Bahía de Caráquez, 1. Februar 2021
Ja, ja… Der Blauwassersegler genießt die große Freiheit fernab des Ufers auf den Weiten des wilden Ozeans, eins mit sich und der Natur, begleitet nur vom Rauschen der Wellen und dem Pfeifen des Windes. Schon klar. Kling toll und romantisch und birgt ja durchaus auch einen gar nicht so kleinen Kern Wahrheit in sich. Es gibt aber ein ziemlich großes „ABER“…
So ein Boot biete nicht wirklich viel Auslauf. Noch dazu, wenn man zu viert auf einem in Blauwasserkreisen doch eher kleinerem Boot unterwegs ist. Da freut man sich, auch mal an Land zu kommen. Schließlich möchte man ja nicht nur das Wasser sehen. Das sieht sich weltweit wirklich ziemlich ähnlich. Man möchte auch in die Länder eintauchen. Das geht nur sehr eingeschränkt, wenn man das Boot nicht verlassen darf. So geht es nun schon seit Monaten. Natürlich haben wir in Patagonien Landausflüge in die Wildnis unternommen. In Valdivia durften wir ja immer – ach wie großzügig – das Hafengelände frei betreten. Aber sonst? Der letzte Besuch des Skippers im Supermarkt ist über acht Monate her, der letzte Restaurantbesuch der Familie fast gar 10 Monate. Andere Menschen haben wir vor allem aus der Ferne gesehen.
Das wäre ja nicht so schlimm, wenn es alle gleichermaßen trifft. Doch als dann die anderen Segelcrews aus Europa einfliegen, problemlos einreisen und sich frei im Land bewegen dürfen, ist das zugegebener Maßen eine unerwartete Belastung für die ganze Crew. Als wir bei unserem ersten Versuch in Ecuador dann auch nicht wirklich reingelassen werden, bietet sich das gleiche Schauspiel. An Land tobt das Leben, als wenn es keine Pandemie gäbe. Wir dagegen stellen offenbar eine zu große Gefahr dar.
Jetzt also noch ein Versuch in Ecuador. In der Bahía de Caráquez soll man Segler wohl reinlassen. Auf ein Neues. Schon bei unserer Ankunft am 31. Januar werden wir gelassen in Empfang genommen. Man erbittet unsere Unterlagen und werde alles Weitere in die Wege leiten. Schon am nächsten Tag ist es soweit.
Am frühen Nachmittag kommt ein kleines Boot zur Samai. An Bord sind Sicherheitschef Miguel (mit großer „Glock“ auf seinem T-Shirt!) sowie ein Tarnfleckvertreter der Armee bzw. Armada. Dieser hält sich im Weiteren vornehm in Hintergrund. Nur einmal fragt er, ob wir Waffen an Bord hätten. Also Schusswaffen. Gott bewahre, das heftigste Kaliber an Bord ist unsere brasilianische Machete. Dieses entlockt ihm aber kaum mehr als ein mitleidiges Lächeln.
Außerdem kommen zwei Vertreter der Gesundheitsbehörden an Bord. Ein nettes Gespräch, ein paar Fragen, natürlich komplett auf Spanisch. Dann werden diverse Utensilien ausgepackt. Zur Sicherheit schaut man sich nochmal ein (Anleitungs-?!)Video auf dem Handy an. Die Crew wird zum Test gebeten. Jeder bekommt einen kleinen Piekser in den Finger, etwas Blut wird abgezapft und auf ein kleines Plastikteil geträufelt. Kurz danach stehen die Ergebnisse fest.


Dreimal gibt es keinerlei Beanstandung. Lediglich bei Samuel zeige das Ergebnis, dass er C*** wohl schon gehabt und überwunden habe. Jetzt mal ganz ehrlich… wir hocken hier seit über einem Jahr tagein-tagaus aufeinander. Keiner dieser Tage beginnt ohne einen der berüchtigten „Samuel-Guten-Morgen-Kuschler“. Und dann soll nur er den Virus gehabt haben? Wenn das wirklich so wäre, dann kann es mit der Ansteckungsgefahr aber wirklich nicht so weit her sein. Wir gehen mal stark von einer gewissen Unschärfe im Test aus.
Letztlich ist das aber auch egal. Unsere Segelzeit hierher geht als mindestens 21-tägige Quarantäne durch. Alles gut. Die Tore des Bootsgefängnisses öffnen sich. Wir dürfen gerne jederzeit an Land gehen. Die Freiheit hat uns wieder!

Kurz danach ist das Dinghy fertig gemacht und wir paddeln zum Steg. Die Tore der Marina öffnen sich und wir stehen auf der Straße. Wow… was ist das lange her. Der erste Weg führt dann ganz banal in den Supermarkt. Ich habe jetzt sogar eine ecuadorianische Kundenkarte im Portemonnaie… schließlich wollen wir nicht unnötig die höheren „No Afiliado“-Preise bezahlen. Und hey, da ist sogar ein Frisör! Na auf den wird demnächst noch einiges an Arbeit zukommen.
Abends bekommt der Skipper nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder frei: wir gehen auswärts Essen. Eine kleine Grillbar lockt mit luftiger Terrasse und bunten Bildern. Eine Touristenfalle? Nicht wirklich, dafür sitzen dann doch ausreichend Ecuadorianer an den Tischen. In Unwissenheit der Portionsgrößen wird bestellt. Vorab kommen ohne Aufforderung ein großer Teller Chips mit zwei Dips (rot-scharf mit frischem Gemüse sowie grün-cremig mit Koriander) auf den Tisch. Die Jungs teilen sich eine Grillplatte für Zwei, bei der mindestens eines unserer Mädels problemlos hätte mitessen können. Die Reste nehmen wir natürlich gerne mit. Maila genießt ihr riesiges, ultra-dünnes Hühnchen vom Grill und noch viel mehr die Pommes. Endlich mal wieder leckere Pommes!

Die Rechnung ist erfreulich und so rollen wir satt und glücklich zurück zum Dinghy. Unser erster Tag in wieder gewonnener Freiheit neigt sich dem Ende zu…
