Zu Hause?!

27. August 2022

„Willkommen zu Hause!“ Diesen Satz haben wir in letzter Zeit einige Male gehört und gelesen. Drei einfache Worte. Und doch so schwierig. Die erste Woche in Berlin, unserem alten und wohl auch neuen zu Hause ist wenig überraschend recht hektisch.

Erster Punkt auf der langen Liste ist eine Shopping-Tour. Insbesondere die Kinder brauchen neue Klamotten. So wie sie im Bordalltag herumlaufen, können wir sie echt nicht in die Schule schicken. Auch der Skipper könnte mal eine neue Hose brauchen. Spandau-Arkaden am Samstag. Gleich das volle Programm. Doch wir werden fündig. Abgehakt.

Ansonsten steht das erste Wochenende in Berlin im Zeichen des Ankommens. Vor der Abfahrt hatten wir unsere Wohnung gekündigt. Die Suche nach einer neuen Unterkunft ist ein eigenes Thema. Bis dahin besetzen wir das Dachgeschoss meiner Eltern. Da ist es zwar recht groß, zumal wir ja doch eine eher beengte Umgebung gewohnt sind. Es sind aber halt doch nur zwei Zimmer für eine 4-köpfige Familie. Trotzdem gilt unser uneingeschränkter Dank meinen Eltern, ohne die wir aktuell in Berlin ohne (bezahlbares) Dach über dem Kopf dastehen würden.

Tief unter diesem Dach ist auch der von uns ziemlich vollgestopfte Keller. Über 70 Umzugskartons und manch anderes Zeug von uns steht hier die letzten Jahre herum. Zum Glück habe ich größtenteils mitgeschrieben, was wo steht. So finden wir die wichtigsten Dinge tatsächlich recht schnell. Dazu gehören insbesondere auch die PINs der EC-Karten. Die kann man schon mal vergessen, wenn drei Jahre lang alles nur mit Kreditkarte läuft.

Wer suchet, der findet… manchmal :-)

Der Rest unserer Sachen ist südlich von Berlin ist in Großbeeren eingelagert. Hier hat sich während unserer Abwesenheit allerdings der Zugang geändert, so dass wir da erst einmal gar nicht rankommen. Erst für die nächste Woche habe ich einen Termin bekommen, um die nun notwendige App vor Ort zu registrieren.

Ganz oben auf unserer 2do-Liste steht die Bürokratie. Vor drei Jahren haben wir (nachhaltig inspiriert vom Berliner Schulamt ;-) Samuel und Sandra aus Deutschland abgemeldet. Nun müssen wir sie wieder anmelden. Gerade auch vor dem Hintergrund von bevorstehendem Schul- und Arbeitsbeginn. Also gehen wir gleich am Montag zum Bürgeramt. Manch einer mag sich verwundert fragen, wie wir so kurzfristig an einen Termin gekommen sind?! Ganz einfach. Den haben wir online schon vor ca. 2 Monaten genau an dem Tag reserviert, als die Termine dieser Woche freigeschaltet wurden. Und wir sind ja lernfähig. Als wir vor unserer Abfahrt in einem Termin mehr als einen Vorgang erledigen, also mehrere Pässe beantragen wollten, wurde gefragt ob wir denn auch jeweils einen Termin dafür hätten. Damals nein, heute ja. Erster Termin zur Anmeldung von Sandra, eine gute halbe Stunde später ein zweiter Termin zur Anmeldung von Samuel und knapp zwei Stunden später (allerdings in einem anderen Bezirk) ein dritter Termin für das benötigte Führungszeugnis von Sandra. Wir treffen allerdings auf eine sehr nette Kollegin auf der anderen Seite des Schreibtisches, die gerne alles auf einmal für uns erledigt. Tolle Erfahrung auf dem Amt.

Ausräum-Chaos an Bord der Samai.

