Segelmanöver auf dem Atlantik

Auf dem Schlag zu den Kap Verden hatte wir ja nicht wirklich viel an den Segeln zu tun. Doch eines Tages stand wirklich mal ein „Chicken Turn“ auf dem Programm. Ich habe keine Ahnung, ob die Q-Wende auf englisch wirklich so heisst. Aber auf einem Männer-Mittelmeerturn von Mallorca nach Pisa mit Westküsten-US-Amerikaner an Bord hatte wir uns vor einigen Jahren auf diesen Begriff geeinigt… und dieser hat auch auf der Samai Eingang gehalten.

Auch wenn La Skpper die Bedingungen sicher ganz anders schildern würde… wir fuhren nur mit Groß im zweiten Reff bei einer achterlichen Welle/Dünung von 2-3 Metern. Auf eine Halse hatten wir keine Lust, also musste der Bug einmal rum durch den Wind. Der Skipper stand an der Großschot bereit zum Dichtholen sowie anschließenden Auffieren und schaut erwartungsvoll zu La Skipper am Steuer. Und warten. La Skipper schaut über ihre Schulter nach hinten. „Moment, da kommt eine Welle!“ Ach was. Sowas passiert auf dem Atlantik schon mal. „Da kommt noch eine… gleich geht es los!“. Wirklich? Der Skipper spielt mit dem Gedanken eines Nickerchens während La Skipper mit ungewohnter Ruhe Welle um Welle abwartet. Sicherheit geht vor. „Achtung! Welle!!!“ Dieser Ausruf kam zugegebener Maßen vom Skipper höchstselbst. La Skipper lächelt nur müde und wartet geduldig. Doch irgendwann war es soweit. Das Ruder wird gelegt, wir luven an, gehen tatsächlich durch den Wind, fallen ab, der Skipper baut den Bullenstander um und letztlich sind wir auf Kurs.

Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass auf den langen Schlägen nicht so viele Segelmanöver anstehen… das könnte sich sonst etwas ziehen!

Überfahrt zu den Kap Verden (1)

Widmung

Ganz liebe Grüße nach Bayern… ihr habt es ja nicht anders gewollt! (s. Kommentar zur Biskaya)

Eins

Nachdem alles vorbereitet war, ging es endlich los. Raus aus Europa, weg vom immer noch latenten Urlaubsgefühl. Gut 800sm nach Cabo Verde. Nun beginnt die Weltumseglung doch erst so richtig! Und sie begann unter Motor. Aber nun gut, das gab immerhin die Gelegenheit, mit dem Wassermacher die leeren Trinkflaschen und -kanister nochmal aufzufüllen. