Magellan-Pinguine bei Punta Tombo

So heimelig es in Rawson auch gewesen sein mag, es zog uns weiter… und sei es auch nur ein kurzer Hüpfer von gut 40sm. Gerne wären wir auch so losgefahren, dass wir mal nicht bei Dunkelheit ankommen würden. Dagegen sprachen jedoch nicht nur die Gezeiten – bei Niedrigwasser ist kein Rauskommen – sondern insbesondere auch die windige Wettervorhersage. Tatsächlich war der Hafen offiziell sogar noch gesperrt und die gesamte Fischereiflotte, die sonst unabhängig von Tages- oder Nachtzeit bei Hochwasser immer draußen ist, lag fest. Doch die allmächtige Preferctura Naval zeigte sich einsichtig und ließ uns ziehen.

Leb wohl Rawson!

So tasteten wir uns also doch mal wieder in der Nacht an die Küste bei Punta Tombo, stoppten rasch auf, als die Wassertiefe entgegen der Karte rasant abnahm und warfen den Anker nur wenige hundert Meter vor einer der weltweit größten Kolonie von Magellan-Pinguinen, die hier von Dezember bis März zum Brüten herkommen. Entsprechend voll war es auch an Land und im Wasser rund um die Samai.

Da waren also zum ersten Mal so richtig viele Pinguine in freier Natur zu sehen… es sollten noch viele folgen!

Hier verbrachten wir (natürlich als einziges Boot in der Bucht ;-) zwei windig-sonnige Tage, bevor sich mal wieder so eine Art Wetterfenster für den weiteren Weg nach Süden auftat. Zwar nicht reines Segelvergnügen, aber immerhin auch kein Wind von vorne. Dementsprechend ereignislos waren die etwas mehr als 200sm nach Deseado. Dort sollten wir dann aber mal so richtig Wind abbekommen.

Auf Wiedersehen(?) Punta Tombo

Tanken in Rawson

Wir brauchten Diesel. Also jetzt so richtig. Nicht nur „Es wäre schön, mal wieder etwas den Tank zu füllen!“. Eher in der Art: „Die Tankanzeige ist schon von „0L“ auf „—“ gewechselt. Im aufgeschraubten Tank sehe ich unten noch knapp 4cm Füllstand“ … wir fuhren auf den letzten Tropfen!

La Skipper war begeistert!!!

In Rawson ist eine große Fischereiflotte beheimatet und die fahren ja auch nicht mit Luft und Liebe alleine. Die Rückfrage bei einer örtlichen Tankstelle bestätigte, dass täglich ein Tankwagen vorbei komme. Dieser habe auch den „guten Diesel“ geladen. Zum Hintergrund… in Argentinien gibt es zwei Dieselsorten:

  • Der günstigere „Kommunal- Diesel“ hat mind. 500ppm (= parts per million) azufre (= Schwefel) und ist nicht winterfest.
  • Der etwas teurere (immer noch unter 1€/l) „Euro-Diesel“ hat 10ppm azufre und ist winterfest.

Da fällt einem Skipper mit Fürsorge für seinen Motor die Wahl nicht schwer!

Am Nachmittag fingen wir also den Tankwagen ab. Der hatte schon von diesem Segelboot gehört, das 400-500 Liter Diesel brauche. Wir sollten uns an die Pier auf der anderen Seite des Flusses verholen, er komme dann rüber. Begleitet von dringlich klingenden, spanischen Funknachfragen der unverschämter Weise nicht von uns informierten Prefectura Naval querten wir bei zunehmenden Wind das Gewässer. Hätte auch alles gut geklappt und wir waren schon kurz vor dem Einfüllen, als ich zur Sicherheit nochmal nachfragte, welchen Diesel sie denn im Tank haben… „Kommunal“.

So ein Mist!!!

Drei auf dem Weg zur Tankstelle!

Und jetzt begann die wahrhaft unglaubliche Geschichte. Der Tankwagen wurde zu den großen Tanks am Rand des Hafens gefahren um dort die 3000 Liter geladenen Kommunal-Diesel zurück zufüllen. Mit dem leeren Tankwagen fuhren wir dann zu dritt zur Tankstelle und füllten dort ganze 500 Liter Euro-Diesel ein. Wohlgemerkt in einen Wagen mit 15.000 Liter Kapazität. Nebenbei wurden noch meine fünf mitgebrachten Kanister gefüllt.

