Halbzeitgrüße von der kolumbianischen Küstenwache

Pazifik, 10. April 2021

Wie jetzt?! Ich dachte, die fahren von Ecuador direkt nach Costa Rica. Außerdem hat Kolumbien doch ohnehin die Grenzen geschlossen. Das ist alles korrekt und doch grüßen wir zur Halbzeit in dieser Nacht unserer ach so gemütlichen Überfahrt aus kolumbianischen Hoheitsgewässern. Genauer gesagt querab der kleinen, zwischen Panama-Kanal und Galapagos-Inseln gelegenen, nun mal zu Kolumbien gehörenden Isla Malpelo (04°00’N / 081°36’W).

Wir überlegen kurz, per Funk nach einer Möglichkeit zum Ankern zu fragen. Wenn es dort ruhig ist, könnten wir zu unserem Propeller runter tauchen und schauen, ob der Bewuchs wirklich so übel ist, wie er sich in Schleichfahrt anfühlt. Doch so ganz ohne Detailkarten und in Anbetracht einer bei Nacht neben uns aufragenden Felseninsel verwerfen wir den Gedanken schnell wieder. Darüber hinaus handelt es sich um ein Naturschutzgebiet. Da fahren wir mal besser wenn schon nicht schnell, so doch möglichst unauffällig weiter.

Isla Malpelo steuerbord voraus
Auf in kolumbianische Gewässer!

Kappt aber nicht. Schon einige Meilen vorher sehe ich dieses große Radarecho westlich der kleinen Isla Malpelo aufscheinen. Gleich neben unserer Route. Kein AIS. Wir kommen näher. Nichts zu sehen. Keine Positionslichter. Na das kann ja eigentlich nur eines bedeuten. Kurz vor Mitternacht, das Radarecho ist inzwischen auf weniger als eine Meile an Backbord, funkelt schließlich aus dem Nichts dicht hinter uns das fast schon erwarteten Blaulicht. Über Funk fordert uns die kolumbianische Küstenwache freundlich auf, die Maschine zu stoppen. Dann kommen sie längsseits.

Ist aber letztlich alles ganz harmlos. Es entwickelt sich ein nettes Gespräch von Boot zu Boot. Wir beantworten die üblichen Fragen nach dem Woher, Wohin, Crew-Anzahl und Heimatland. Die Kollegen gehen sicher, dass es uns gut geht und alles in Ordnung ist… nicht nur gesundheitlich, auch bezüglich fehlender (Wasser-)Vorräte oder sonstigen Probleme wird Hilfe angeboten. Parallel hält der Schiffsführer per Funk Rücksprache mit dem immer noch in Dunkel gehülltem Basisschiff. Nach nur 10 Minuten verabschieden sie sich auch schon wieder winkend von uns. Vielen Dank… alles gut… Adiós y buen viaje!

Der Tag selbst verlief ebenso entspannt. Vormittags zieht sich voraus mal ein Wolkenband quer über den Ozean. Mit kurzem Regenschauer sind wir durch und genießen den Rest der Fahrt bei Sonnenschein. Eine kleine Schwalbe stattet uns einen Besuch ab. Erst an Deck, schaut sie sich dann unser Bad und in einem weiteren Anlauf Pantry, Salon und Vorschiffskabine näher an. Um ihr kleines Angstgeschäft kümmert sich dankenswerter Weise unser großer Tierfreund Samuel.

Kleiner Besucher

Am Abend zieht sich dann das nächste Band dunkler, teils hoch aufragender Wolken einmal quer vor unseren Bug. Schon aus der Ferne sehen wir kräftige Regenzellen. Das ist nichts, wo wir freiwillig durchfahren wollen. Doch wir haben Glück. Unser Kurs führt uns durch eine Lücke tatsächlich trocken in die inzwischen angebrochene Nacht.

Der Wind hält sich in Stärke halbwegs konstant bei 3, unter den Wolken auch mal kurz 4 Bft, pendelt dafür zwischen SSW und NNW. Ersteres hilft, letzteres ist genau von vorne. Wann immer es auch nur halbwegs sinnvoll möglich ist, haben wir die Segel draußen. Trotzdem läuft zusätzlich der Motor. Der Gegenstrom ist immer noch kräftig. Also sehr kräftig. Bei unserem nächtlichen Gespräch mit der kolumbianischen Küstenwache treiben wir in knapp 10min ca. ¼ Seemeile nach Süden. Das macht also mal locker 1,5kn Gegenstrom.

Gehen Strom und Wind wie die ganze Nacht dann noch zusammen gegenan, jubeln wir schon bei kurzzeitigen 3kn über Grund. Nicht umsonst haben wir von noch keinem anderen Boot auf vergleichbarem Kurs Nachrichten über Geschwindigkeitsrekorde gelesen. Da berichtet man eher etwas von einem Etmal unter 50sm oder Abbruch Richtung Panama wegen Dieselmangel. Ersteres können wir mühevoll vermeiden, letzteres ist zum Glück nicht unser Problem… und irgendwann wollen wir ja auch mal ankommen. Unsere aktuellen Schätzung liegen inzwischen bei Mittwoch. Mal sehen, ob wir das schaffen.