In der heutigen Zeit auch nicht ganz unwichtig ist das Handy-Thema. Die Familie hat vier einzelne Prepaid-Verträge mit entsprechenden (insbesondere online-)Gebühren. Diese sollen irgendwie harmonisch möglichst in einem gemeinsamen Vertrag (mit ausreichend Datenvolumen) zusammengeführt werden. Natürlich ohne die Rufnummern zu verlieren. Mit gemischten Gefühlen gehe ich zu dem „Servicepoint“ im Schloss… kein wilhelminischer Prachtbau, sondern ein Einkaufszentrum am östlichen Ende der Steglitzer Schlossstraße. Hier hatte ich zwar mal eher schlechte Erfahrungen gemacht, aber es liegt halt günstig in Schulnähe. Und Heute habe ich echtes Glück mit einem sehr netten Kollegen. Nach seiner kompetenten Beratung komme ich technisch mit dem heraus, was ich will und bezahle dafür einiges weniger als befürchtet bzw. erwartet. Ein paar Tage später ist alles erledigt. Endlich sind wir auch unterwegs ohne WLAN wieder online und müssen uns beim Telefonieren keine Gedanken über das Restguthaben machen. Tolle Erfahrung mit dem Mobilfunkanbieter.

Bordapotheke, wenn man mit einer Ärztin segelt…

So fliegt eine hektische Woche dahin. Am Wochenende werden dann die Kinder an die Großeltern „verkauft“ und die Eltern fahren nach Kühlungsborn zu unsere Samai Wir wollen ein paar Sachen erledigen und nicht zuletzt weiter ausräumen. In den drei Jahren hat sich echt einiges angesammelt… aber das erwähnte ich ja schon. ;-)

Auch wenn nicht jede überlebt hat…
… wären wir wohl so schnell nicht verhungert.

So sitze ich also gut eine Woche nach Ende unserer kleinen Rundreise wieder in meiner Navi-Ecke. Alles ist vertraut und doch ungewohnt. Ein bisschen Wehmut liegt in der Luft und durch den Kopf schlingert diese alte und doch immer wieder neue Frage… die nach dem eigenen zu Hause…

Ankunft in Kühlungsborn

17.-19. August 2022

Nun ist es also soweit. Der Morgen vor unserem letzten Abschnitt. Er empfängt uns diesig-grau. Gespenstisch erhebt sich die Sonne. Irgendwie passend. Nun gut, hilft ja alles nichts. Kurz nach neun Uhr geht der Anker auf. Wenig später fahren wir nach über drei Jahren wieder unter der Fehmarnsundbrücke durch. Dieses Mal in östliche Richtung. Das Abenteuer liegt nicht mehr voraus, sondern hinter uns. Spannend und anstrengend wird es trotzdem bald sein. Nicht heute. Kein Wind. Motorfahrt. Auch irgendwie passend.

Zumindest klart es recht zügig auf. Ein paar Stunden später kommt Kühlungsborn in Sicht. Unser Heimathafen. Die Strand ist brechend voll. War das früher auch schon so? Wir passieren die Seebrücke. Präsentieren stolz unsere Flaggenparade. Über dem Vordeck wehen alle Gastlandflaggen der von uns besuchten Länder und Regionen.

Irgendwie ist das alles hier vertraut und doch wieder fremd. Die Hafeneinfahrt kam uns früher irgendwie enger vor. Auch der Platz zwischen den Stegen erscheint uns erstaunlich großzügig bemessen. Perspektivenwechsel.

Wir werden schon erwartet. Am Kopfsteg stehen freudig winkend die Großeltern. Kleine, von irgendeinem Silvester übrig gebliebene Handfeuer kämpfen tapfer gegen das Tageslicht. Wir selbst verzichten auf das beim Zieleinlauf von Ozeanrennen oft praktizierte Ritual. Ein letztes Mal gehen die Leinen über und schon ist sie vorbei… unsere kleine Rundreise. Wie die Zeit doch fliegt. Große Freude und Dankbarkeit, dass wir uns alle nach drei Jahren gesund und munter wieder in die Arme schließen können. Augen werden verwundert gerieben ob der kaum wieder zu erkennenden Enkel. WhatsApp-Video ist das eine. Live und in Farbe etwas anderes.