Das sollte für 500l Euro-Diesel reichen…

Nach dem Bezahlen ging es zurück zum Boot, wo zunächst weitere fünf Kanister aus dem Wagen heraus gefüllt wurden. Dabei hatte ich, wie schon an der Tankstelle, nicht viel zu tun. Ich wollte ja helfen, hatte aber keine Chance. Mit blieb nur noch, die angereichten vollen Kanister an Bord zu nehmen. Das Tanken selbst ging dann leider quälend langsam, da der Einfüllstutzen genauso groß war, wie unsere Tanköffnung. Aber auch darum musste ich mich nicht kümmern, da Joseph mit lächelnder Gelassenheit eine gefühlte Ewigkeit kniend unseren Tank füllte.

Zum Abschied wollte ich mich mit einem Trinkgeld erkenntlich zeigen, doch das wurde vehement abgelehnt. Nach Verabschiedung mit Handschlag und Umarmung warfen sie unsere Leinen los und winkten hinterher, während wir uns wieder auf unseren alten Platz verlegten.

Nach einem aufgrund der inzwischen eingesetzten Böen (Spitze waren 48kn) flotten Anleger, zu dessen Gelingen ein heroischer Sprung des mutigen Sohnes wesentlich beitrug, lehnten wir uns lächelnd zurück… der Dieseltank sowie zehn Kanister waren voll und wir hatten das Privileg dieser unglaublichen, menschlichen Erfahrung… eine Erfahrung, wie man sie wohl auch nur in Südamerika machen kann.

Muchas Gracias!

Perlen der Weltmeere (4) – Rawson (Argentinien)

Diese besonderen Orte, gleichwohl Oasen der seglerischen Glückseligkeit, welche sich unauslöschlich in des Skippers Langzeitgedächtnis einbrennen gibt es nicht nur in Europa. Nein, auch in Südamerika haben wir eine solche Perle gefunden: Rawson!

Dabei war die Begrüßung phänomenal. Vor der Küste spielten Commerson-Delfine ums Boot, ein großer Seelöwe schaute neugierig vorbei und Schwärme von Seevögeln in jeder Richtung. Wobei sie sich ehrlich gesagt besonders konzentriert um die vielen Fischerboote versammelten. Ja, Rawson ist im Herzen ein Fischereihafen mit großer, orange leuchtender Flotte. Bei unserer Ankunft war diese gerade dabei, nach und nach wieder einzulaufen. Bei einem teilweise trocken fallenden Flusshafen mit Untiefen und Sandbänken besonders im Bereich der Einfahrt, waren das willkommene Lotsen.

Als wir dann am Spalier der in dicken Päckchen liegenden Fischer vorbeifuhren, unterbrachen sie alle, ja wirklich alle Ihr Tagwerk. Sie riefen uns freundliche Willkommensgrüße uns, winkten und reckten Daumen in die Höhe, auf dutzenden, schnell gezückten Handys wurden wir bildlich verewigt. Einen solchen Empfang bekommt nicht einmal die Aida in Warnemünde.

Anlegen solle man als Segler am Steg der Prefectura Naval. Doch wo ist dieser bloß? Eine dezente Hilfestellung bei der Suche gibt ein quer im Flussbett liegendes Wrack. Auf dieser Höhe säumten auch noch andere, in diesem Leben niemals mehr auf dem Wasser schwimmende Rosthaufen das Ufer. Hier sollte man definitiv nicht weiter fahren.

Kurz davor sahen wir einen kleinen weißen Schwimmsteg, doch der gehörte einem privaten Anbieter von Bootsausflügen. Dann vernahmen wir die Rufe von dem – Entschuldigung, aber ich kann es nicht anders beschreiben – orangen Nahezu-Wrack daneben. Halbtoter Ausläufer des Schiffsfriedhofes und wohlgemerkt das vierte seiner Art im Päckchen. Hier sollten wir außen längsseits gehen.

Dieser Logenplatz bot gleich mehrfache Herausforderung. Zunächst einmal musste man an Land über vier vor sich hin rottende Fischerboote klettern.

Des Weiteren fallen diese bei Niedrigwasser sämtlich trocken. Das wiederum wirft weitere Fragen auf:

  • Neigt sich das Boot auf dem Trockenen neben uns evtl. zum Fluss und damit zu uns hin? (nein, es lehnt sich an seinen Innenlieger)
  • Wie zum Messner komme ich bei Niedrigwasser ohnehin schon vom Kajütendach des innersten Bootes auf den in Metern zu messen höher liegenden Steg geklettert? (abenteuerlich!!!)
  • Wer teleportiert mir Bordfahrrad, Bollerwagen und Einkäufe zwischen Steg und Samai? (freundlicher Weise halfen uns die auf dem Außenlieger stets anzutreffenden Männer)
  • Und last but not least: Wer hat auf dem Boot neben uns sein großes Morgengeschäft erledigt und dabei ganz offensichtlich vergessen, dass sein Toilettenablauf bei Niedrigwasser etwa 40cm über unserem Laufdeck liegt? Es war mir eine ganz besondere Freude, diese mittlerweile leicht eingetrockneten Hinterlassenschaften (inkl. Klopapier) mit der Wurzelbürste abzuschrubben… ein Hoch auf Gummihandschuhe und Rückenwind!

