Durch den Panamakanal

19. Juni 2021

Boah ist das früh! Nach knapp vier Stunden leidlichem Schlaf pellt sich die Crew von der Matratze. Bettdecken benutzen wir hier schon lange nicht mehr. Kurz vor 4 Uhr sind alle an Bord und mit insgesamt sieben Personen auf der Samai nehmen wir im Fahrwasser Kurs Nord.

Die Samai im offiziellen Kanalplan des Tages

Mit dem Bau des im Jahre 1914 eröffneten Panamakanals wurden alle Landbrücken zwischen Nord- und Südamerika abgebrochen. Heute verbinden lediglich drei Brücken die Kontinente. Zwei davon stehen auf der Pazifikseite. Als ersten unterqueren wir die 1962 in Betrieb genommene Puente de Las Américas, auf der nach Ende der nächtlichen Ausgangssperre allmählich der Verkehr zu Rollen beginnt. Wir fahren entspannt durch den großen Industriehafen „Puerto de Balboa“ zur ersten Schleuse. Für die meisten Segler ist die Esclusa Miraflores das ersehnte Tor zum Pazifik. Für uns ist es dagegen der definitive Schritt zurück Richtung Europa. Perspektivenwechsel.

Esclusa Miraflores voraus
Blick zurück auf die Puente de Las Americas

Um halb sechs geht es los. Die Tore stehen offen und wir fahren hinter dem Chemietanker „Navig8 Goal“ (sic!) in die erste der insgesamt sechs Schleusen, die heute auf dem Programm stehen. Noch wissen wir nicht, wie genau wir geschleust werden. Es gibt grundsätzlich vier Optionen:

  • Längsseits an der Wand: Das sollte man eigentlich nicht machen. Die Wände sind rau, das Wasser steigt/fällt schnell und es gibt starke Wirbel. All das macht diese Option wenig komfortabel.
  • Längsseits an einem Schlepper: Hierbei handelt es sich dagegen um die bequemste Variante. Zwei Leinen und eine kurz Spring halten das Boot am privaten Schwimmsteg.
  • Alleine mittig in der Schleuse: Bei dieser Option bekommt man bei der Einfahrt insgesamt vier dünne Leinen mit erstaunlich schweren „Affenfäusten“ zugeworfen. Diese Knoten sind im Grunde nichts weiter als ein Wurfgewicht, dem man jedoch tunlichst ausweichen sollte. Je nachdem wo sie aufkommen, kann das ganz schön knallen. Mit diesen dünnen Leinen werden dann die vier dicken, langen Leinen an Land gezogen und belegt. An jeder Ecke steht ein Linehandler und trägt die Verantwortung für seine Leine. Der Advisor koordiniert das Ziehen und Fieren, so dass das Boot möglichst mittig und sicher in der Schleuse steht. Der Skipper hat bei dieser Option den entspanntesten Job… zurücklehnen und zuschauen.
  • Päckchen mittig in der Schleuse: Letztlich ist es ganz ähnlich wie die letzte Option. Nur dass sich hier nicht ein Boot mit vier dicken Leinen in der Schleusenmitte hält. Stattdessen werden meist drei Boote im Paket zusammengebunden. Das in der Mitte fährt, die Seiten kümmern sich um je zwei Leinen. In der Hauptsaison die einzige Möglichkeit, ausreichend Segler durchzuschleusen. Wir machen unsere Passage jedoch alleine.

Wir haben Glück. Bei Einfahrt in die erste Schleusenkammer wartet schon ein Schlepper auf uns. Ranfahren, Leinen über und entspannen. Da es sich um eine Doppelschleuse handelt, wiederholt sich das Spiel auch bei Nummer 2 von 6. Für den Anfang ist das ganz gut so. Die Miraflores-Schleusen überwinden je nach Wasserstand eine Höhe von 13-20m. Das machen sie in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Das Wasser drückt mit aller Macht und erzeugt Wirbel.

Das Tor zum Pazifik schließt sich :-(

Als dann der große Pott vor uns den Gang einlegt, kommt so richtig Druck aufs Ruder. Dabei muss er seine 183m ja gar nicht alleine voranbringen. An der Seite kaum einen Meter Platz, wird der Tanker von vier Treidelloks gezogen.

