Rio Grande del Sur

Natürlich kamen wir mal wieder nachts an. Das kommt sicherlich nicht nur mir inzwischen recht bekannt vor. Nach den letzten Meilen vorbei an ankernden Fischern, Hafenanlagen, großen Pötten engem Kanal und beleuchteter Stadt machten wir um 2:40 Uhr nicht im ortsansässigen Yachthafen sondern auf Empfehlung des nautischen Brasilienführers der RCCPF (Link) am gleich daneben gelegenen Steg des „Museu Oceanografico“ fest. Eine sehr gute Entscheidung!

Da liegen nicht nur Schmuckstücke im Hafen von Rio Grande.

Am nächsten Tag (be)suchte ich Lauro Barcellos, den Direktor des Museums, der meeresbiologischen Lehranstalt CCMar und noch einiger anderer Einrichtungen. Sein Empfang war überwältigend. Ganz in weiß gekleidet kam er mir mit „Ich spreche leider nicht sehr gut deutsch!“ entgegen und nahm sich Zeit für ein sehr freundliches Begrüßungsgespräch in seinem mit verschiedensten Andenken überreich dekorierten Büro. Wir können gerne am Steg liegen bleiben so lange wir möchten, natürlich auch Strom und Wasser nutzen. Bezahlen müssen wir dafür nichts, uns lediglich in sein dickes Buch eintragen und dabei die Frage „What’s a sailboat?“ beantworten. Zum Abschied gab er mir noch eine Flasche Rosé-Sekt für La Skipper und einen Maori-Segensanhänger für das Boot mit. Als er einige Tage später am Steg vorbeikam, erhielt er neben seinem Buch auf seine Bitte hin auch noch unsere ausrangierte Berlin-Flagge als Andenken. Das ist doch das Mindeste!

Natürlich haben wir uns das Museum dann auch mal angeschaut, das neben einer kleinen Sammlung auch ein kleines Antarktis-Museum und das „Centro de Recuperação de Animals Marinhos“ (CRAM) mit aktuell vier Pinguinen und einem Seelöwen beherbergt.

Rio Grande selbst ist nicht unbedingt eine Ausgeburt der Schönheit, wie sich bei den Spaziergängen und Taxifahrten im Zuge der Formalitäten für die Ausreise aus Brasilien zeigte. Viele Häuser waren sicherlich einmal wahre Schmuckstücke, sehen heute aber größtenteils recht „verbraucht“ aus. Eine große Kirche mit zu der Zeit obligatorischer bunter Krippe, eine Fußgängerzone mit 20m langer Schlange vor dem – wie hier üblich separaten, direkt von der Straße erreichbaren – Eisverkauf von McDonalds, ein kleiner Angelladen, erstaunlich viele Möbel- und Matratzengeschäfte, ein schöner grüner Platz im Zentrum… und alles sehr geschäftig.

Schließlich gibt es in der Nähe des Museums einen großen Supermarkt und gleich daneben noch einen Laden, der sich (neben allerlei anderen Sachen) auf Süßigkeiten in Großpackungen spezialisiert hat. Ein Pflichtbesuch für die Kinder!

Ach ja, tanken waren wir in Rio Grande ja auch noch. Und da handelt es sich wirklich um ein schönes kleines Schmankerl. Der Freizeitskipper wird an den hinteren „Steg“ (besser dessen schiefen Reste) gewunken, um dort längsseits festzumachen. Hinten im „U“ zwischen Tanksteg für Fähre rechts und einer hölzernen, weit hineinreichenden Ruine links. Natürlich mit Strom und schräg auflandigem Wind. Aber wie heißt es so schön: In Südamerika tanke man nicht, wenn man muss, sondern immer dann, wenn man halbwegs unkompliziert kann. Und eine Tankstelle zum Anlegen ist hier praktisch der Gipfel der Unkompliziertheit… selbst unter diesen Bedingungen!

Luxustankstelle in Brasilien

Die Formalitäten waren erledigt, Kühlschrank sowie Tank gut gefüllt und schon wieder fünf Tage vergangen. Es wurde Zeit, Brasilien „auf Wiedersehen“ zu sagen. Eigentlich wollten wir von hier ja gleich bis Buenos Aires durchfahren. Doch da machte uns der Wetterbericht mal wieder einen Strich durch die Rechnung, so dass wir nun doch noch dem kleinen Nachbarn Uruguay einen Besuch abstatten würden. Aber das ist eine andere Geschichte.

