Abwettern im Canal Ballenero – Isla del Medio & Isla Macias

06. – 10. Juni 2020

Eigentlich soll der Winter in den Chilenischen Kanälen die schönste Jahreszeit sein. Das Wetter ist ruhiger als im Sommer, regelmäßig scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel, dazu weiße Gipfel und keine Mücken. Ich sage mal so… die zwei letzten Punkte können wir bestätigen. Es ist aber auch erst Spätherbst… vielleicht wird das mit der (allerdings jetzt schon kaum über die Berge hinauskommenden) Sonne und blauem Himmel ja noch.

Seit einigen Tagen regnete es. Nicht ununterbrochen, manchmal kam sogar die Sonne kurz durch, aber es war doch sehr regelmäßig recht nass. Und jetzt sollte es auch noch kräftig wehen. Tat es dann auch. Halb segelnd, halb motorend fuhren wir mit dem inzwischen gewohnten Mix aus stark böigem Schwachwind durch den noch ruhigen Canal O’Brien in die Mitte des zunehmend welligen Canal Ballenero.

Canal O’Brien

10.14 Pozo Isla del Medio

In diese Bucht wollte der Skipper schon beim ersten Blick auf die Skizze im nautischen Führer. La Skipper war nur etwas skeptisch wegen der engen Einfahrt. Zu recht. Dank eines nachlässiger Weise minimal falsch im Plotter eingetragenen GPS-Punkts fuhren wir im ersten Anlauf ein paar Meter zu weit westlich. Das reichte aus… Steine… laute Rufe vom Bug… Rückwärtsgang… durchatmen. Im zweiten Anlauf zwängten wir uns zwischen Kelp, Steinen und Ufer durch und fanden eine zwar schöne Bucht, die augenscheinlich allerdings nicht ganz so geschützt war, wie versprochen. Bei dem angesagten Wind (im Mittel 5, Böen 7 – Spitze 8, Böen 9… also über 40kn) gingen wir auf Nummer sicher: unsere 6 (in Worten sechs) Landleinen (plus Anker) belegten den gesamten hinteren Teil der Bucht und sollten uns sicher auf der Stelle halten. Taten sie dann auch. Der später reinkommende, ebenfalls für eine Nacht hier Unterschlupf suchende Fischer war aber wohl weniger begeistert. Er machte dann gleich bei der Einfahrt, etwa auf Höhe unseres Ankers fest.

Ja, da vor uns lag dann später noch ein Fischer in der Bucht…

Am Tag dann ein Landgang. Der kleine Berg hinter uns war natürlich zu verlockend um nicht bestiegen zu werden. Der Wind hier oben raubte einem fast den Atem, den lauernden Raubvögeln über unseren Köpfen gefiel es.

Der Blick ging über einen mit weißen Schaumkronen übersäten Canal Ballenero. Es war eine gute Entscheidung, hier abzuwarten. An eine Weiterfahrt war bei diesen Bedingungen nicht zu denken.

Canal Ballenero

Nach drei Nächten ergab sich dann so eine Art Wetterfenster. Ablegen bei einem Luftdruck von 969mbar. Das sind Werte, die wir aus der heimischen Ostsee so nicht kennen… und wenn doch, dann bleibt man tunlichst im Hafen! Hier scheint das ziemlich normal zu sein. Doch wir sind rechtzeitig losgekommen. Unterwegs zeigte sich eine dunkle Front backbord voraus, die allerdings auch an backbord blieb. Hinter uns verschwamm unsere Route in dichtem Grau.

Da kommen wir her…
… da wollen wir hin!

10.9 Caleta Macias

Nach einem mal wieder ausgiebig zelebrierten Anleger lagen wir zwischen viel Kelp und harrten der Winde, die da angesagt waren.

Sie kamen stärker als erwartet… von rechts hinten… um 1 Uhr nachts. Für den Skipper bedeutete das natürlich Arbeit. Das Dinghy wurde dann doch mal hochgezogen, die Leinen justiert und immer wieder erfolgte ein prüfender Blick nach draußen. So ab 5 Uhr bin ich dann doch nochmal etwas eingedöst. Der Morgen empfing uns mit Schnee und Graupel.

Nur sehr selten zeigte sich die Sonne, aber wenigstens stieg das Barometer mal wieder… fast 980mbar! Der Tag blieb dabei weitgehend grau, die Leinen wurden nochmal justiert, die Nacht kam und um 2 Uhr dann auch wieder der Wind mit etwas unsteten 1-7 Bft. Auch morgens war es noch böig, aber die Vorhersage gut. Also für diese Gegend. SSW mit 5-6 Bft. bedeuteten wenigstens mal keinen Wind auf die Nase.