Viel Zeit für die Willkommensfeier bleibt leider nicht. Gleich heute Abend fährt La Skipper runter nach Berlin. Morgen früh hat sie ein Termin in ihrem neuen Krankenhaus. Ist schon verständlich, dass ihr zukünftiger Chefarzt den Neuzugang gerne selbst begrüßt, bevor er erst einmal in den Urlaub fährt. Der Rest der Crew verbringt den Abend in der Ferienwohnung meiner Eltern. Ausklang natürlich an Bord unserer Samai.

Der nächste Tag lässt keine Zeit für Müßiggang. Die Kinder verabschieden sich gleich nach dem Frühstück zu den Großeltern und der Skipper fängt an zu räumen. Wir haben drei Jahre praktisch ausschließlich an Bord gelebt. Als Familie mit zwei Kindern. Da sammelt sich einiges an. Zumal wir ja für jedes Klima ausgerüstet sein mussten. Ich zerre alle Taschen raus, räume die Schränke aus. Die Schulsachen haben auch unerwartet viel Platz eingenommen. Unter Deck wächst das Chaos. Im Cockpit sammelt es sich. Ich packe so viele Zeug zusammen, wie mutmaßlich in den Sharan passt. Natürlich wird es mehr. Natürlich quetsche ich trotzdem alles in den Wagen. Das jahrelange Tetris-Training meiner späten Schul- und frühen Studienzeit trägt Früchte… remember „Gameboy“?! ;-)

Am Freitag ist es soweit. Die Schotten sind dicht, die Leinen noch einmal kontrolliert. Ein letztes Klopfen an den Bugspriet. Dann kehren wir unserer Samai den Rücken. Nicht für eine Rundreise, nach der wir wieder zurück an Bord kommen. Wir ziehen aus. Bis auf Weiteres. Mindestens für eine sehr, sehr lange Zeit. Ja natürlich kommen wir zurück. Schließlich werden wir das Boot nicht verkaufen. Das würden wir nicht übers Herz bringen! Trotzdem kommen wir ab jetzt nur mehr zu Besuch. So fühlt es sich an. Ein komisches Gefühl. Zu Hause…

Von der Nord- in die Ostsee

15./16. August 2022

Wir sind also tatsächlich wieder in Deutschland angekommen und liegen im Burkana Hafen im Süden von Borkum. Hier war ich schon einmal 2015 bei der Überführung unserer damals brandneuen Samai von Frankreich nach Deutschland kurz drin. An die Liegeplätze für Segler kann ich mich nicht erinnern. Ist ja auch schon ein paar Jahre her. Doch trotz der neuen(?) Plätze reicht der Platz kaum. Wir gehen als drittes Boot ins Päckchen und werden sogleich von unserem Nachbarn auf seine morgige Abfahrzeit hingewiesen: 6:30 Uhr. Wenn ein Innenlieger im Päckchen losfährt, müssen die Außenlieger Platz machen. Im Grunde passt das aber ganz gut. Damit steht nun auch unsere Abfahrtszeit fest. Sehr zum Leidwesen des vierten Päckchenliegers, der noch längsseits geht. Die Crew kommt erst spät zurück an Bord, ist aber nach kurzem Anklopfen zum Sonnenaufgang schnell draußen um Platz zu machen.

Burkana-Hafen Borkum
Die andere Seite von Borkum

Eigentlich hoffen wir ja darauf noch ein paar Meilen segeln zu können. Das ist in der Nordsee mit ihren oft westlichen Winden eigentlich nicht zu viel verlangt. Heute schon. Wir haben leider keine Zeit, um auf die perfekten Bedingungen zu warten und freuen uns schon darüber, keinen Gegenwind zu bekommen. Dazu sorgt die frühe Abfahrt dafür, dass wir den ganzen Vormittag vom Gezeitenstrom angeschoben werden. So ziehen nach und nach die Ostfriesischen Inseln vorbei… Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und schließlich Wangerooge.