P.S. Unser Eintrag in das Buch von Lauro Barcellos:

Wetterfenster nach Rio Grande del Sur

Wetterfenster, das: Eine unter Seglern so benannte zeitliche Periode, in der insbesondere der vorhergesagte Wind in Richtung und Stärke gerne nebst Sonnenschein gute Segelbedingungen für das angepeilte Ziel erwarten lassen.

Soweit – so gut… und wie kann das in der Praxis von Laguna nach Rio Grande aussehen?

Das Problem ist, dass es sich hier um einen fast 300sm langen Küstenabschnitt ohne jede auch noch so kleine Chance eines Zwischenstopps handelt. Es muss trotz der tendenziell wechselhaften Bedingungen hier also in einem Rutsch nach S(üd)W(est) durch gesegelt werden. Die eingeholten Wettervorhersagen (Seadocs und Wetterwelt) waren sich recht einig. Nach bevorstehendem, kurzem NE-Wind herrscht in der mittleren Zukunft eine ungewöhnlich stabile SW-Windlage. Zur Erinnerung: beim Wind zeigt (im Gegensatz zur Strömung) die Himmelsrichtung an, wo der Wind herkommt! Wir hatten in absehbarer Zeit also nur eine realistische Chance, ein kleines Wetterfenster mit etwas mehr als einem Tag gut segelbaren Wind Richtung Rio Grande. Also los…

Durchwachsener Auftakt am Dienstag: Vorhersage zunächst schwach windig, später etwas zunehmend auf E 3-4

Von 3m Restwelle (auch Schwell genannt) des vergangenen Südwinds hatte aber keiner was gesagt. Der anfangs fehlende Wind war kein Problem, da wir ohnehin noch den Wassermacher für ein paar Stunden laufen lassen mussten. Und das geht nun mal nur unter Motorfahrt. Nachmittags hatten wir dann mit 4 Bft. E-NE erstmals wirklich gut segelbaren Wind… das Fenster öffnete sich.

Das offene Fenster am Mittwoch: Vorhersage schon nachts weiter zunehmend auf NE 5-6, nachmittags etwas abnehmend aber abends bis nachts wieder zunehmend NE 4

Ja, so sieht ein schönes Wetterfenster aus. Kräftiger Wind von hinten versprach schnelles Segeln mit vielen Meilen und weitgehend unkritischer Welle. In der Tat nahm der Wind sogar schon Dienstagabend zu. Nein, nicht auf 5-6 Bft. sondern gleich mal auf Böen über 30 kn (also 7 Bft.). Da reichte das Großsegel im 1. Reff lange Zeit völlig aus. Nachmittags nahm der Wind bei inzwischen geschlossener Wolkendecke tatsächlich auf 4 Bft. ab. Unter Vollzeug machten wir weiter gut Strecke. Abends war der Wind dann plötzlich weg. Einfach so. Da hatte er wohl die Vorhersage nicht richtig gelesen. Und wir mussten viel früher als erwartet schon den Motor anwerfen. Wenigstens blieb der von Wetterwelt prophezeite Regen aus.

Unvergessliches Finale: Vorhersage ab Donnerstag früh SW 4-5 (evtl. Böen 6), abends abnehmend und S-drehend

Diese Vorhersage war der Grund, warum wir eigentlich schon Montagabend losfahren wollten, was aus den geschilderten Gründen leider nicht klappte. Ja, das eigentliche Wetterfenster war hiermit geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt sollten wir jedoch keine 40sm vor der Einfahrt in gut geschützte Gewässer stehen. Nicht schön, aber 4-5 Windstärken auf die Nase lassen sich unter Motor für eine gewisse Zeit halbwegs plausibel fahren.

Der Wind kam dann leider überpünktlich. Schon um 3 Uhr nachts wehte es exakt aus SW. Allerdings mit 5, in Böen 6 Windstärken. So zum warm werden. Den gesamten Donnerstag blies es schließlich mit konstanten 6 Bft. und regelmäßigen Böen über 30kn (stabile 7) voll auf die Nase. Gerade mal 24 Stunden zuvor war das, wenn auch minimal schwächer, exakt umgekehrt! Und es sei daran erinnert, dass aufgrund des zu diesem Zeitpunkt defekten Autopilots (der mit den Bedingungen aber ohnehin seine Probleme gehabt hätte) immer, also wirklich immer jemand (ok… zu 90% der Skipper) am Steuer stehen musste.