Ehrliche Begeisterung dagegen riefen insbesondere bei den Kindern die im Fluss heimischen, großen Seelöwen hervor. Sind die Fischer draußen bei der Arbeit, liegen sie dösend am Kieselstrand. Kommen jedoch die aus Sicht der Tiere orangen Futterstellen in Sicht, geht es ganz schnell ins Wasser. Es wird gebettelt, gerne auch mal aktiv selbst halb an Deck gesprungen und nach unserer Beobachtung hat sich wirklich immer gelohnt… keines der Tiere ging leer aus.

Bei uns gab es allerdings nichts zu holen…

Ein besonderes Lob verdient sich auch die ortsansässige Prefectura Naval. Direkt nach dem Anlegen wurde ich schon aufgefordert, mich doch zeitnah zu melden. Auf Spanisch natürlich. Und nein, eine andere Sprache wurde dort auch nicht gesprochen. Immerhin bot man mir Mate-Tee an und ich musste den obligatorisch Anmeldebogen nicht selbst ausfüllen. Aber warum nur war man so felsenfest davon überzeugt, dass ich noch zur “Migracion” müsse? Unsere Pässe waren doch schon gestempelt! Überflüssig zu erwähnen, dass diese im kilometerweit entfernten Hauptort der Umgebung liegt und die freundliche Dame dort genauso wenig eine Idee hatte, warum ich denn nun gekommen sei. Beim Abmelden durfte ich den bekannten Zettel dann wieder selbst ausfüllen. Zweimal. Dann musste ich noch eine “Malvinas-Erklärung” unterzeichnen und damit meine Nicht-Absicht zum Besuch dieser auch als Falklands bekannten Inseln dokumentieren. Und man stelle sich mein überraschtes Gesicht vor, als ich ein paar Tage später zwei unterschriebene Zettel mit Kontoinformationen in meinen Unterlagen fand. Bei der nächsten Prefectura kümmerte man sich um die Rückführung zu der, auch das sei ehrlicher Weise gesagt, ausgesprochen attraktiven Uniformierten in Rawson.

Kurz vor der Springtide, bei deren Niedrigwasser auch wir mit unseren 1,1m Tiefgang trocken gefallen wären, war es Zeit zum Abschied nehmen. Die Ausfahrt aus diesem unvergesslichen Hafen ähnelte der Einfahrt. Zwar waren es weniger Boote, doch auch dieses Mal wurden wir mit freudigen Rufen winkend und fotografierend verabschiedet. “Auf Wiedersehen!” … oder vielleicht doch lieber ein leises “Lebe wohl!!!”

P. S. Das unbestrittene Highlight, jetzt ganz ehrlich und ohne jede Spur von Ironie, war jedoch das Betanken unseres auf die letzten Liter leer gefahrenen Dieseltanks. Das ist mir sogar einen eigenen Artikel Wert!

Commersondelfine auf dem Weg zum Golfo Nuevo

So schön es in Bahía San Blas auch war, die Passage rein und raus ist dank der Gezeiten nicht ganz einfach. Man braucht genug Wasser für die flachen Stellen, beim Rausfahren am Besten ablaufenden Ebbstrom, dazu sollte die Wettervorhersage passen und Dunkelheit ist auch nicht förderlich. Unser Kompromiss war ein Anker hoch um 18 Uhr… leider etwas zu früh für perfekten Strom, aber irgendwie und -wann waren wir dann doch noch rausgekommen… und am Abend, als wir die 90° auf Kurs abbiegen konnten, gingen auch endlich die Segel hoch! Schönstes Halbwindsegeln mit 5 Bft. durch die Nacht wurden gekrönt von einem atemberaubenden Sonnenaufgang mit Albatrossen.

Am Nachmittag hatten wir dann mal wieder Delfine am Boot. Laaaaaangweilig!? Definitiv nicht!!! Zum ersten Mal sahen wir die markant gefärbten und ausgesprochen verspielten Commersondelfine, welche es auch nur von hier bis zur Südspitze Südamerikas gibt. Und dass sie – zumindest laut Bestimmungsbuch – selten in Schulen von mehr als zehn Tieren unterwegs sein sollen, hatten sie an diesem Tag ganz offensichtlich vergessen… so viele Delfine auf einmal hatten wir noch nie!

Und die Kinder erklärten sie umgehend zu ihren Lieblingsdelfinen!

