Wie versprochen, berichten wir am Wochenende ganz aktuell von unserer gerade stattfindenden Atlantiküberquerung.
Mittwoch, 1. Juni 2022 – Direkter Kurs
Um halb eins in der Nacht ist es soweit. Bisher fahren wir unter Vollzeug (Großsegel und Fock) in nord-nordöstliche Richtung. Das ist einfach der nächst mögliche Kurs Richtung Ziel. Doch nun hat der Wind soweit auf Südwest gedreht, dass wir auf direkteren Kurs Richtung Azoren gehen können. Und da es mittlerweile mit 5 Bft. und 6er Böen bläst, nutzen wir die Gelegenheit zum Bergen der Fock. Unter Großsegel rauschen wir unserem Ziel entgegen. Luftlinie sind es nur noch ca. 750sm, immerhin fast die dreifache Strecke liegt schon im Kielwasser.
Wir kommen gut voran. Sehr gut sogar. Der Wind frischt immer mehr auf, pendelt sich bei konstant 6 Bft. (40-50 km/h) ein. Die neuen Wetterberichte versprechen, dass das so in der Art noch drei Tage lang weiter geht. Alleine die angesagten Böen von 7-8 Bft. (locker über 30kn) klingen nicht ganz so gemütlich. Aber zur Abwechslung segeln wir ja mal mit Wind von schräg-hinten. Das verringert den scheinbaren Segelwind soweit, dass wir frohgemut das volle Groß stehen lassen. Nur das Bimini klappen wir dann doch mal lieber wieder ein.