Etmal, das: Die mit einem (Segel-)Boot in 24 Stunden zurückgelegte Strecke über Grund in Seemeilen. Eine Seemeile hat die Länge von 1.852m. So ein mittleres Etmal für Fahrtenboote unserer Größe liegt mit 5kn Durchschnittsgeschwindigkeit bei 120sm. Wenn es schlecht läuft, kann man schon mal unter 100sm rutschen. Bei guten Bedingungen und/oder passendem Strom geht es natürlich selbst bei uns auch gerne mal höher. Von der Atlantiküberquerung eines etwas größeren Fahrtenbootes wurde kürzlich sogar ein persönliches Rekord-Etmal von 189,4sm (im Schnitt knapp 7,9kn!) berichtet.

Ja, auch wir schreiben hin und wieder an dieser Stelle die Information über unser Etmal. Doch heute möchte ich ein Statement gegen die unter Seglern weit verbreitete, fast schon wahnhafte Fixierung auf diese Kennzahl abgeben. An eben jedem Donnerstag legten wir von 10:30 Uhr bis 15:24 Uhr knapp 7,5sm zurück. Das ergibt rein rechnerisch ein Etmal von ca. 36sm. Das ist auf der Ostsee etwas mehr als die Strecke Kühlungsborn – Travemünde. In 24 Stunden. Diese Neuentdeckung der Langsamkeit könnte man fast genießen, würde denn die Sonne scheinen und hätte sich die Welle nicht auf ruppige 2-3m aufgebaut. Immerhin wurde sie durch die mit der Welle (und damit gegen uns) laufenden Strömung nicht weiter „aufgesteilt“.

Fast den ganzen Donnerstag kamen wir also gelinde gesagt SEHR langsam voran. Lange Zeit zeigte der Geschwindigkeitsmesser kaum mehr als 1kn SOG (Speed Over Ground) an. Zur Erinnerung für Nicht-Segler: kn = Knoten = sm pro Stunde… 1kn sind also knapp 2km/h! Um 15:24 Uhr sahen wir dann erstmals seit Stunden wieder einen Wert über 3kn und nach einer gefühlten Ewigkeit war es Freitag früh um 0:25 Uhr endlich geschafft. Nach über 20 Stunden Quälerei standen wir endlich vor der Einfahrt in den großen Lagoa dos Patos. Nach Rio Grande waren es damit zwar immer noch 12sm, doch diese konnten wir nun entspannt, gut geschützt ohne Welle und Gegenwind angehen.

Frei nach dem sehr empfehlenswerten Kling’schen Känguru steht eine Wiederholung dieses Tages ziemliche weit oben auf meiner „Not-2Do-Liste“ :-)

Laguna

Wieder einmal war ungeliebter Südwind angesagt den wir dieses Mal in dem letzten geschützten Hafen vor Rio Grande del Sur abwettern wollten: Laguna. Dieser Ort liegt nicht direkt an der Küste, sondern etwas landeinwärts an einem mit dem Meer verbundenen See gelegen. Die Einfahrt wird von zwei langen Molen flankiert. Man kann leider nicht „geschützt“ sagen, denn der Architekt muss eine besondere Vorliebe für seemännische Herausforderungen haben:

  • Nördlich der Nordmole verzeichnet die Seekarte „Wasserturbulenzen“ bzw. „Brandung“ bis vor die Zufahrt.
  • Nördlich der weiter raus ragenden Südmole ist es über die gesamte Breite der Zufahrt flach und steinig, so dass schon leichter Wellengang für imposantes, mithin unpassierbares „Rauschewasser“ führt.

Natürlich wird die Zufahrt bei Ostwind als „gefährlich“ eingestuft. Natürlich ist auch starker Wellengang aus anderen Richtungen nicht unproblematisch. Und natürlich kamen wir mal wieder nachts an.

Eine Einfahrt wie im Bilderbuch.

Nach dieser Einfahrt ist der Spaß aber noch lange nicht vorbei. In der auf offiziellem brasilianischen Material basierenden Seekarte ist die Zufahrt zum „Iate Clube de Laguna“ klar zu erkennen. Man hält sich im hellblauen Bereich und hat immer mehr als zwei Meter Wassertiefe. Langsam tasteten wir uns voran, schnell wird es deutlich flacher, bei gut einem Meter ziehen wir (mit aufgeholtem Schwert) die Notbremse (rot umkreist). Zeitgleich nehmen wir das Pfeifen und Rufen von der noch am Ufer wartenden Autofähre als das wahr, was sie waren: Für uns bestimmte Warnungen!

