Feiertage in Chile

Valdivia, 12. Oktober 2020

Andere Länder, andere Sitten. Was für eine Binsenweisheit. Und doch wird diesen simplen Worte erst dann etwas mehr Leben eingehaucht, wenn man solche Sitten in anderen Ländern hautnah mitbekommt. Natürlich könnte man darüber ganze Bücher schreiben. Mmmmh… warum der Konjunktiv? Es gibt darüber schon ganze Bibliotheken. Und auch wir haben schon an der ein oder andere Stelle darüber geschrieben (z.B. über Weihnachten in Südamerika). Hier nun wollen wir aus gegebenen Anlass zwei in Deutschland eher unbekannte Feiertage vorstellen.

Fiestas Patrias (18./19. September)

Die „Vaterlandsfeiern“ sind in Chile wichtiger als Weihnachten und Ostern zusammen. Kern der Feierlichkeiten sind zwei Tage.

Am 18. September wurde ursprünglich der Bildung der ersten Regierungsjunta im Jahr 1810 und dem damit begonnenen Unabhängigkeitskrieg gedacht. Seit 1915 gilt der Tag dem „Gedenken an die nationale Unabhängigkeit“ (Conmemoración de la Independencia Nacional).

Die offiziellen Feierlichkeiten umfassen einerseits ein großes ökumenisches Te Deum (Te Deum Ecuménico). Diese Danksagungsliturgie wird normaler Weise in der Kathedrale von Santiago abgehalten, fand 2020 jedoch in kleinem Rahmen mit lediglich 50 Gästen in der in der Wallfahrtskirche der Unbefleckten Empfängnis (Santuario de la Inmaculada Concepción) auf dem Gipfel des Cerro San Cristóbal statt. Der Nachmittag steht im Zeichen einer großen Operngala im Teatro Municipal de Santiago… also normaler Weise.

Am 19. September ist der „Tag des Heeres“. So würden wir einen solchen (in Deutschland allerdings wohl undenkbaren) Feiertag ausdrücken. Im Original heißt es „Tag der Herrlichkeit der chilenischen Armee“ (Día de las Glorias del Ejército de Chile). Es ist eine Hommage an die chilenischen Soldaten, die ihr Leben dem Schutz und dem Wohl Chiles gegeben haben und wird normaler Weise mit einer großen Militärparade im Parque O’Higgins von Santiago de Chile begangen. Diese seit 1832 stattfindende Parade mit zuletzt über 7.600 Soldaten wurde bisher nur viermal abgesagt:

  • 1891 (Bürgerkrieg)
  • 1924 (Ruido de sables = „Säbelrasseln“ des Militärs)
  • 1973 (Ausnahmezustand nach Staatsstreich)
  • 2020 (warum wohl…)

Diese Jahr gab es nur eine kleine Veranstaltung im Hof der Militärschule mit 32 Uniformierten und wiederum 50 Gästen.

Doch bei diesen zwei Tagen bleibt es nicht. Je nachdem wie sie fallen, werden noch der 17. oder 20. September für ein stark verlängertes Wochenende hinzugenommen. Faktisch wird aber die ganze Woche gefeiert. Das beinhaltet insbesondere Familienbesuche mit regelmäßig feucht-fröhlichem Asado. Da ist ein langes Wochenende zur allgemeinen Wiederherstellung einer präsentablen Konstitution sicher nicht schlecht ;-)

Ein anderer in diesen Tagen offensichtliche Umstand ist in Deutschland (wenn überhaupt) nur ansatzweise zu Zeiten einer Fußball-WM denkbar: das Hissen der Nationalflagge. Zur Fiestas Patrias handelt es sich dabei sogar um eine Vorschrift, die bei Nichtbeachtung mit bis zu 40.000 Pesos (ca. 50€) Strafe geahndet wird. Na so eine Regelung sollte sich unsere Regierung zum 3. Oktober mal erlauben ;-)

Día del Encuentro de Dos Mundos (12. Oktober)

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand in Gedenken der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus ein Feiertag, der das gemeinsame spanische und ibero-amerikanische Erbe würdigen sollte. Dieser Tag hat inzwischen viele Namen, unter anderem…

  • Día del Encuentro de Dos Mundos (Tag der Begegnung zweier Welten) in Chile und Peru
  • Día del Respeto a la Diversidad Cultural (Tag des Respektes für die kulturelle Vielfalt) in Argentinien
  • Día de la resistencia indígena (Tag des indigenen Widerstands) in Nicaragua und Venezuela
  • Día de Colón (Kolumbus-Tag) in den USA
  • Día de la Hispanidad (Tag des hispanischen Erbes) in Spanien
  • Día de la Raza (Rasse-Tag) in einigen Ländern Mittelamerikas

Insbesondere die letzte Bezeichnung sorgt bei einem geschichtsbewussten Deutschen sicherlich für ein tiefes Durchatmen. Tatsächlich handelt es sich dabei nach der 1914 erstmals in Spanien begangenen „Fest der Spanischen Rasse“ (Fiesta de la Raza Española) jedoch um den ab 1915 geläufigen, ursprünglichen Namen dieses Tages.

Da heute ein Montag ist, findet der Feiertag dieses Jahr auch tatsächlich am 12. Oktober statt. Bei aller sturen Regelhörigkeit in Bezug auf unsere immer noch verwehrte Einreise zeigt man sich zumindest in Bezug auf lange Wochenenden erstaunlich flexibel. Bei der Fiesta Patrias wird bei Bedarf verlängert und fällt der 12. Oktober auf einen Dienstag bis Freitag, wird er einfach am nächstliegenden Montag begangen. Ist doch viel praktischer.

Im Jahr 2020 bringt das in Valdivia jedoch nur ein Tag mehr öffentlichen Stillstand mit sich. Seit der Herabstufung auf „Stufe 2“ gilt nicht nur an Wochenenden, sondern halt auch am heutigen Feiertag eine allgemeine Ausgangssperre. Für uns ist das aber sehr angenehm. Die Sonne scheint und wir haben den Hafen praktisch für uns alleine. So kann man auch im chilenischen Bootsgefängnis entspannt die hiesigen Sitten genießen.