29. Juni 2020
Moment mal… hatten wir so eine Überschrift nicht gerade erst schon mal… da war doch was mit einer vereisten Bucht und einer Dinghy-Leine im Propeller… was war denn nun schon wieder los? Aber der Reihe nach…
Heute standen nur gut 20sm auf dem Plan. Wir wollten das weiterhin sonnige Wetter und den Ebbstrom ausnutzen und nicht zu spät am Ziel angekommen sollten noch ein Landgang sowie ein Lagerfeuer folgen. Der Teig für Stockbrot war schon vorbereitet. So fuhren wir entspannt Richtung Norden. Hin und wieder schauten ein paar Robben aus dem Wasser. Doch was war das? Warum ist da die Drehzahl des Motors etwas runter gegangen? Haben wir uns Kelp eingefangen? Hmmm… nichts zu sehen. Komisch. Kurz vor Puerto Bueno dann schon wieder… und La Skipper meldete von unten auch ein irgendwie ungewohntes Motorgeräusch. Gut, dass das Tagesziel direkt voraus lag.


6.26 Puerto Bueno
Die Einfahrt sah eisfrei aus und stimmte uns optimistisch, doch der Eindruck täuschte. Der Großteil der Bucht war zugefroren. Der Test ergab eine Eisdicke von über 1cm. Das war uns dann doch zu viel, zumal der ursprünglich geplante Ankerplatz noch ein gutes Stück weiter im Innern lag. Also umgedreht und umgeschaut. Hmmm… warum konnte ich nicht vorwärts fahren? Die Maschine kuppelte anscheinend ein und drehte auch hoch. Allerdings bewegten wir uns kein Stück. Wenigstens machten wir noch so leidlich Fahrt rückwärts. Schneller Fluch, schnelle Entscheidung, schneller Anker und Motor erst einmal aus. Fehlersuche…
Die Bowdenzüge (also die Verbindung zwischen Schalthebel im Cockpit und Maschine unter Deck) konnten es eigentlich nicht sein. Schließlich wurde eingekuppelt und der Motor kam auf Drehzahl. Der Test direkt an den Hebeln der Maschine bestätigte das. Wenn es ein Problem am Getriebe oder Saildrive wären, hätten wir ohnehin keine Chance, das selbst hinzubekommen. Aber warum sollte sich da so spontan ein Problem ergeben?
Der erst kürzlich vor dem geistigen Auge des Skippers abgelaufene Film schickte sich an zur eiskalten Realität zu werden: Ich musste mir wohl (oder übel) mal die Schraube anschauen. Wohlgemerkt im chilenischen Winter auf 51° Süd in einer größtenteils zugefrorenen Bucht! Wenigstens schien die Sonne.
Genau für so einen Zwecke hatten wir bei unserem letzten Messebesuch in Düsseldorf Trockentauchanzüge gekauft. In Ushuaia kamen dann noch dicke Kopfhauben und Handschuhe für kaltes Wasser dazu. Jetzt wurde das alles endlich mal herausgekramt und angezogen.
Im Wasser war es dann sogar durchaus erträglich. Ja, kalt, aber als der Reißverschluss richtig zu war wenigstens soweit trocken. Im Wasser konnte ich recht schnell drei Dinge feststellen. Der erste Blick zeigte Kelp im Ruder, das aber schnell beseitigt war. Der zweite Blick galt dem Propeller, der sich mehr oder weniger ästhetisch von den Resten unserer Dinghy-Leine verziert zeigte. Ehrlich gesagt freute ich mich sogar ein wenig darüber, bedeutete das letztlich doch, dass wir das Problem wohl selbst beheben können. Die dritte Feststellung betraf dann jedoch den Auftrieb, den ein in Fließwäsche und Trockentauchanzug gekleideter und – ja ich gestehe – mit mehr oder weniger leichtem Bauchansatz versehener Mann erzeugte. Ich hatte keine Chance, frei zur Schraube runter zu tauchen.

Abhilfe brachte schließlich eine unten den Rumpf geführte Leine. Mit 3-4 kräftigen Zügen daran bugsierte ich mich unter den Rumpf. Da dieser bei uns trockenfalltauglich flach ist, klebte mich der Auftrieb von selbst unten ran und ich hatte beide Hände frei. Die Leine war schnell abgewickelt, hatte sich aber in einem Flügelansatz des aufgeklappten Faltpropellers eingeklemmt. Auf der einen Seite abgeschnitten versuchte ich sie rauszuziehen. Keine Chance. Auch der Versuch, den Propeller mit den Händen zusammenzufalten scheiterte kläglich. Letztlich schaffte ich es, mich an der Leine festhaltend die Füße vom Bug her gegen den Propeller zu drücken. Ein erstes kurzes Rucken und dann Erleichterung… der Propeller faltete sich zusammen und der Leinenrest war frei. Ein schneller, visueller Test bestätigte, dass der Propeller sich nun bei vorwärts wie rückwärts eingekuppelter Maschine frei drehte. Geschafft!

Wir ankerten noch rasch um und machten dann doch keinen Landgang mehr. Das Rindfleisch kam dafür auf den Grill, der Teig hält sich sicher noch. Abends kamen dann noch ein kleiner Frachter und ein Fischer in die Bucht und waren sicher sehr erfreut darüber, dass mitten in der eher kleinen eisfreien Fläche ein Segler lag. Doch die Jungs sind Profis. Den Eisrand freigebrochen fuhr der Frachter so dicht ans Ufer, dass die Crew über die runtergeklappte Laderampe an Land kam und Leinen festmachte. Der Fischer ging direkt daneben und weit vor Sonnenaufgang waren sie auch schon wieder verschwunden.

Wir warteten noch auf etwas Licht und machten uns dann auch auf den weiteren Weg nach Norden.