„Havarie!“ ruft der Fährkapitän herüber. Wir sollen ihm hinterher fahren… da ist es ok. Im Gegensatz zur Karte, wo die grüne Farbe  (blau umkreist) eigentlich einen bei Niedrigwasser trocken fallenden Bereich anzeigt, war es dort dann auch immer fast 2m tief. Doch die Fähre machte recht bald am anderen Ufer fest, der Yachtclub noch ein Stück entfernt und der Karte offensichtlich nicht zu trauen. Langsam tasteten wir uns mit Suchscheinwerfer am bebauten Ufer entlang, bis wir von zwei in Ihrem Bootshaus stehenden Männern rangewunken wurden. Und dann hat einer von Ihnen tatsächlich sein für die Nacht verstautes Boot wieder zu Wasser gelassen, den knatternden Motor angeworfen und uns sicher bis zum Ziel geführt. Dort wartete schon ein Clubmitarbeiter winkend auf uns, bestätigte seine nicht-Kenntnis der Tiefe am Pier, nahm die Leinen an und wir lagen um halb elf endlich sicher und ruhig auf ca. 1,7m und konnten den Adrenalinspiegel langsam wieder runter drehen.

Sehr zu empfehlen.
Exklusiver Liegeplatz mit Ausblick auf Delfine und Fischer.

Die kleine 1676 gegründete Kolonialstadt zur Seeseite ist zu Fuß schnell erkundet, auf den Besuch der an der Meeresküste gelegenen Touristenhochburg haben wir dankend verzichtet.

Nach zwei – im Übrigen kostenlosen! – Nächten war der Südwind durch und wir wollten weiter. Am frühen Abend hieß es also „Leinen los“ und durch die nun ja bekannte Passage Richtung legendärer Zufahrt.

Dort dann die Ernüchterung. Nicht nur über dem bekannten Flach schäumte das Wasser. Der Schwell der durchgegangenen Front drehte in die Zufahrt und sorgte über die gesamte Breite für Brecher. Schön für Surfer, und wahrscheinlich wären wir da auch irgendwie durchgekommen. Aber das wäre in die Kategorie „unnötiges Risiko“ gefallen. Also für die Nacht zurück zu unserem alten Liegeplatz.

Das muss jetzt nicht sein!

Am nächsten Morgen musste es dann aber wirklich mal weiter gehen, sonst wäre das ohnehin recht kurze Wetterfenster nach Rio Grande geschlossen. Zusammen mit dem die letzten zwei Nächte neben uns gelegenen Katamaran machten wir uns um 6 Uhr auf den Weg. Ja, es sah schon besser aus als am Vorabend, aber so richtig gut war das immer noch nicht. Tapfer kämpfte sich der Katamaran durch, wir hinterher. Am Anfang sah es auch so aus, als wenn wir echt Glück gehabt hätten. Wellen von der Seite, aber keine Brecher… noch nicht. Dann kamen die berüchtigten drei großen Wellen hintereinander (ein Phänomen, das man immer wieder beobachten kann).

Ausweichen ging nicht mehr, von der Seite bekommen sollte man sie auch nicht, also spitz gegen die Brandung gesteuert, Boot auf Kurs gehalten, die kalte Dusche abgeschüttelt, laute Flüche von La Skipper überhört, in der kurzen Pause wieder quer zur Welle die Passage genommen, nächsten Brecher wieder spitz…  schön ist anders.

Aber nach diesen drei Brechern kam dann wieder eine ruhigere Zeit in der wir aus der unmittelbaren Gefahrenzone rauskamen. Nass aber glücklich und bei nun nur noch 2-3m verbliebenen Schwell ging es auf Kurs… rein ins Wetterfenster?!

In Brasilien Richtung Süden

Ursprünglich hatten wir mal geplant, in einem langen Schlag von Rio de Janeiro bis unserem letzten Stopp in Brasilien Rio Grande del Sur zu fahren. Doch bei allen Vorbehalten gegenüber der Wettervorhersage (davon wird später noch ausführlicher zu berichten sein) war schnell klar, dass es hier einfach zu wechselhaft für diese über 700sm lange Strecke ist. Immer wieder zieht eine Front mit starken Südwinden durch, die wir lieber in einer geschützten Bucht vor Anker oder auch einem sicheren Hafen verbringen wollten.