Mit Treidelloks und etwas Schraube…
Rechts das zurzeit geschlossene Miraflores-Besucherzentrum
2 von 6 sind geschafft!

In der folgenden Esclusa de Pedro Miguel wird es dann ernst. Der Schlepper bleibt zurück. Wir fahren erst an die linke Wand und bekommen zwei Affenfäuste übergeworfen. Dann noch zwei an der rechten Wand. Eine trifft den Mast, der laut schallt. Unser Advisor ist jedoch so umsichtig, alle Geschosse auf das Vordeck werfen zu lassen. So besteht keine Gefahr für empfindliche Gerätschaften am Heck (Antennen, Windgenerator, Sprayhoodscheiben…)

Da machen lange Leinen Sinn!

Was folgt ist für die Linehandler echte Arbeit. Die schweren Leinen müssen auf dem Weg nach oben immer wieder dicht geholt werden. Wirbel versetzen das Boot. Unser Advisor Rick behält den Überblick und dirigiert ebenso meisterlich wie entspannt. Hier kommt seine ganze Erfahrung von mehr als sagenhaften 1.000 Kanaltransits auf verschiedensten Segelbooten zum Vorschein.

Der Platz des Skippers ist hinter dem Steuer…
Die Jungs am Bug haben den schwersten Job
Mit einem guten Team läuft das ganz entspannt (besonders für den Skipper ;-)

Nach gut einer Stunde, um 7:40 Uhr sind wir auf der Pazifikseite hochgeschleust. Wir unterqueren die 2004 eröffnete Puente Centenario. Vor uns liegen 25 Seemeilen entspannte Motorfahrt durch Kanal und künstlichen Gatún See. Jetzt erst einmal ein schönes Frühstück!

Unter der Puente Centenario werden wir überholt.

Am Anfang ist es fast wie auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Nur ist das Ufer nicht von Radweg, norddeutschen Häuschen und gemähtem Rasen gesäumt, sondern von Dschungel. Die Sonne scheint. Gemütlich tuckern wir mit 5-6 Knoten voran.

Dschungel säumt das Ufer

Nach einiger Zeit passieren wir Gamboa. Hier liegen Baggerschiffe und Schlepper auf Abruf. Es gibt sogar ein 5-Sterne-Hotel mit Dschungelfeeling. In Gamboa endet dann auch die Straße aus Panama City. Das Ufer wird natürlicher. Hin und wieder sieht man kleine Häuschen einer Lodge. Immer mal wieder rasen kleine Motorboote mit Menschen in Rettungswesten vorbei. Touristen, die den Reiz des Panamalkanals mit einer Dschungelfahrt kombinieren. So geht es einmal quer durch das schmale Land.

Mitten in Panama
Zeit für einen gemütlichen Plausch

Allmählich wird es breiter. Der Gatún See öffnet sich. Wir würden gerne den reizvollen Banana Channel fahren. Ein enges Fahrwasser, dass sich an die einstigen Bergspitzen schmiegt, welche nun Inseln sind. Doch leider ist er gesperrt. Dicht unter der Oberfläche treiben Baumstämme. Eine Gefahr für Rumpf und vor allem Propeller. So bleibt die Samai auf dem Hauptfahrwasser.

Den Banana Channel dürfen wir nicht nehmen

Wir kommen gut voran und erreichen die Atlantikseite deutlich vor unserem designierten Schleusenpartner. Vielleicht schaffen wir ja eine frühere Option? Doch die „Hyundai Dubai“ wartet nicht auf uns. So fahren wir nun also Kreise und essen erst einmal gemütlich Mittag.

Zwei Stunden später, kurz vor drei Uhr, geht es auch für uns endlich weiter. Wir liegen zusammen mit der „Doric“ in der ersten Kammer der Esclusas de Gatún auf Atlantikseite. Wieder haben wir das Glück, mit einem Schlepper durchzufahren. Dazu liegen wir nun vor dem Frachter. Damit bleiben uns die Verwirbelungen der Schraube erspart.

Unser Schleusenpartner runter zum Atlantik

Die dritte und letzte Schleusenkammer hat es trotzdem in sich. Kräftige Wirbel und Ströme versetzen uns teils meterweise Richtung Wand. Als wir fest sind meint Rick, dass das bei der letzten Kammer immer so sei. Mehr als hier noch auf der Pazifikseite. „Sorry, I should have told you!“. Na ist ja nichts passiert.