Wir haben jedenfalls ausreichend Zeit, das Meer zu genießen, Schule zu machen, beim Schreiben der Blogbeiträge aufzuholen (ja, es geht mit unserer Rundreise noch weiter!) oder auch einfach mal augenschonend das Boot abzuwohnen… ich glaube La Skipper nennt das „Segelmodus“ ;-)

Von Lichtern im Wasser

Pazifik, Anfang April 2021

Wer schon einmal nachts über das weite Meer gesegelt ist, wird sich bei diesem Artikel sicher fürchterlich langweilen. Nichts als altbekannte, langweilige Dinge. Andere mögen dagegen vielleicht ebenso überrascht sein, wie ich es einst bei meinen ersten Nachtschlägen auf dem offenen Ozean war. Und selbst oft gesehen, werden sie in der Realität gar nicht so schnell langweilig: Lichter im Wasser.

Eigentlich ist der Ozean ein perfekter Ort für Dunkelheit. Wenn man nicht gerade im Lampenmeer eines Kreuzfahrtschiffes unterwegs ist und am Besten die Lichtschalter des Bootes in eigener Verantwortung hat, gibt es gerade bei Neumond kaum einen besseren Platz, um den Sternenhimmel zu betrachten. Deutlich zieht sich das Band der Milchstraße quer über das Firmament, die Planeten leuchten auf ihrer Ekliptik und manchmal hat man ob der vielen Lichtpunkte sogar Probleme ein gesuchtes Sternzeichen sicher auszumachen. Zum Glück gibt es da viele helfende Apps…

Doch eigentlich möchte ich ja von den Lichtern im Wasser erzählen, denn auch der Ozean ist nachts alles andere als pechschwarz. Zunächst sind da diese kleinen, einzeln gar nicht erkennbaren, biolumineszierenden Organismen, die bei Bewegung kleine Lichtpunkte aussenden. Und so ein Boot im Wasser sorgt für Bewegung. Hinter dem Heck ziehen wir also eine breite Leuchtspur hinter uns her. Deutlich ist an den zwei helleren Streifen zu erkennen, dass wir ein Doppelruder haben. Als wäre das nicht genug, leuchten dann noch immer mal wieder größere Flecken hell auf. So wie kurz eingeschaltete Lampen. Leuchtquallen? So manche Nacht habe nicht nur ich schon hinten gesessen und unserer Spur verträumt hinterher geschaut. Gerade unsere Jüngste ist mindestens ebenso begeistert.

Und es gibt noch mehr Bewegung auf dem Wasser. Natürlich macht so ein Boot eine Bugwelle, die in der Nacht fluoreszierend schimmert. Endgültig surreal wird es jedoch, wenn bei etwas mehr Wind die leuchtenden Schaumkronen der Wellen auch in der Ferne gut erkennbar über das Wasser tanzen…

Dann gibt es noch die Bewegungen IM Wasser. Ein leider eher seltenes, dann aber beeindruckendes Erlebnis sind Delfine bei Nacht. Die Tiere selbst erkennt man dabei kaum bis gar nicht. Wohl aber die torpedoartigen Leuchtstreifen, welche sie durch das Wasser ziehen. Besonders glücklich kann sich schätzen, wer Delfine nachts bei der Jagd auf kleine, von der Bugwelle aufgeschreckte Beute beobachten kann. Dafür lohnt es sich sogar, extra aufzustehen.

Solche kleine Meeresbewohner bieten auch einen unvergesslichen Anblick, wenn man nachts mit einer starken Lampe über das ruhige Wasser leuchtet. Überall schwimmen, zucken und springen kleine, orange reflektierende Lichtpunkte umher. In der Nähe erkennt man sogar die Augen der kleinen Tierchen. Doch streift der Blick in die Ferne, scheint es fast so, als ob der Ozean selbst lebt.

Schließlich erspäht man hin und wieder auch einfach nur eine etwas größere, schwach leuchtende Fläche im Meer. Gerade vorletzte Nacht sind wir durch eine solche gefahren. Unscharfe, immer in Bewegung scheinende Ränder lassen es wie eine einzelne große Amöbe erscheinen. Und doch ist es wohl eher ein Fischschwarm, der für das diffuse Licht sorgt. Oder vielleicht doch ein Wal? Wir wissen es nicht genau. Doch es hält uns natürlich nicht davon ab, dieses nur anfangs überraschende, später zwar gewohnte, aber stets faszinierende Spektakel zu genießen: Lichter im Wasser.