Ein letzter Blick auf Rio de Janeiro

Im Grunde fing es schon am ersten Tag an. Entgegen der Vorhersage nicht sinnvoll zu segeln, wurde nach stundenlanger Motorfahrt bei echt blöder Welle (und entsprechenden Auswirkungen auf Teile der Crew) schnell ein erster Zwischenstopp bei der Ilha Grande beschlossen. Natürlich sind wir mal wieder nachts dort angekommen doch ein anderes Segelboot, das sogar das Ankerlicht eingeschaltet hatte, gab im Schein unseres Scheinwerfers einen guten Anhaltspunkt. Die anderen, tiefer in der Enseada das Palmas gelegenen Schemen dagegen verhießen nichts Gutes, so dass an Ort und Stelle den Anker fiel. Im Tageslicht zeigte sich dann wirklich eine sehr schöne, grüne Bucht mit kleinem Strand. Allerdings lud das braune, mit Grünzeug durchsetzte Wasser nicht wirklich zum Baden ein. Kurze Zeit später fuhr dann sogar ein Kreuzfahrtschiff in die Nachbarbucht und kleine Tenderboote brachten Tagesgäste. Es wurde Zeit weiter zu fahren.

Ilha Grande

Den Schwachwind des nächsten Tages nutzen wir, um mit dem Wassermacher für ausgiebigen Nachschub in Tank und Flaschen zu sorgen. Nachts, wir konnten inzwischen mit Vollzeug segeln,  überholte uns dann eben die vom Vormittag schon bekannte „Fähre“. So heißen Kreuzfahrtschiffe im Automatischen Identifizierungssystem (AIS) mangels eines passenderen Typs. (nur kurz: AIS ist ein auf einer dafür reservierten Funkfrequenz selbstorganisierend sendendes und empfangendes System, auf dem die Berufsschifffahrt verpflichtend Ihre Schiffsinformationen inkl. Kurs, Geschwindigkeit etc. übermittelt. Auf dem Kartenplotter werden diese Schiffe angezeigt und dabei dann auch Zeit und Entfernung der größten Annäherung berechnet. Wir Freizeitskipper können uns freiwillig mit AIS ausrüsten, so dass auch die dicken Pötte uns auf dem Schirm haben… SEHR SINNVOLL!).

Aus See südlich von Rio…

Um 23 Uhr begann der ohnehin schon hell erleuchtete Partydampfer dann mit einer Lichtshow, die perfide an Flakscheinwerfer über einer dunklen Stadt zu einer noch dunkleren Zeit erinnerten. Auch sonst war es eher eine Nacht zum Vergessen: in Stärke und Richtung wechselnde Winde, Schwell, ein entgegenkommender Frachter stur auf Kollisionskurs… schön ist anders.

Ankerlieger und Gegenverkehr im AIS

Nach einem mit 6 Windstärken durchsegelten Tag brachte die nächste Nacht dann eine böse Überraschung: plötzlich hakte das Steuerrad und der Autopilot funktionierte nicht mehr. Diese freudige Nachricht wurde von einem entsprechenden Wetterbericht abgerundet, so dass wir uns für zwei Nächte bei der Ilha do Mel vor Anker legten. Dort, von der ersten Bucht mit unangenehmen Schwell an die grüne Nordküste der Insel verholt, konnten wir endlich mal in Ruhe durchatmen und die immer wieder vorbeischauenden Delfinen beobachten.

Ilha do Mel

Nachdem ich den Autopiloten vom Ruderquadranten getrennt hatte, war das Steuer auch wieder in Ordnung. Wenigstens war also nichts im Ruder verfangen. Aber unter Motor musste von nun an immer jemand am Steuer stehen. Unter Segeln haben wir aber wenigsten noch den rein mechanischen Windpilot, der uns dann bei raumen 5-6 Bft. auch den Großteil der Strecke nach Laguna sicher steuerte. Aber dieser Ort ist ein eigenes Thema. 

Weihnachten und Silvester in Südamerika

Heute ist der 31. Dezember, in einem halben Tag ist auch das Jahr 2019 Geschichte. Im Blog hängen wir ja immer noch etwas hinterher, aber noch diese Woche geht es mit der Abfahrt aus Rio de Janeiro Richtung Süden weiter. Heute dagegen aus gegebenen Anlass ein paar Zeilen zu den letzten Tagen des Jahres.

Maila hat im letzten Artikel ja schon festgestellt, dass Weihnachten in Buenos Aires dieses Jahr etwas komisch war. Der Heilige Abend selbst bot strahlenden Sonnenschein bei über 30°C. Die klassische Weihnachtsstimmung kam da trotz geschmücktem Salon nur spärlich auf.