Oben…
… unten!
Entspannt am Schlepper
Die Treidelloks schaffen auch Steigung
Atlantik voraus!

Das letzte Tor öffnet sich und vor uns liegt die Karibik. Sehnsuchtsziel vieler Segler. Tja, nun ist also auch die Samai hier. Wir unterqueren noch die gerade erst 2019 eröffnete Puente Atlántico. Ein Pilotboot kommt ran und nimmt unseren Advisor auf. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Rick! Professionell, entspannt und immer freundlich führtest du uns durch den Kanal. Es war eine Freude, dich an Bord zu haben!

Puente Atlántico achteraus…

Weiter geht es zur Shelter Bay Marina. Für die meisten der Ausgangs-, für uns der Endpunkt des kleinen Abenteuers Panamakanal. Wir haben uns angekündigt und werden erwartet. Bei der Einfahrt gehen unsere Augen auf. Eine derartig voll gepackte Marina, so viele Segelboote auf einem Fleck haben wir nicht mehr gesehen seit… ja seit wann eigentlich? Es war wohl 2019 irgendwo in Europa. Willkommen in der Karibik?!

Professionell werden wir eingewiesen. Motor aus. Geschafft. Nun heißt es Abschied nehmen. Noch einmal vielen Dank an Rudi und Natalija. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel lieber wir mit euch, als mit „irgendwelchen pseudo-professionellen Linehandlern“ durch den Kanal gefahren sind. Es war eine Riesenfreude, euch an Bord zu haben!

Tolles Team!

Ja, wir sind in der Karibik. Schon der erste Hafen ist eine Art nicht wirklich genossener Kulturschock. Ja, es ist nett hier. Sogar mit Swimmingpool. Trotzdem fühlt es sich komisch an. Auch deswegen versuchen wir uns treu zu bleiben und die allzu ausgetrampelten Pfade zu meiden. Hoffentlich gelingt es uns…

Bürokratie in Mittelamerika: Panamakanal

Panama, Anfang Juni 2021

Viele Segler der norddeutschen Küste kennen den Nord-Ostsee-Kanal. Man spart sich den Weg rund Dänemark. Die Passage ist denkbar einfach. Man kommt vor und irgendwann auch durch die Schleuse, zahlt einen kleinen Obolus, denkt an das Nachtfahrverbot und kommt nach ca. 100km auf der anderen Seite Schleswig-Holsteins wieder raus.

Viele Blauwassersegler auf der sogenannten „Barfußroute“ kennen den Panamakanal. Man spart sich den Weg rund Südamerika. Auch wenn wir diesen nicht gescheut haben, wählen wir für den Weg vom Pazifik zurück in den Atlantik die künstliche Wasserstraße. Die Passage ist… nun ja, sagen wir mal ein klein wenig aufwändiger und nicht zuletzt teurer.

Am Anfang steht die Grundsatzfrage, ob man für die Formalitäten einen Agenten bemühen möchte. Derer gibt es viele, die offiziellen sind nach allem was wir gehört und gelesen haben durchweg zuverlässig und preislich nehmen sie sich nicht viel. Ja, man kann das alles natürlich auch in Eigenregie machen. Nicht zuletzt aufgrund eher dürftiger Kenntnisse der spanischen Sprache, anderen unerlässlichen 2DOs sowie auch einer gewissen Bequemlichkeit war das für uns jedoch keine echte Option. Auf Empfehlung der SY Thula kommen wir mit Rogelio de Hoyos (Panama Cruiser Connection) zusammen. In Personalunion ist er Trans Ocean Stützpunktleiter in Panama City. Neben all den Formalitäten für unsere Einreise ins Land, kümmert er sich auch um alle formalen und praktischen Voraussetzungen für eine Passage zwischen den Ozeanen und hilft bei allen Fragen, Problem, Besorgungen und was noch so anfällt. Danke Rogelio!

Unser guter Geist Rogelio ist immer zur Stelle!