Wangerooge

Zu unserer großen Freude haben wir vor der Ems- und Wesermündung weniger Gegenstrom als befürchtet. Eigentlich versetzt es uns vor allem zur Seite. Die Ebbe verstärkt die Strömung der Flüsse. Damit macht es aber auch absolut keinen Sinn, jetzt schon in die Elbe einzufahren. Wir kämen kaum voran und dürfen als Sportboot ohnehin nicht nachts durch den Nordostseekanal (NOK) fahren. Kurz nach 19 Uhr fällt der Anker vor dem Scharhörner Watt. Gefühlt mitten im Nirgendwo einer weiten Wasserfläche. Einige Fischer gehen ihrer Arbeit nach. Diverse Frachter und Tanker liegen weiter draußen auf Reede. Abendessen. Ausruhen.

Von „malerischen“ Schiffsabgasen vernebelte Windräder in der Wesermündung

Um Mitternacht geht es weiter. Inzwischen strömt die Flut elbeaufwärts. Perfekt für eine schnelle Passage. Die Lichter von Cuxhafen fliegen an Steuerbord vorbei. Nach nur 4½ Stunden erreichen wir den Warteplatz für Sportboote, die bei Brunsbüttel in den Kanal schleusen wollen. Und wir warten nicht lange. Zusammen mit einem anderen gerade eingetroffenen Segler werden wir um 5 Uhr in den Nordostseekanal eingelassen. Das mit den Schleusen haben wir ja gerade in der Staande Mastroute ausgiebig geübt. Klappt.

Noch ist es recht dunkel. Müssen wir in den kleinen Hafen abbiegen? Ich frage über Funk bei der Schleuse, wann im Sinne der NOK-Schifffahrt gerade „Nacht“ ist. Die erfreulich Antwort lautet, dass wir schon in der sog. Tagfahrzeit seien. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Kollege evtl. vergessen hat, die Stunde Sommerzeit auf die in der Tabelle angegeben Zeiten zu rechnen?! Egal. Wir motoren direkt weiter.

Die Passage durch den NOK zieht sich. Knapp 100km quer durch Schleswig-Holstein. Immer wieder teilen wir uns das Fahrwasser mit großen Pötten. Kein Wunder, ist der Nordostseekanal mit über 30.000 Passagen pro Jahr doch die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Das sind mehr Schiffe als im Suez- und Panamakanal zusammen! Aufgrund der Größenbeschränkungen sieht das im Hinblick auf die transportieren Güter jedoch anders aus. Hier liegt der Suezkanal mit weitem Abstand vorne.

Schwebefähre an der Rendsburger Hochbrücke (1913)
Maler gesucht?!

Nach gut 9 Stunden erreichen wir Kiel. Hier bezahlen wir am Wartesteg die seit einigen Jahren für Sportboote erhobene Gebühr und machen dem Namen unseres Liegeplatzes alle Ehre. Wir warten. Aktuell steht nur eine große (immerhin Doppel-)Schleuse zur Verfügung. Der Kanal ist in die Jahre gekommen. Erbaut Ende des 19. Jahrhunderts stammt tatsächlich ein Großteil der heute eingesetzten Technik ebenfalls noch aus dieser Zeit. Da ist es zwar erfreulich, dass in Brunsbüttel in einem laut Eigenwerbung „Jahrhundertbauprojekt“ eine neue große Schleuse gebaut wird. Das bringt nur leider wenig, wenn der Engpass auf der anderen Seite in Kiel bestehen bleibt.

Wir warten. Es hätte so schön sein können. Eigentlich wollen wir doch auch in der Ostsee gleich noch ein paar Meilen machen. Doch die Berufsschifffahrt hat Vorrang. Wir warten. Ganze drei Stunden lang. Dann endlich hat man ein Erbarmen und lässt uns „Kleinvieh“ zu einem der großen Pötte mit in die Schleuse. Am 16. August kurz vor 18 Uhr schwimmt die Samai wieder in der Ostsee.

Gut sechs Stunden motoren wir weiter einmal quer durch die zum Glück gerade ruhigen Schießgebiet der Kieler Bucht Richtung Fehmarn. Gegen Mitternacht tasten wir uns in die große Bucht vor Orth. Ein letztes Mal auf unserer kleinen Reise fällt der Anker.

