Wie fast alle Boote ab einer gewissen Größe hat auch unsere Samai ein kleineres Beiboot. Über die Schreibweise kann man streiten, ich habe mich jetzt mal mit „Dinghy“ angefreundet. Dieses Dinghy hat natürlich Ruder. Damit kann man unkompliziert kleinere Strecken zurücklegen. Beim Ausbringen der Landleinen reicht das völlig aus. Für längere Strecken nimmt man aber doch lieber die Hilfe eines Außenbordmotors in Anspruch. Wir hatten uns damals für einen Tohatsu 9.8 entschieden. Ja, er ist mit seinen knapp 10PS zugegebener Maßen kein Leichtgewicht, aber letztlich ein recht guter Kompromiss zwischen Handhabbarkeit und Leistung.
Anfang Oktober 2019 hatten wir unseren Außenborder in Mindelo (Kap Verde) für die Atlantiküberquerung im Heck unter Deck verstaut. Dort lag er dann auch, wir hatten ihn einfach nicht wirklich benötigt, bis in die Antarktis. Erst Anfang Februar 2020 in Deception Island (erster Ankerplatz im antarktischen Vulkan) holten wir ihn frohgemut wieder raus. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass es einen Moment gedauert hat, bis er wieder lief. Doch er lief. Ja, da waren anscheinend einige Tropfen Benzin in das Gehäuse (nicht ins Wasser!) gelaufen. Doch er lief. Die ganze Zeit im Eis ließ er uns nie im Stich.
Anfang Juni machten wir uns in der chilenischen Caleta Beaulieu mit dem Dinghy auf dem Weg zur Gletscherkante. Es war etwas windig, leichte Wellen, doch an sich kein Problem. Bis der Motor plötzlich anfing, nicht mehr so richtig rund zu laufen. Der Skipper fühlte sich an den Klang seines ersten Autos (79‘er Golf) erinnert, als diesem ein bis zwei Zündkerzen versagten. Wir brachen unseren Ausflug ab. Es war einfach zu riskant. Wäre der Außenborder ganz ausgefallen, hätten wir eine – ich sage mal – herausfordernde Ruderstrecke vor uns gehabt. Der Außenborder kam an die Heckreling, die Ruder waren fortan Kurzstecken-Antrieb der Stunde.
Ich hatte mir also einen Zündkerzenwechsel auf die 2do-Liste geschrieben. Sollte kein Problem sein, schließlich sind in meinem Werkzeugkoffer auch zwei Zündkerzenschlüssel. Beide zu groß. Mist. In einem der Care-Pakete aus Deutschland kam Nachschub, neben zwei weiteren Zündkerzen nun auch der passende Schlüssel. Ja, sicher hätte ich den auch in Chile bekommen… gestaltet sich halt nur etwas schwierig, wenn man den Hafen nicht verlassen und selbst einkaufen gehen darf.
Egal. Im November habe ich endlich die Zündkerzen gewechselt, dann den Motor gestartet. Hey, das klingt gut. Zur Sicherheit lasse ich ihn noch etwas laufen. Doch dann geht die Drehzahl runter. Der Motor stirbt ab und lässt sich auch nicht wieder starten. Vielleicht erwähnte ich es ja schon: Mist! Da sollte wohl doch einmal ein Profi rein schauen.

Unser Honorarkonsul hat uns dann einen (deutsch und englisch sprechenden) Schulfreund seines Sohnes vermittelt. Dessen Eltern betreiben in Valdivia den kleinen aber feinen Ausrüster und Außenborder-Spezialisten Fibronaval. Ein kurzer Anruf und die Schilderung unserer Situation reichten aus, um ihn uns helfen lassen zu wollen. Er kam also im Hafen vorbei, um sich das mal anzuschauen. Ja, Suzuki und Tohatsu können sie reparieren und warten. Bingo! Er packte den Außenborder gleich auf seinen Pickup. Ich sagte noch, dass sie bei Bedarf ja auch gerne das Öl wechseln könnten. Schließlich lag die letzte Wartung in Rostock schon eine Weile zurück. Was das ganze kosten würde? Keine Ahnung. Ich hatte nur das Vertrauen, dass sie uns nicht über das Ohr hauen würden.
Ein paar Tage später kam die Nachricht, dass unser Außenborder wieder schnurrt. Sie haben das Benzinleck abgedichtet, den Vergaser gereinigt sowie Getriebe- und Motoröl gewechselt. Letzteres hatte es auch echt nötig. Anscheinen war da einiges an (Kondens-?)Wasser rein gekommen. Was das Getriebeöl angeht wurde mir gesagt, dass wohl noch das Original vom Kauf des Motors (vor fast sechs Jahren!) drin war. Erwähnte ich schon, dass ich den Außenborder zwischenzeitlich für einen Service bei Volvo Penta bei Rostock hatte? Man nennt die Jungs in Blau (sorry, habe noch kein Mädel gesehen) wohl nicht umsonst die „modernen Piraten der Ostsee“ ;-)
Für diese Leistungen wurde uns, wie es nur recht und billig ist, natürlich auch eine Rechnung aufgemacht: 25.000 Chilenische Pesos! Dazu muss man jetzt den Umrechnungskurs kennen. Das sind nicht einmal 30€. Mir klappte im positiven Sinne die Kinnlade runter. Kurz danach wurde der Motor zu uns in den Hafen gebracht (dieser Service ist selbstredend inklusive!) und hängt jetzt nach einem netten Plausch wieder am Dinghy.

Als nächstes stand eine kleine Probefahrt an. Was soll ich sagen?! So schön hat er wirklich schon SEHR lange nicht mehr geschnurrt. Schnell und unkompliziert angesprungen, runder Lauf (sagt man das so?! ;-), kein nennenswerter Qualm… der Skipper ist glücklich! Das Ziel für die nächste Ausfahrt steht auch schon fest. Fehlende Stempel im Pass und Quarantäne hin oder her will der Skipper endlich mal wieder einkaufen. Also wird es zum Steg von Fibronaval gehen. Ja, ich darf immer noch nicht an Land herumspazieren… aber wenn der Ausrüster auch einen Wasserzugang hat… ;-)
Wir durften hier in Chile wirklich unglaublich nette und hilfsbereite Menschen kennen lernen. Was für ein Kontrast zu der ihren Rücken freihaltenden offiziellen Stelle in Santiago (nennen wir sie „Herr V.“), die uns monatelang eine Ausnahmegenehmigung für die Einreise verweigert. Doch das ist hier nicht die Norm. In dieser Hinsicht hatte uns schon Brasilien überrascht, auch in Argentinien hatten wir tolle Begegnungen, nun also Chile. Es scheint sich tatsächlich um ein südamerikanisches Phänomen zu handeln, von dem sich so manche Ecke der Welt eine Scheibe abschneiden könnte. Eine unglaublich schöne Erfahrung!