Schiffsinspektion

Jedes Boot, inklusive kleiner Segler, bekommt vor seiner ersten Passage durch den Kanal persönlichen Besuch von einem offiziellen Inspektor. Am vereinbarten Termin wird dabei zunächst penibel die Gesamtlänge des Schiffes aufgenommen. Basis sind die Bootspapiere zuzüglich darin nicht verzeichneter Überhänge wie z.B. Dinghy oder Solarpanel. Wichtig ist dabei, möglichst unter der „magischen Grenze“ von 65 Fuß zu bleiben, doch dazu später mehr. Weiterhin werden die Ausrüstung aufgenommen, Klampen begutachtet und wertvolle Hinweise gegeben. Bei uns läuft das in einem sehr entspannten Gespräch im Cockpit ab. Zum Abschluss bekommen wir einen Zettel mit unserer „Ship Identification Number“. Diese bleibt fortan dem Schiff erhalten, so dass es bei weiteren Passagen nicht erneut inspiziert werden muss.

Linehandler

Wir dürfen die Passage nicht alleine machen. Vorgeschriebene Mindestbesatzung sind der Skipper am Ruder sowie vier sogenannte „Linehandler“. Voller Optimismus besetzen wir den zweiten Platz neben La Skipper mit Samuel, so dass uns nun nur noch zwei Personen fehlen. Natürlich könnten wir diese (kostenpflichtig) über den Agenten besorgen. Doch vorher folgen wir wiederum dem Tipp der SY Thula und schreiben die deutsche Botschaft in Panama City an. Vielleicht hat ja jemand Lust mitzukommen? In der Tat melden sich Rudi und Natalija. Sie hatten bei der letzten Anfrage keine Zeit und sind überglücklich, mit uns die Passage machen zu können. Segel- oder gar Bootserfahrung haben sie zwar nicht, aber das wird kurioserweise auch nicht verlangt. Damit sind wir vollzählig.

Diese Leinen sind zu „handlen“

Leinen und Fender

Für die Ausstattung gibt es klare Vorschriften. Es müssen mindestens sechs richtig große Fender an Bord sein. So in der Art unserer zwei (inzwischen Lieblings-)Fender „Charly und Charleen“ aus Ushuaia. Alternativ gehen auch Autoreifen. Des weiteren müssen vier mindestens 2,2cm (7/8“) dicke Leinen mit mindestens 38m (125ft) Länge dabei sein. Die hat auch nicht jeder immer an Bord. Hier hilft wiederum unser Agent Rogelio. Er bringt alles vorab zum Boot und holt es nach der Passage wieder ab.

Charly und Charleen in guter Gesellschaft

Gebühren

Nichts auf der Welt ist umsonst. Schon gar nicht die Passage durch den Panamakanal. Für Schiffe bis 19,81m (65ft. – darüber wird es teuer) fallen Stand Juni 2021 an…

  • Transit Tolls – $1.600
  • TVI Inspection – $75
  • Security Charge – $165

Das macht dann also $1.840 nur für die Passage. Dazu kommen $350 für den freiwillig genommenen Agenten. Dann ist noch eine Sicherheit von ca. 900$ zu hinterlegen, die nach erfolgreichem Transit erstattet wird. Nur Bares ist Wahres… bei Kartenzahlung kommen 1,5% Bankgebühren oben drauf. Ist aber immer noch günstiger als Barzahlung. Beim Geldabheben am Automaten mit ausländische Kreditkarten werden bei max. 250$ pro Transaktion satte 5,25$ Gebühr, mithin über 2% aufgeschlagen.

Solarpanel schützen

Man erkennt ein Segelboot, dass vom Panamakanal kommend den Hafen anläuft, meist schnell am geschützten Solarpanel. Eine der Optionen beim Schleusen beinhaltet, dass man mit einer „Affenfaust“ (einem festen Knoten) versehene Seile an Bord geworfen bekommt. Dabei ist wohl schon mehr als ein Solarpanel zu Bruch gegangen. Es ist unbedingt angeraten, den Energiespender zu schützen. Manche legen Matten drauf, auch eine Holzplatte soll helfen. Doch als Familienboot, das wir nun mal sind, gibt es eine besonders ästhetische Variante. So binden wir also zwei bunte Luftmatratzen nebst Schwimmbrett auf das schützenswerte Gut. Hoffentlich wird das nicht als Zielscheibe missverstanden.