Erstes Lebenszeichen aus Deutschland

14. August 2022

Es ist soweit. Wir sind wieder hier. Nach etwas mehr als drei Jahren und einem Monat hat die Samai wieder deutsche Gewässer unter dem Rumpf. Um 16 Uhr haben wir in Borkum festgemacht. Die Windvorhersage für die nächsten Tage ist ruhig. Motorfahrt. Nicht schön, aber immerhin kein Gegenwind. Beim Timing sorgt lediglich die (Gezeiten-)Strömung für ein paar Tränen des Lachens und des Weinens. Mal sehen, wie wir das hinbekommen.

Egal. Unsere Ankunft im Heimathafen Kühlungborn für Mitte/Ende nächster Woche ist praktisch gesichert. Auf den letzten Drücker. Am 22. August sitzen die Kinder wieder in der Schule, am 1. September fängt La Skipper ihren neuen Job an. Und der Skipper? Wird sich definitiv nicht langweilen.

Aber bis dahin sind ja auch noch ein paar (viel zu wenige) Tage. Obwohl man am Bordklima inzwischen schon recht deutlich merkt, dass wir nicht im Aufbruch, sondern bei der Rückkehr sind. Es wird Zeit.

Wir werden hier – abgesehen von den noch offenen Berichten über die Niederlande (inkl. der Staande Mastroute), zwei Inseln der Azoren und Costa Rica – auch über unserer Rückkehr in den Alltag berichten. Wir wollen dieses Thema aus zwei Gründen nicht auslassen. Einerseits gehört es halt irgendwie schon zu unserer kleinen Auszeit unter Segeln. Andererseits hört und liest man oft darüber, wie schwierig das sei. Punkt. Keine weitere Information. So wollen wir nicht enden. Wir sind schließlich kein „Alles-eitel-Sonnenschein-Wohlfühl-Blog“… nicht wahr?! ;-)

In diesem Sinne bis bald!

Mit dem Fahrrad durch Brest

27. Juli 2022

Die Marina du Moulin Blanc liegt zwar nicht zentrumsnah, hat jedoch andere Vorzüge. Einer davon ist der im Preis inbegriffene Fahrradverleih. Vier Drahtesel stehen zur Verfügung, vier Familienmitglieder wollen versorgt werden. Dementsprechend starten wir kurz nach Büroöffnung, bevor jemand anderes auf die Idee eines Fahrradausfluges kommt. Die Innenstadt von Brest liegt nur gut 5km entfernt. Auf gehts…

Zuerst müssen wir einmal ein Lob der Fahrradfreundlichkeit aussprechen. Ok, an die Niederlande mag es vielleicht noch nicht heran reichen, aber Deutschland wird doch recht deutlich abgehängt. Gut ausgeschildert finden wir auf eigenen, teils separierten Fahrradspuren und Wegen unser Ziel. Und wenn doch mal die Straße überquert werden muss, hält ausnahmslos jedes Auto für uns an. Vorbildlich!

Wir beginnen unseren Ausflug an der Marina du Château. Hier lag vor Jahren der heutige Skipper der Samai bei Kojencharter mit seinem damaligen Skipper der Antares. Liebe Grüße!

Weiter geht es Richtung Stadtzentrum. Auf dem Weg erinnert das kaum zu übersehende Naval Monument de Brest (Tour rose) an die Erfolge der U.S. Navy im ersten Weltkrieg. Ein im mehrfacher Hinsicht interessanter Standort für diesen Bau.

Das Thema Krieg spielt auch auf dem zentralen Ensemble von Place de la Liberté und Square Mathon eine unübersehbare Rolle. Mahnend ragt das 1954 errichtete Monument aux Morts in den Himmel und erinnert an die für Frankreich gefallenen Kinder der Stadt Brest.

Auf der anderen Seite des auch für Veranstaltungen sowie den Weihnachtsmarkt genutzten Platzes informieren Tafeln über die Geschichte der Stadt, lagen Liegen zum Verweilen ein, auf dem Rathaus weht die Tricolore und in der benachbarten Touristeninformation erhält man sogar vergünstigte Tickets für viele Attraktionen.