Mit dem Wind bauen sich allerdings auch die Wellen auf. Dazu kommen sie ebenfalls von schräg-hinten. Immer wieder versetzt es unser Heck, werden die Samai und wir ordentlich durchgeschaukelt. Der Autopilot leistet Schwerstarbeit und schlägt sich dabei gewohnt souverän.
Donnerstag, 2. Juni 2022 – Keine besonderen Vorkommnisse
Die Nacht verläuft ruhig. Ok, es gibt immer mal wieder Zeiten, da weht es eine Weile etwas stärker. Dann haben wir statt 6 auch mal 7 Bft. Wind von schräg-hinten. Und natürlich schaukeln uns die 2-3m hohen Wellen durch. Aber im Grunde ist es eine sehr entspannte Nacht, in der der Skipper fast schon ausschlafen kann. Jetzt mal abgesehen von den über einem Dutzend Weckerklingeln, die mich für den regelmäßigen Umgebungs-Check rausholen.
Auch am Tag passiert nicht viel. Morgens stellen wir die Uhr eine weitere Stunde vor (UTC-1) und sind jetzt nur noch 3 Stunden hinter mitteleuropaeischer Sommerzeit (UTC+2). Ansonsten segelt die Samai weiterhin mit dem unangetasteten Großsegel bei einem wahrend Windwinkel von 140° vor 6(7) Bft. und ist weiterhin ziemlich schnell. La Skipper geht es nicht perfekt, aber auch nicht sooo schlecht. Die Kinder machen Schule. Bordalltag. Abends gönnen wir uns Dosensuppe.
Freitag, 3. Juni 2022 – Schmuddelwetter, steifer Wind und Gasalarm
Die Nacht verläuft ruhig. So im Großen und Ganzen. Erstmals seit Kolumbien sehen wir mal wieder Wetterleuchten ( der euphemistische Begriff für Blitze in den Wolken). Kurz nach eins zieht eine Regenzelle durch. Der Wind dreht um 50° und geht auf knapp 30kn. Es schüttet und leuchtet. Einmal leuchtet es besonders hell. Definitiv ein echter Blitz, der die Wolken verlassen hat. Einige Sekunden später donnert es nicht, nein es knallt förmlich. Damit ist die Show aber dankenswerterweise auch schon wieder vorbei. Nach knapp einer halben Stunde hat sich der Wind dann praktisch halbiert. Nach einer Stunde ist alles wie vorher. Als wäre nie etwas gewesen. Diese Zellen sind schon lustig. Kurz nach sieben Uhr in der Früh wiederholt sich das Spiel nochmal. Glücklicherweise ohne Blitz.
Der Morgen empfängt uns grau in grau, feucht und kühl. So richtig, leidlich schönes Herbst-Schmuddelwetter. Ihh-Bäh!!! Der Wind lässt etwas nach. Wir sind nur noch bei guten 5 Bft. und es fühlt sich fast schon an wie Flaute. Ich luve etwas an (steuere also höher zum Wind hin) um den Kurs zu den Azoren besser zu treffen. Zumindest vorerst. Am Nachmittag soll es laut aktuellem Wetterbericht nochmal auffrischen. Wir erwarten konstante 6 Bft. mit 7-8er Böen in den Mittdreißigern. Da werden wir dann sicher wieder abfallen (also vom Wind weg steuern).
Gegen halb vier verkleinern wir das Großsegel dann doch mal lieber ins erste Reff. Der laut beschreibender Skala nunmehr steife Wind hat sich bei beständigen 7 Bft. eingependelt. Nur noch selten geht er runter auf 6 (starker Wind), dafür aber immer wieder auch mal hoch auf 8 (stürmischer Wind) teils mehr als 35kn. Wir rauschen über Wellenberg und -tal. Immer wieder versetzt uns eine Welle schaukelnd umher. Was kann man in so einem Moment eigentlich gar nicht gebrauchten? Genau einen Gasalarm.
Das hält unsere Gassensoren allerdings nicht davon ab, eben solchen Alarm zu schlagen. Irgendwo wittern sie, was eigentlich in eine passende Flasche oder als Flammenspender in den Herd gehört. Wohl oder übel geht es auf Spurensuche. Als erstes schnuppern wir in der Nähe der Sensoren. Unter dem Herd ist nichts auffällig. Im Heck (jenseits der Wand am Fußende der Achterkabine) riecht es dagegen schon etwas komisch. Nein, es ist nicht der uns eigentlich gut bekannte Geruch von Propangas. Trotzdem komisch. Dann öffnen wir die Tür zum Technikraum (aka Weinkammer ;-). Das komische Aroma kommt uns wie eine Wolke entgegen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass wir aufgrund des Wetters zum ersten Mal seit Langem das kleine Fenster des Technikraums geschlossen haben. Das wird umgehend wieder geändert. Hier muss frische Luft rein!
Schnell haben wir unsere Notersatzgasflasche aus Chile in Verdacht. Diese liegt original verschlossen unter der großen Heckklappe an Steuerbord. Da muss der Skipper dann jetzt wohl mal ran bei etwa 3m hohen, von schräg-hinten anrollenden Wellen! Mit Rettungsweste und Sicherheitsleine gehe ich auf die kleine Heckplattform. Immer wieder spült der Atlantik über meine Füße. Die sind dann wohl sauber. Kurze Zeit später ist die knall-orange Flasche aus Chile draußen im Cockpit verzurrt. Hier kann sie gerne ausgasen.
Zur Sicherheit wechsle ich nochmal die Seite und schnuppere mich durch unsere unter der anderen Heckklappe verborgene Gasbox. Hier ist alles unauffälllig. Sehr gut! Also die Sachen wieder verstaut und Klappe zu. Fertig!…?