Gut geschütztes Solarpanel

Termin

Je nach Andrang ist bei der Terminvergabe mit einer gewissen Vorlaufzeit zu rechnen. In der Hauptsaison (Jahresanfang) auf der üblichen Route (Start Atlantik) können das schon mal Wochen sein. In der Nebensaison (jetzt) auf der unüblichen Route (Start Pazifik) reichen wenige Tage. Am 15. Juni beantragt unser Agent den Transit für den 19. Juni. Die finale Bestätigung kommt am Vortag zusammen mit einem vorläufigen Termin für die frühmorgendliche Übernahme des Advisors.

Pilot vs. Advisor

Eine kurze Erklärung zu Pilot und Advisor. An gefährlichen Einfahrten, in Kanälen oder sonstigen kniffligen Stellen besteht insbesondere für die Berufsschifffahrt die Pflicht, einen Pilot an Bord zu nehmen. Dieser trägt dann die Verantwortung und übernimmt damit auch faktisch die Kommandogewalt an Bord. Das ist natürlich auch im Panamakanal so. Zumindest bei Schiffen über 65ft. Darunter, also auch bei unserer kleinen Samai, kommt ein sogenannter Advisor an Bord. Dieser steht mit wertvollem Rat und helfender Tat zur Seite. Die letzte Entscheidungsgewalt verbleibt aber beim Skipper.

Kochen

Der Advisor muss, die Leinenhandler sollten (fairer Weise) an Bord beköstigt werden. Original verschlossene Wasserflaschen sind Pflicht. Für das Essen kocht man am Besten vor. Als alter Berliner entscheide ich mich für Bouletten und Kartoffelsalat. Der Vorabend steht also im Zeichen der Pantry.

Sollte für ein paar Bouletten reichen!

Funkwache

Parallel dazu muss am Vorabend des Transits das Funkgerät auf Kanal 12 empfangsbereit sein. Darüber wird der Reihe nach allen Schiffen der folgenden Nacht vom Port Entry Coordinator (am Pazifik „Flamenco Signal“) der Zeitpunkt der Pilot-Übernahme angekündigt. Für die Samai bestätigen wir frühe 0345.

Advisor an Bord nehmen

Unsere Linehandler Rudi und Natalija schaffen es trotz nächtlicher Ausgangssperre pünktlich um 3:15 Uhr in die Marina. Halb vier verlassen wir den Hafen und treiben davor am „La Playita Anchorage“. Hier erwarten wir den Advisor. Kurz nach unserer Funkbestätigung, dass wir bereit sind, kommt das Pilotboot angebraust. Rick hüpft an Bord und verschafft sich einen Überblick. Moment mal… ein 13jähriger Linehandler? Eigentlich müsse er mindestens 15 Jahre alt sein. Doch unser kräftiger Samuel besteht die Sichtprüfung und wird akzeptiert. Damit sind wir komplett.

Los geht es durch den Panamakanal

… aber davon ein anderes Mal mehr!

So noch nicht gesehen: Zäh gepellte Würstchen

Mittelamerika, Mai/Juni 2021

Schon klar, die Pelle einer Weißwurs(ch)t kann man nicht mitessen. Pulen oder zuzeln… tertium non datur. Aber in Frankfurter, bzw. Wiener, bzw. sonstige Würstchen kann man zumindest in Deutschland beherzt reinbeißen. Hier nicht.

Erstmals fällt es uns beim Grillen auf. Die frischen Chorizo sehen lecker aus und riechen gut. Allerdings schneiden sie sich etwas zäh. Beim ersten Bissen im Mund wird auch klar warum. Diese Pelle ist ganz offensichtlich nicht zum Verzehr geeignet. „Mit Darm oder ohne Darm?“. Am Berliner Imbiss gleichbedeutend mit „Hast Du noch eigene Zähne?“, geht es hier schlicht um elementare Genießbarkeit. Und nein, eine Chorizo vom Grill kann man nicht im Guten zuzeln!

Nun gut, das haben wir gelernt und darauf achten wir jetzt. Nächstes Mal gibt es ohnehin Hot Dog Würstchen. Da haben wir zwar auch schon interessante Variationen gesehen und gekostet. Ich sage mal so… wenn die Pelle einen Werbeaufdruck ziert, ist sie mutmaßlich nicht essbar. Diese Würstchen sehen aber aus, wie zu Hause. Doch wer (bevorzugt spanisch) lesen kann, ist klar im Vorteil.

So fällt es uns erst wieder beim ersten Bissen auf, dass die Pelle nicht viel mehr ist, als eine weitere ungenießbare Hülle. Im erhitzten Zustand ist das Abpellen wenig appetitlich. Da schon lieber gleich nach Öffnen der Verpackung ans Werk gegangen.