Die von hier abgehende, von der einzigen Tramlinie der Stadt befahrene Einkaufsstraße trägt einen sonderbaren Namen: Rue de Siam. Sie erinnert damit an den Besuch einer siamesischen (heute thailändischen) Gesandtschaft im Juni 1686. In Bangkok gibt es mit einer Rue de Brest das Gegenstück dazu.

Brest hat sehr unter dem 2. Weltkrieg gelitten. Die Alliierten haben die Deutsch besetzte und militärisch genutzte Stadt seit 1941 bombardiert und nach der Landung in der Normandie ganze 43 Tage belagert. Bei Übernahme durch amerikanische Truppen war von Brest nicht viel übrig. Der anschließende Wiederaufbau erschuf aus den Trümmern der alten eine völlig neu gestaltete Stadt.

Das gilt auch für die ursprünglich barocke Église Saint-Louis de Brest aus dem 18. Jahrhundert. Am 16. August 1944 ausgebrannt, wurde sie von 1953-58 im modernen Stil neu erbaut. Sicherlich eines der eher ungewöhnlichen, doch nicht weniger beeindruckenden Gotteshäuser, die wir in letzter Zeit besucht haben.

David – Moses – Abraham

Nun lassen wir die Fahrräder stehen und wechseln das Transportmittel. Seit 2016 verbindet die Téléphérique de Brest die gegenüberliegenden Ufer des kleinen Flusses Penfeld. Eine 82m hohe Stütze sorgt für freie Schifffahrt und einen tollen Ausblick.

Das Quartier des Capucins besteht schon seit über 150 Jahren aus Werkshallen der französischen Marine. Als diese vor knapp 20 Jahren ausgemustert und einige Zeit später an die Stadt verkauft werden, entsteht daraus bzw. darin und drumherum ein völlig neues Stadtviertel. In diesen Hallen, den im Januar 2017 eröffneten Ateliers des Capucins endet auch die kurze Fahrt über den Fluss. Darin entfaltet sich ein besonderes Ambiente. Gastronomie, eine große Mediathek, eine Kletterwand und kleine Geschäfte, aber auch Leerstand umrahmen die große Weite des Innenraums, wo zwischen alten Maschinen und Bauteilen einige Kinder mit dem Ball spielen. Das Ganze ist offensichtlich noch in der Entwicklung.

Zwei Höhepunkte sind jedoch schon fest etabliert. Im 70.8 (soviel Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt) präsentiert sich als Außenstelle des OcéanOpolis eine „Galerie der maritimen Innovationen“. Direkt vor deren Tür steht das 1810 für Napoleon Bonaparte gebaute Canot de l’Empereur. Mit seinen 18,80m Länge übertrifft dieses Kanu locker unsere Samai… an goldener Pracht sowieso. ;-)

Natürlich darf der mittelalterliche Tour Tanguy aus dem 14. Jahrhundert nicht auf dem Besuchsprogramm fehlen. Auch er überstand die Zerstörung von Brest nicht unbeschadet, ist in seiner Substanz aber eines der wenigen historischen Gebäude der Stadt. Das kleine Museum darin zeichnet mit alten Karten, in detailfreudigen Modellen und Dioramen sowie über historische Fotos und Postkarten ein Bild der ursprünglichen Stadt. Fotografieren leider verboten.

Zum Abschluss machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Château de Brest, das heute vor allem militärisch genutzt ist. Hier sitzt der Seepräfekt für die gesamte französische Atlantikküste. Lediglich das Musée national de la Marine steht Besuchern ohne Uniform offen. Doch es ist schon recht spät und die Familie leidlich erschöpft. Da fahren wir jetzt lieber zurück zu unserer Samai.

Ein letzter Stopp ist dann aber doch noch drin. Ganz in der Nähe der Marina du Moulin Blanc liegt eine Filiale von Paul. Hier holt Samuel morgens leckere Baguettes, doch es gibt auch Patisserie, Eis… und Crêpes. Ein lecker Abschluss für einen schönen Ausflug.