In den nächsten Minuten geht der Alarm noch einige wenige Male kurz los. Kein Wunder, schließlich riecht es im Technikraum immer noch alles andere als frisch. Doch das offene Fenster hilf ebenso wie der steife Wind im Cockpit. Allmählich verschwinden Aroma und Alarme.
Später backe ich ein schönes, großes Brot. Frisch aus dem Ofen mit Butter, einer Fischkonserve, Marmelade, Nutella und / oder anderen Leckereien nach Wahl und Vorrat ist das eine tolle Hauptmahlzeit, welche wir in Patagonien für uns entdeckt haben. Gleich ist es fertig. Aber warum geht der Ofen aus? Hmm die Herdplatte will auch nicht mehr brennen. Da ist dann wohl die Gasflasche leer. Na das nenne ich mal Timing. Für heute reicht es mir aber damit, am Heck rumzuturnen. Morgen soll sich der Wind abschwächen. Solange muss der Wechsel warten. Zumal das Brot schon durchgebacken ist. Guten Appetit! :-)
Der steife Wind um die 30kn hält sich die ganze Nacht. Wir segeln weiterhin mit einem Winkel von 140° dazu. Das verringert den scheinbaren Wind auf 5-6 Bft. Damit lässt sich gut umgehen. Zumal uns die angesagten Böen von bis zu 39kn erspart bleiben. Als angenehmer Nebeneffekt sind wir selbst nur mit Groß im ersten Reff flott unterwegs und fressen uns Meile um Meile näher an die Azoren ran.
Samstag, 4. Juni 2022 – Wind weg
Gegen 6 Uhr hat der Spaß ein Ende. Innerhalb von Minuten geht der Wind von 7 auf 4 Bft. und dreht gut 60° auf West. Damit segeln wir noch weniger auf Kurs. Dazu kommt die alte Welle nun von der Seite. Nicht schön, und der ob des Geschaukel heute ohnehin eher mauen Konstitution von La Skipper alles andere als zuträglich. Es muss etwas geschehen.

Erwähnte ich schon, dass es regnet? Ölzeug-Jacke übergeworfen und raus, Großsegel ausreffen und den Wind auf die andere Seite genommen. Immer noch kein direkter Kurs, aber zumindest etwas besser und die Welle kommt nicht mehr so seitlich. Und wenn ich schon mal draußen bin, gönne ich mir gleich auch noch ein Fußbad Gasflaschenwechsel. Zugegebenermaßen ist mein Wunsch nach einem Kaffee hier die treibende Kraft. La Skipper bekommt einen Tee, nimmt eine Vomex und gleitet sanft in den Segelmodus. Und um kurz vor 11 Uhr kommt dann auch mal unser Sohn aus seiner Koje gekrochen Teenager! ;-)

Schon um 9 Uhr hat der Wind soweit abgenommen, dass der Schwell den Baum ohne Druck im Segel immer wieder hin- und herwirft. Das ist eine ziemliche Belastung für das Rigg. Zeit das Großsegel einzuholen und den Motor anzuwerfen. Unglaublich, Da rauschen wir bei 7 Bft. durch die ganze Nacht und nun das. Was für ein Kontrast! Aber es ist nun mal, wie es ist. Das betrifft leider auch unseren reichlich geleerten Dieseltank. Doch wir haben ja noch einige volle Kanister mit fast 350l im Heck verstaut. Am Nachmittag hat sich der Schwell endlich etwas gelegt. Zeit zu tanken.
Zwei Dieselkanister hatte ich schon bei unserer gestrigen Gas-Aktion rausgezerrt. Nun kommen noch einmal sechs hinzu und die insgesamt gut 160l Liter landen über unseren Schüttelschlauch im Tank. Was bin ich froh, diese auf Langfahrt meines Erachtens unverzichtbare Crazy Pump in Buenos Aires fast zufällig noch gekauft zu haben. Wie auch immer, mit dem Diesel kommen wir nun locker bis zu den Azoren.

Im Laufe des Tages zeigt sich die Sonne wieder, um vom strahlend blauen Himmel zu scheinen. Was für ein Kontrast zum grau-regnerischen Morgen. Aber was ist eigentlich mit tierischen Meeresbewohnern? Abgesehen von den immer noch umher treibenden Segeln Portugiesischer Galeeren haben wir in den letzten Wochen leider nicht viel gesehen. Zwei oder dreimal waren ein paar Delfine auf kurzer Stippvisite. Dazu ein paar recht kleine Fliegende Fische. Ansonsten komplette Fehlanzeige. Und das, wo die Gewässer rund um die Azoren als Wal- und Delfinparadies gelten. Na vielleicht sehen wir ja noch was. Lange Zeit haben wir allerdings nicht mehr. Es sind (Stand 23:00 Bordzeit) nur noch gut 150sm bis nach Horta. Montagfrüh sollten wir endlich ankommen.