Handarbeit

Nun ähneln sie nicht nur geschmacklich sondern insbesondere in der Konsistenz viel mehr dem, was wir schon so oft gehen haben: zart gepellte Würstchen.

Wie weiter nach Panama?

Panama City, Anfang Juni 2021

Wir haben in unserer „offiziellen Bekanntmachung“ ja schon kurz die alternativen Routen nach dem Panamakanal erwähnt. Das ist keine leichte, bzw. leicht zu nehmende Entscheidung, auf der wir dementsprechend viel herumgedacht haben.

Das Piraterie-Präventionszentrum (PPZ) der Bundespolizei bietet den für Segler kostenlosen Service, auf Anfrage eine Gefährdungsbewertung zu erstellen. Das haben wir schon einige Male wahrgenommen und folgerichtig auch für unsere Optionen nach Panama erbeten. Wie immer kam die Antwort schnell und freundlich in Form eines ausführlichen Berichtes.

Schon in der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass der ganze Bereich der Karibik mit den angrenzenden Küsten im Fokus des PPZ liegt und als erhöht gefährdet eingestuft ist. Außerdem wird auf eine mutmaßliche Dunkelziffer mit dem Faktor 10 hingewiesen. Na das fängt ja gut an.

Im betrachteten Zeitraum seit Anfang 2020 wurden für Venezuela zwar keine einschlägigen Vorfälle bekannt. Doch das liegt wohl nur daran, dass dort keine Freizeitsegler unterwegs sind. Dem werden wir uns definitiv anschließen.

Für Kolumbien und die Dominikanische Republik wurden jeweils 10 Fälle berichtet. Allerdings gab es an der kolumbianischen Pazifikküste einen sehr schweren Fall mit Todesfolge. Wohl auch deshalb wird für Segelreisen nach Kolumbien (wie auch Venezuela) keine Gefährdungsbewertung gegeben, sondern prinzipiell abgeraten.

Jamaika ist immer noch geschlossen und die (nicht nur maritime) Kriminalität in Haiti gut dokumentiert. Dazu ist in der Karibik (im Gegensatz zur südamerikanischen Nordküste) gerade Hurrikan-Saison. Na toll. Da klingen unsere Routenoptionen ja nach einer Wahl zwischen Pest und Cholera.

Wir haben also noch weitere Informationen eingeholt. Einerseits sind andere Segelboote vor gar nicht so langer Zeit entspannt an der kolumbianischen Küste entlang gefahren. Ihre Berichte sind sehr ermutigend. Natürlich werden immer mal wieder Dinghys und Außenborder gestohlen. Nicht wirklich anders, als in der „klassischen“ Karibik. Doch wenn man diese bei Dunkelheit an der Leine hinter dem Boot treiben lässt, trägt man durchaus eine gewisse Mitschuld.

Dankenswerter Weise hat auch Volker von Salsareisen (Organisator unserer Rundreise in Ecuador) seine Kontakte in Kolumbien für uns aktiviert. Von denen kommt prompt eine gewisse Entwarnung. Wir haben auch gleich eine Ansprechpartnerin von Kontur-Travel bekommen. Die Dame sitzt direkt vor Ort in Cartagena, unserem ersten potenziellen Hafen in Kolumbien. Ja, es gibt aktuell soziale Spannungen im Land, doch die Karibikküste sei ruhig und sicher. Also so sicher, wie es in diesem Land halt sein kann. Ja, man muss Vorsichtsmaßnahmen treffen und sollte sich nachts nicht alleine draußen rumtreiben. Doch das war schon in Brasilien so.

Kurz und gut, die Entscheidung ist gefallen: Wir planen mit Kolumbien.

Von dem panamaischen Archipiélago de San Blas geht es nach Cartagena. Der sehr gute „Guide for Cruisers“ des ansässigen Club Nautico lässt kaum eine Frage offen. Darüber gibt es auch einen sehr ausführlichen, offiziellen „Cruising Guide to Colombia“. Wohl schon bald unsere tägliche Pflichtlektüre.