Blick nach Norden
10.9 Caleta Macias

Vom Brazo Noroeste zum Canal Ballenero – Caleta Alakush & Caleta Emilita

03. – 05. Juni 2020

Brazo Noroeste vor Seno Garibaldi

Die große Isla Gordon teilt den Beagle-Kanal an seinem westlichen Ende in die jeweils ca. 30sm langen Brazo Sudoeste und Brazo Noroeste. Letzterer ist für Segler die übliche Wahl. Er ist eingerahmt von hohen Bergen, dunkelgrünen Wäldern und schneebedeckten Gipfeln der Cordillera Darwin, welche hier über 2000m in den Himmel ragen. Meilenweit ins Landesinnere reichende Einschnitte erinnern an Norwegens Fjorde. Nur, dass hier noch Gletscher oft bis ans Wasser reichen. Seno Pia war ein solch beeindruckender Sund, bei dessen Ausfahrt wir dann auch gleich einen Vorgeschmack davon erhielten, was solche Küstenlinien für die lokalen Winde bedeuten können. Beim „Anker auf“ noch mäßig windig, blies es uns an der Mündung mit 7, in Böen 8 Windstärken (bis 38kn) von hinten hinaus. Sollten wir heute endlich mal wieder segeln können?

Ausfahrt Seno Pia

Nun ja… ich sage mal: „Es war wechselhaft.“ Der Wind pendelte ungelogen zwischen 4 und 34 Knoten und scheute sich auch nicht vor spontanen Drehern um 90°. Gerade noch ordentlich Lage geschoben, hing das Segel im nächsten Moment schon wieder schlaff runter. Bald zeigte sich steuerbord voraus die Öffnung des 11sm tiefen Seno Garibaldi an der Nordseite des Brazo Noroeste. Und das Wasser davor sah alles andere als ruhig aus. Es dauerte nicht lange und wir hatte „stabile“ 30-40kn von schräg vorne. La Skipper war natürlich hellauf begeistert und selbst der Skipper mit der Gesamtsituation dann doch etwas unglücklich. Ursprünglich wollten wir ja einen etwas längeren Schlag nördlich an der kleinen Isla Chair vorbei machen. Doch spätestens der Anblick vom Wind weiß in die Höhe getriebener Gischtwolken auf eben diesem Weg ließ uns zu Plan B wechseln. Die Isla bot schließlich auch eine bei diesen Bedingungen geschützte Bucht.

10.21 Caleta Alakush (Isla Chair)

Kurz vor der Caleta Alakush war es dann nahezu windstill. Was so ein bisschen Abdeckung doch ausmacht. Eigentlich wollten wir zum optimalen Schutz tief rein und ganz dicht an der Küste liegen, doch da machte uns eine lange, von Fischern quer über das Ende der Bucht gespannte Leine einen Strich durch die Rechnung. Es sollte nicht das letzte mal sein. Nun gut, Anker runter und rückwärts dicht an die Leine gefahren. Machen wir halt daran (und natürlich mit seitlichen Landleinen) fest.

Schon am nächsten Tag ging es weiter nach Westen. Doch zunächst schickte das hier nahezu allgegenwärtige Kelp einen freundlichen Gruß an den Anker. Nein, es sieht natürlich nicht immer so aus. Doch an Tagen wie diesen war ich immer heilfroh über die für genau solche Fälle schon in Brasilien gekaufte Machete. Sie erleichterte die meist jedoch immer noch reichlich akrobatische Befreiungsaktion schon enorm.

10.21 Caleta Alakush

10.18 Caleta Emilita (Isla O’Brien)

Beim Passieren meldete sich Alcamar Timbales kurz über Funk. Man wusste offensichtlich, wer wir waren, fragte höflich-professionell nach letzter und nächster Ankerbucht, machte aber ansonsten keinerlei Anstalten, uns auf geschlossene Grenzen anzusprechen. Sie schickten später sogar noch einen aktuellen Wetterbericht über Kurzwelle rüber. Die Chilenische Armada wurde ihrem freundlichen Ruf im Umgang nicht nur hier gerecht!