Girlanden neben jahreszeittypischem Obst…
Zwei von Mailas selbst gebastelten Sternen…

Nach tropischer Nacht zog am 1. Weihnachtsfeiertag dann mal wieder ein Gewitter über die Stadt. Dieser stete Wechsel scheint hier zu dieser Zeit normal zu sein.

Auch die Vorweihnachtszeit gestaltet sich hier ganz anders als in Deutschland.

Im öffentlichen Raum merkt man das kommende Fest schon, aber es ist bei weitem nicht so intensiv wie bei uns. Mangels früher Dunkelheit wird auf weihnachtliche Straßenbeleuchtung gleich mal ganz verzichtet. Nur hin und wieder findet sich etwas Schmuck an den Laternen. Supermärkte und Einkaufszentren sind dezenter geschmückt als bei uns, in letzteren darf der obligatorische große, bunte Weihnachtsbaum aber nicht fehlen.

Klassischer Schmuck beim ZOB / Einkaufszentrum Tres Cruzes in Montevideo?!

Gerade in Brasilien scheint es allgemein etwas bunter zuzugehen. Selbst die Krippen in den Kirchen blinken und blitzen in den verschiedensten Farben…

Laguna im Gesamteindruck
Laguna im Detail
Rio Grande del Sur

… in den Hauptkirchen von Montevideo und Buenos Aires war es etwas dezenter:

Catedral Metropolitana de Montevideo (Uruguay)
Catedral Metropolitana de Buenos Aires (Argentinien)

Die Hauptunterschiede in den Supermärkten waren ja schon im vorletzten Artikel über Niteroí angerissen. Statt der bekannten heimischen Saisonware gibt es hier zweierlei:

  • Große, weiche und in der Regel sehr leckere Kuchen… mögen sie nun Pandoro oder Panettone heißen.
  • Geschenkboxen verschiedener Größe mit einer bunten Auswahl an Speis und Trank fürs Fest. Diese scheinen zumindest in Argentinien auch ein klassisches Mitarbeitergeschenk zu sein… am späten Nachmittag des 23. Dezember wurden jedenfalls viele davon im Zug gesichtet.

Bei uns sind in den letzten Jahren ja gerade die privaten Beleuchtungen immer großartiger und bunter geworden. Ich erinnere mich, früher auf dem Schulweg immer die leuchtenden Tannenbäume in den Vorgärten gezählt zu haben. Hier sieht man höchstens den bunt geschmückten (kunstlichen!) Weihnachtsbaum aus der Wohnung scheinen oder aber bunte Lichterketten und  -vorhänge in den Fenstern. Letzteres war bezeichnender Weise gerade in einem der weniger guten Wohnviertel von Buenos Aires am intensivsten. Die eng zusammen stehenden, mehrstöckigen, wild durcheinander gebauten Häuser zwischen Bahnhof, Gleisen, Autobahn und Hafen sehen größtenteils aus wie im Rohbau. Der natürlich vergitterte „Balkon“ der oberen Stockwerke war teilweise gerade mal 3 Meter (sic!) neben der Hochtrasse der Schnellstraße gelegen, man hätte die trocknende Wäsche teilweise mit einem Griff aus dem Auto einsammeln können. Doch gerade hier waren viele der Wohnungen nicht nur von normalem Licht, sondern die Fenster eben weihnachtlich bunt erleuchtet wie wir es sonst nirgendwo anders gesehen haben. Nicht nur, aber besonders auch diesen Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, gelten unsere besten Wünsche für ein frohes Fest!

Magerer Adventskalender auf der Samai

Auch der Jahreswechsel wird für die Crew der Samai dieses Jahr mal ganz anders. Nachdem wir die letzten Jahre traditionell nach Kühlungsborn gefahren sind, wo die Eltern zu Silvester ihre Erdbeerbowle genossen und das Feuerwerk am Strand bestaunt wurde, verbringen wir den Countdown 2020 dieses Jahr an Bord auf dem Weg von Buenos Aires Richtung Süden. Mitternacht UTC-3 werden wir etwa 10-15sm südlich von Mar Del Plata sein. Mal sehen, ob wir an Land etwas Feuerwerk erspähen können. Immerhin steht zum Anstoßen ein Fläschchen Sekt kalt („nur ein winziger Schluck“ ;-) und auch das klassische „Dinner for One“ haben wir natürlich dabei.

In diesem Sinne wünschen wir ein frohes Fest gehabt zu haben und einen guten Rutsch in das neue Jahr 2020. Mögen die Erfahrungen dieses Jahres immer ein bisschen besser und schöner sein, als unsere Vorsätze und Wünsche.