Sonntag, 5. Juni 2022 – Endspurt mit Vogel
Heute stellt unsere offizielle Uhrenbeauftragte Maila die Bordzeit noch eine Stunde vor. Damit sind wir jetzt exakt drei Wochen nach unserem Start auf Azoren(sommer)zeit (UTC) angekommen. Auf in den Endspurt!
An dieser Stelle muss es jetzt mal klar und deutlich ausgeschrieben werden: Wir sind ganz offensichtlich ziemlich miserable Segler! Der Wind weht mit 3-4 Bft. von hinten. Da könnten wir durchaus die Segel setzen und mit vielleicht drei Knoten dem Ziel entgegen schleichen. Bei immer noch unglaublichen 3m (Rest-)Schwell, der bei dem Wind sicher für Unruhe im Rigg sorgen würde. So macht es laut AIS jedenfalls die Moonstruck III knapp 15sm vor uns. (Erst später erfahren wir, dass dieses Boot Motorprobleme hat und in den Hafen von Horta reingeschleppt werden musste…) Wir dagegen lassen den Motor brummen und machen lieber mit 6kn Strecke.
An dieser Stelle muss es jetzt mal klar und deutlich ausgeschrieben werden: Wir sind ganz offensichtlich nicht ganz so miserable Segler! Der Wind hat zugenommen. Ok, setzen wir also doch endlich mal Segel. Es lohnt sich. Alles, was wir verlieren, sind Motorlärm und Dieselverbrauch. Nicht jedoch Geschwindigkeit. Trotzdem sollte der 14m-Segler vor uns nun wieder Abstand gewinnen. Länge läuft! Zu unserem großen Erstaunen sind wir jedoch diejenigen, die aufholen. Langsam aber beständig kommen wir näher. Ja, ich weiß natürlich noch sehr gut, was ich zu „zwei Segelboote = eine Regatta“ geschrieben habe. Davon weiche ich auch nicht ab. Wir segeln hier keine Regatta, sondern drücken lediglich unsere Verwunderung aus.
Gegen 16 Uhr schlägt unsere Angel an. Samuel ist ohnehin schon am Heck und sieht als Erster, was wir uns da eingefangen haben: einen neugierigen Sepiasturmtaucher! So ein Mist. Normalerweise können sich Vögel recht schnell selbst vom Haken lassen. Dieser hier nicht. Vorsichtig holt Samuel die Angel ein. Mit einem aufgeregt flatternden Vogel daran. Beim Näherkommen wird auch schnell klar, dass nicht der Haken das Problem ist. Der Arme hat sich in der Leine verheddert, deren Abschneiden damit keine Option ist. Das würde der Vogel nicht lange überleben! Also holt Samuel weiter die Angel ein, während sich der Skipper ein paar Arbeitshandschuhe überzieht.

Beherzt greife ich zu. Dem Sturmtaucher gefällt das gar nicht. Immer wieder schnappt er herzhaft nach meinen Fingern. Zum Glück habe ich die Handschuhe an. Sein Schnabel ist echt kräftig! Trotzdem muss der Pechvogel das Prozedere jetzt über sich ergehen lassen. Die Leine hat sich um seinen Hals, den rechten Flügel und ein Bein gelegt.


Zum Glück bekomme ich sie los. Schnell fliegt der von Maila und mir so genannte „Pechi“ über das Meer davon… bloß weg von diesem „Segelboot des Schreckens“ ;-)

Montag, 6. Juni 2022 – Willkommen auf den Azoren!
Natürlich kommen wir mal wieder nachts an. Wie oft habe ich das jetzt eigentlich schon geschrieben? Egal… Hauptsache ist: Wir sind angekommen!!!
21 Tage und 15 Stunden nachdem wir vor Kourou in Französisch Guyana den Anker hochgeholt haben, fällt er nun vor Horta auf den Azoren. Dazwischen liegen Luftlinie 2.392sm Atlantischer Ozean, die wir mit 2.890 größtenteils gesegelten Seemeilen ins Kielwasser gebracht haben. Für Landratten sind das 5.359km. Zum Vergleich: Das entspricht so in etwa der Entfernung von Berlin zum mongolischen Ürümqi oder (fast) zum pakistanischen Karatschi oder nach Djibuti oder zum äthiopischen Addis Abeba oder zum ghanaischen Accra oder zu den südlichen Kap Verden. Zurückgelegt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 10,3 km/h.
Ok, wir sind nicht die ersten und nicht die letzten, die das geschafft haben. Wahrscheinlich aber doch eine der eher wenigen Familiencrews. Wie auch immer, es fühlt sich gut an.
Willkommen auf den Azoren!