Am Abend sah es vor uns dann mal wieder weniger schön aus… dunkle Wolken mit dem inzwischen wohlbekannten doch immer noch ungeliebten „Wetterleuchten“ (also Blitzen) waren voraus.

Schon wenig später drehte der Wind auf die Nase. Doch wir hatten gleich doppelt Glück, passierten die enge Durchfahrt in den Golfo Nuevo bei günstigem Strom und erreichten rechtzeitig unseren Ankerstopp in der Fondeadero Cracker… natürlich bei Dunkelheit.

Hier war eine schwere Entscheidung zu treffen. Der Golfo Nuevo ist ein Tierparadies, in dem andere Yachten viel Zeit verbrachten und schöne Eindrücke teilten. Allerdings waren wir ohnehin schon recht spät dran, die bei dem angesagten Wind nur halbwegs geschützten Häfen ein ganzes Stück weit drin in der großen Bucht und auch die hiesige Wal-Saison war im Grunde schon vorbei. Außerdem war unser Dieseltank fast leer. So warteten wir hier also nur – wieder einmal – den Durchzug der Front ab, und machten uns dann (immerhin in Begleitung unserer ersten Magellanpinguine) direkt weiter auf den Weg nach Süden. Nur noch gut 50sm zu unserem nächsten Ziel… Rawson voraus!

Eine überfüllte Ankerbucht in Bahía San Blas

In der Gesamtschau sind wir in Südamerika echt wenigen anderen Segelbooten begegnet. Einzige Ausnahmen waren eigentlich nur unser Ankunftshafen in Brasilien, Rio de Janeiro, Buenos Aires und später dann noch Ushuaia. Aber sonst?

Wir machten uns zum Jahresende 2019 also wieder auf den Weg in die Einsamkeit. Über 500sm hatten wir uns vorgenommen, wobei es ja schon fast 80sm braucht, bis man von Buenos Aires aus das braune Wasser des großen Deltas des Río de la Plata hinter sich gelassen hat. Es war wirklich ein gutes Gefühl, den Rumpf endlich wieder im bekannten Blau des Meeres zu sehen.

Wenig Änderung zeigte die Wechselhaftigkeit des Wetters. Kurz nach unserer Abfahrt sahen wir wieder einmal ein Gewitter über Buenos Aires. Und wieder einmal wurden wir von Wolkengebilden verfolgt, die kein Segler gerne sieht.

Als dieses Wölkchen uns einholte, drehte der Wind um 120° und frischte ganze 3 Bft. auf gut 30 kn auf. Wenigstens blieben die Blitze über Land. Und es muss ja auch nicht immer so sein. Die Front am nächsten Tag sah ganz ähnlich aus, verpuffte aber vergleichsweise harmlos. Wind war plötzlich weg (Motor), kurz danach wieder da (Segel), dann wieder stärker (Reffen) und dann wieder weg… kann der sich nicht mal einigen? Das ist schon eine echt komische Wetterecke hier… keine Trauer, wenn wir diese endlich hinter uns gelassen haben würden.

Den Jahreswechsel waren wir gerade bei Mar del Plata. Also die Familie schlummerte selig im Bett und der Skipper schaute sich das einige Meilen entfernte Feuerwerk an. Prost Neujahr! Am Neujahrsmorgen hatten wir dann nach längerer Zeit auch mal wieder tierischen Besuch.

Nach etwas mehr als vier Tagen liefen wir Bahía San Blas an. Eigentlich wollten wir noch ein Stück weiter, aber es zog mal wieder ein Tief mit angesagtem Starkwind auf die Nase durch. Das wollten wir in dieser Bucht abwarten. Obwohl es eigentlich keine richtige Bucht war, sondern eine rundherum trocken fallende Einbuchtung. Auf der Karte dominierten Tiefenangaben unter einem Meter, doch der Revierführer versprach genug Wasser unter dem Rumpf und sollte damit Recht behalten.

Bei Hochwasser sah es aus, als ankerten wir irgendwo im Nirgendwo, bei Niedrigwasser wirkte es wie ein von strahlend grünen Flächen und an das Wattenmeer erinnernde sandige Weiten umgebener Fluss. Am Ufer lebten Schwärme von Flamingos und diverser Seevögel… ein wunderschöner Ort.

Bei Hochwasser ist das alles überflutet!

Und hier lagen wir dann auch tatsächlich mal nicht alleine vor Anker. Die erste Nacht kam noch ein zweiter Segler rein und ließ irgendwas zwischen 100 und 200 Meter neben uns den Anker fallen… dazu dann noch der Seelöwe auf Nahrungssuche… also für hiesige Verhältnisse war das damit eine fast schon überfüllte Ankerbucht!