In der hübschen Caleta Emilita dann das Déjà-vu. Wieder recht gute Abdeckung, die nur ein paar Böen durchließ, aber auch wieder eine Fischerleine. Egal, das hatten wir ja schon geprobt. Nach ruhiger Nacht deutete sich dann aber erstmals ein Problem an, das uns noch länger begleiten sollte. Morgens waren die vor Abfahrt extra neu angeschafften Verbraucherbatterien spontan auf 11,4V runter. Der Batteriemonitor zeigte bei 89% die rote Warnung für „leere Batterien“. Doch diesem „Alltags(?)problem in hohen Breiten“ werden wir bei Gelegenheit sicher noch einen eigenen Eintrag widmen.

10.18 Caleta Emilita

Brazo Noroeste (2) – Asado mit Gletscherpanorama in Seno Pia

31. Mai – 02. Juni 2020

10.29 Caleta Beaulieu (Seno Pia)

Nach landschaftlich schöner, aber zugegebener Maßen ereignisloser Fahrt erreichten wir mit Seno Pia einen ersten Höhepunkt unserer Fahrt durch die chilenischen Kanäle. Mehrere Gletscher enden in diesem über 8sm tief einschneidenden, verwinkelten Sund und bieten ein grandioses Panorama. Nicht nur das immerhin eher spärlich umher treibende Eis weckte leise Erinnerungen an die Antarktis.

Zufahrt Seno Pia

Als wir in die Ankerbucht einbogen, hörten wir auch wieder dieses vertraute, schabende Geräusch von Eis am Aluminiumrumpf. Doch hier war das noch absolut harmlos. Wir ankerten dicht am Ufer, zwei Landleinen hielten uns sicher am Platz und genossen erst einmal den atemberaubenden Ausblick…

Ausblick vom Ankerplatz

Nachdem die Kinder sich etwas ausgetobt hatten, veranstalteten wir am Strand ein kleines Asado. Einfach ein mit groben Salz eingeriebenes Stück Fleisch auf einen Spieß neben das Lagerfeuer gelegt, dazu selbstgemachte Guacamole mit Nachos. Die besten Dinge können so einfach sein.

So einfach…

Am nächsten Tag wollten wir dann mit dem Dinghy zum Gletscher rüber fahren. Doch leider wurde daraus nichts. Wir waren schon ein gutes Stück vorangekommen, als sich der Außenborder plötzlich komisch anhörte. Es klang so, als ob sich eine der Zündkerzen verabschiedet hätte. Und nun? Kurzer Rundumblick, kleine Welle, Wind aus Richtung der Samai, noch ein gutes Stück bis zum Gletscher… und wenn dort dann der Motor ganz ausfällt? Hmm… die Entscheidung fiel nicht leicht, war aber nur logisch: Abbruch! So tuckerten wir zurück zum Boot und trösteten uns damit, in der Antarktis ja schon so viele, beeindruckende Gletscher gesehen zu haben. Etwas schade war es trotzdem. Zur Ablenkung erfolgte abends eine kleine Inventur der für einige Crewmitglieder wichtigsten Vorräte.

Das ist jetzt ganz wichtig!

Und dann begann der Regen, so dass wir uns nach drei Nächten wieder auf den Weg machten. Wir hatten schließlich noch einen langen Weg vor uns.

Brazo Noroeste (1) – Exkursionen in Caleta Olla & Bahía Romanche

29. – 31. Mai 2020

10.33 Caleta Olla

In der Mitte der normaler Weise gut frequentierten Caleta Olla fiel erstmals unser Anker auf chilenischen Grund. Natürlich waren wir alleine hier. Laut unserer Standard-Lektüre gibt es hier wunderschöne Exkursionen, unter anderem zu einem kleinen Wasserfall. Natürlich sind auch Wegbeschreibungen enthalten. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Was für eine Wohltat nach der langen Zwangspause, endlich wieder umherstreifen zu können. Rein ins Dinghy, zum Strand gepaddelt und auf die Suche nach dem Weg gemacht.

Tja, und diese Suche bestimmte dann auch den gesamten Ausflug. Ein freudig ausgerufenes „ich sehe einen Weg“ hat es inzwischen sogar zum geflügelten Wort der Crew geschafft. Denn selbstredend konnte hier in der zwar nicht unberührten, aber doch noch sehr ursprünglichen Wildnis von „Wegen“ im bekannten Sinne keine Rede sein.

Wo ist hier der Weg?

