internationalen Einsatz (insbesondere zur ISS). Doch im Zuge der aktuellen Ereignisse hat die russische Raumfahrtagentur Roscosmos die jahrzehntelange erfolgreiche Zusammenarbeit beendet.
Rundfahrt über das Gelände
Das gesamte Gelände des Raumfahrtzentrums umfasst 690km2. Zum Vergleich umfasst das gesamte Stadtgebiet von Berlin immerhin 892km2 und das von Paris, das hier bevorzugt zum Vergleich herangezogen wird, gerade einmal 105km2… natürlich ohne Metropolregion. Da freut man sich, wenn man nicht zu Fuß über das Gelände geführt wird.
Der Bus ist nicht sehr voll. Es herrscht Maskenpflicht. So machen wir uns entlang der ehemaligen, nun privatisierten „Route National 1“ auf den Weg. Als erstes passieren wir das Kontrollzentrum von Galileo, dem europäischen Pendant zum US-amerikanischen GPS. Auf der anderen Seite liegt der „Payload Preparation Complex“. Hier wird die per Flugzeug angelieferte Nutzlast geprüft und für den Start vorbereitet.

Die Wetterstation hat eine besondere Bedeutung. Sie muss jeden Start freigeben. Dabei ist ein tropischer Regenschauer unbedenklich. Problematisch sind Blitzschlag und zu starker Wind. Beides kann zu einer Verschiebung oder gar dem Abbruch eines Starts führen.

Nun kommen wir zum Herzstück unserer Tour, dem Startbereich der Ariane 5. Im „Launcher Integration Building“ werden die per Schiff angelieferten Raketenteile zusammengeführt. Lediglich die zwei seitlichen Booster und deren jeweils ca. 240t Festtreibstoff sowie der Flüssigtreibstoff (Sauer- und Wasserstoff) für Haupt- und Oberstufe werden direkt vor Ort in Kourou hergestellt. Im benachbarten „Final Assembly Building“ werden Rakete und Nutzlast zusammengeführt und letzte Tests durchgeführt. Dann geht das Gesamtpaket auf Schienen zu ihrem Startplatz.


Diesen Startplatz der Ariane 5 bekommen wir aus nächster Nähe zu sehen. Wir halten direkt zwischen dem Turm für die Treibstoffversorgung und den Gruben, in die Haupttriebwerk und Booster ihre Kraft brennen um seitlich abgeleitet zu werde.


Interessant ist auch der Wasserturm. Über eine kleinwagengroße Pipeline wird beim Start Wasser gepumpt und von oben auf die startenden Triebwerke gespritzt. Das verringert den Startlärm von über 190 auf unter 100 Dezibel.
Die vier großen Masten dienen schließlich dem Blitzschutz. Damit steht die Rakete an Ihrem Startplatz in einer Art Faradayschen Käfig.

Nicht weit entfernt sehen wir den Startplatz der Vega-Rakete. Diese wird im Gegensatz zur Ariane 5 direkt am Startplatz stehend zusammengebaut. Eine mobile Halle, die vor dem Start einfach zur Seite geschoben wird, bietet Schutz und notwendige Reinheit.

Ähnlich geht man bei der Ariane 6 vor. Die Rakete wird zunächst liegend zusammengebaut. Allein das bringt Kostenersparnis, z.B. durch eine effizientere Kühlung als bei einer hohen Halle. Dann wird sie ebenfalls direkt auf ihrem Startplatz aufgerichtet und dort fertiggestellt. Auch hier weicht die Halle vor dem Start einfach zur Seite.

Insgesamt ist man stolz darauf, mit entsprechenden Untersuchungen gezeigt zu haben, dass die Auswirkungen eines Raketenstarts auf die Umwelt nur im Umkreis von 1km signifikant sind. Auch dadurch ist das große, zu 70% unberührte Gelände ein Gebiet mit hoher Biodiversität.
Musee de L’Espace
Im Anschluss besuchen wir noch das kleine Museum. Viele bunte Tafeln bieten Information, die teilweise sogar mal nicht nur in französisch dargeboten werden. Einige Ausstellungsstücke zu Antrieben, Satelliten etc. runden das Bild der ständigen Ausstellung ab. Die temporäre Ausstellung zeigt aktuell eine anscheinend deutsch-französische Kooperation mit dem Schwerpunkt (See-)Wetter. Nichts Neues für erfahrene Segler ;-)









Insgesamt sind wir etwas zwiegespalten. Zwar teilen wir nicht die oft negativen Kommentare, dass man auf der Tour so überhaupt nichts zu sehen bekommt. Aber richtig viel ist es nun auch wieder nicht. Das ist natürlich dem sensiblen Geschäftsbereich geschuldet. Wenn gerade die Vega-C für ihren Jungfernflug vorbereitet wird, dann möchte man in deren Nähe verständlicherweise keine Touristen haben. Ein anderer Kritikpunkt ist die französische Fokussierung. Zwar haben wir letztlich doch erstaunlich viel verstanden und die Dame war auch so nett, uns beim Fotostopp die wesentlichen Punkte auf englisch zu wiederholen. Trotzdem wären die angedachten, multilingualen Audioguides ein echter Gewinn. Ein uneingeschränkt tolles Erlebnis war dagegen der Besuch des Kontrollzentrums. Insgesamt also ein absolut lohnender Ausflug in die Welt der Raumfahrt.