Von Cartagena aus fassen wir auch eine – dieses Mal wirklich – kleine Rundreise ins Auge. Vielleicht eine Woche oder so. Danach geht es eventuell über Barranquilla weiter nach Santa Marta. Dort warten wir auf das Wetterfenster für den großen Bogen um Venezuela zu den ABC-Inseln.

Wünscht uns alles Gute! :-)

Alltagsprobleme in tropischen Breiten: Regenzeit

Eine Zeit mit überdurchschnittlicher Niederschlagsmenge also. Klingt eigentlich nicht weiter schlimm. Zumal dieser Niederschlag in der Regel mit durchaus angenehmen Temperaturen einhergeht. Und doch ist das nicht die ganze Geschichte. Wir genießen ja nun schon seit mehreren Wochen Regenzeit in Äquatornähe. In einigen Berichten klang das auch schon am Rande mal an. Trotzdem nochmal eine kurze Zusammenfassung aus Sicht der Samai an der ostpazifischen Küste Mittelamerikas.

So richtig los geht es auf dem Weg von Ecuador nach Costa Rica. Wetterleuchten ist für einen Segler nicht unbekannt. Immer mal wieder sieht man die Wolken durch darin zuckende Blitze erstrahlen. Aber so wie hier haben wir das vorher noch nicht gesehen. Es ist ein sich allnächtlich wiederholendes Schauspiel. Meist weit weg, manchmal aber auch recht dicht bei oder gar direkt auf dem Weg. Und wenn dann noch ein Blitz unter der sich mächtig auftürmenden Wolke den ach so schmal erscheinenden Spalt zum Meer überbrückt, denkt der verantwortungsvolle Skipper schon mal über einen Kurswechsel nach. Und ja, wir haben auf unseren Passagen hier wirklich JEDE Nacht dieses Naturschauspiel in mehreren Akten genießen dürfen.

In Costa Rica als auch Panama vor Anker (z.B. in der Drake Bay) oder in der Marina liegend ist das kaum anders. Nur verschiebt sich das Timing in Küstennähe ein wenig. Der Vormittag ist normaler Weise trocken. Oft sogar richtig sonnig. Spätestens am Nachmittag ziehen dann große Wolkenberge auf. Das krachende Gewitter ist meist unvermeidlich. Nach einem heißen Vormittag vor Anker ist das eine willkommen erfrischende Äquatordusche.

Typisches Wolkenbild nachmittags in Golfito (Costa Rica)…
… und natürlich Regen (gerne mit Blitz und Donner)
Typisches Wolkenbild nachmittags in Panama City…
… und natürlich Regen (gerne mit Blitz und Donner)

Bei Einbruch der Dunkelheit sehen wir auch am Liegeplatz hin und wieder Wetterleuchten. Dabei sind drei Dinge wirklich erstaunlich. Einerseits zucken die Blitze fast schon im Sekundentakt über den Himmel. Andererseits ist es gespenstisch still. Selbst als nachts vor Anker in der Drake Bay der ganze Himmel leuchtet, sich das Schauspiel also direkt über uns abspielen muss, ist außer dem Wind rein gar nichts zu hören. Schließlich ist das Ganze keine Sache von ein paar Minuten. Eine Stunde dauert die Show mindestens, gerne auch mal mehr. Unglaublich!

Passende Untermalung von H-Blockx ;-)

Nicht unerwähnt bleiben darf ein anderer Aspekt der Regenzeit: die Luftfeuchtigkeit. Es ist einfach nur schwül. Der Schweiß tropft nicht, nein er fließt in Strömen den Körper hinab. Getragene T-Shirts werden zum Trocknen in den Wind gehängt. Auch in der Besteckschublade hinterlässt es Spuren. Seit über zwei Jahren leistet auch einiges aus Holz bestehende Kochgeschirr gute Dienste an Bord. Doch wenn sie beim Herausholen unerwartet von leichtem Flaum umhüllt sind, füllt das nicht nur die Mülltüte, sondern setzt auch eine gründliche Schubladenreinigung auf die Liste der zu erledigenden Punkte.

Flaumig…

Kurz und gut… hier ist gerade Regenzeit. Das haben wir so nicht geplant, wie wir Mittelamerika ja grundsätzlich nicht auf dem Plan hatten. Aber nun ist es so, wir machen das Beste daraus und sind um eine Erfahrung reicher, die wir ohne unsere kleine Reise nicht gemacht hätten: Regenzeit in tropischen Breiten.