Zunächst kämpften wir uns einem kleinen Fluss folgend den dichten Wald hinauf, entlang an Felsen, bis zu einem kleinem Aussichtspunkt mit tollem Blick über den Brazo Noroeste und das zu unseren Füßen liegende Feuchtgebiet. Manche würden es auch sumpfig nennen. Dort angekommen waren wir dann auch heilfroh über unser passendes, weil (weitgehend) wasserdichtes Schuhwerk. Das bewahrt aber natürlich nicht davor, dass bei zu tiefen Einsinken etwas Wasser von oben reinlaufen kann.

Weiter ging es Richtung Wasserfall… ist das hier tatsächlich mal kurz so etwas wie ein Weg?… ein nicht mehr ganz so kleines Flüsschen wurde überquert und dann wieder hoch auf einen Aussichtsfelsen gekraxelt.

Von hier suchten wir auch nach dem angeblichen Weg beim Wasserfall weiter hoch… vergeblich. Also ging es zurück, wieder über den Fluss, wieder durch den Sumpf, wieder durch den schmalen Wald, wieder mit dem Dinghy… leicht erschöpft aber glücklich kamen wir bei unserer Samai an.

10.33 Caleta Olla
Brazo Noroeste
Brazo Noroeste (Ventisquero Romanche)

10.31 Caleta Morning (Bahía Romanche)

In der nächsten, noch schöneren Bucht wurden wir sehr zur Freude der Kinder kurz vor unserem Ankerplatz von ein paar Delfinen empfangen. Hier wollten wir dann auch mal wieder Landleinen verwenden, also schlichen wir uns mit dem Boot erst einmal zur Begutachtung dicht an das steile Ufer. Etwas zu dicht. Einer Intuition folgend ging der Blick nach oben und fand die Mastspitze zwischen grünen Ästen. Lernkurve. Noch etwas, worauf man im bisherigen Seglerleben nicht wirklich achten musste, hier aber durchaus ein Quäntchen Aufmerksamkeit wert ist.

Auch hier machten wir uns wieder einmal auf die Suche nach dem Weg… Landgang. Nicht nur die Kinder blühten sichtlich auf, auch die Eltern genossen die erneute Exkursion in die Wildnis. Das Ufer hochgeklettert empfing uns gleich wieder ein kleines Feuchtgebiet, dahinter ein idyllisch gelegener See und rauschende Wasserfälle. Weiter ging es hoch durch einen kleinen Wald, bis es dann im dichten Unterholz kein Weiterkommen im Guten mehr gab. Jeder suchte mal den Weg, jeder setzte sich auch mal mehr weniger freiwillig auf den Hosenboden, jeder genoss den Ausblick und den Moment.

Binnensee…

Wir waren erst vor ein paar Tage aus Ushuaia losgefahren und doch fühlte es sich jetzt schon so wahnsinnig schön weit weg an. So durfte es gerne weitergehen.

Die Familie ist wieder unterwegs
10.31 Caleta Morning (Detail)
Bahía Romanche

Patagonia & Tierra del Fuego – Nautical Guide

Es ist ein dickes, über 700seitiges Buch mit blauem Einband in der mittlerweile 3. Auflage. Insgesamt wurden damit bisher 5.000 Exemplare gedruckt. Das unbestrittene Standardwerk für jeden, der im Süden Südamerikas mit einem Segelboot unterwegs ist. Viele nennen es, ob seiner Autoren Mariolina Rolfo und Giorgio Ardrizzi, „The Italian Book“. Bei uns ist es nur die „Blaue Bibel“. Es beschreibt die Argentinische Küste südlich des Río de la Plata (Buenos Aires) bis runter zum Beagle-Kanal, hat seinen Schwerpunkt aber unbestritten auf der Chilenischen Küste bis hoch nach Valdivia. Es werden nicht nur unzählige Caleta, Bahía, Estéro und Puerto im Detail mit Skizzen und GPS-Punkten beschrieben. Darüber hinaus gibt es wertvolle Auskunft über die hiesigen Gewässer, Strömungen, Wetter, Geschichte sowie Flora und Fauna. Seit Ushuaia verging nicht ein Tag, an dem dieses Buch nicht mehrfach aufgeschlagen und zu Rate gezogen wurde.

Viel genutztes Standardwerk!

Mit den Skizzen und und natürlich unseren eigenen Fotos kann man sich ein gutes Bild über die Orte machen, die wir das Privileg hatten zu besuchen. Und wer die blaue Bibel sein Eigen nennt, findet unsere Zwischenstopps schnell über die vorangestellten Nummern.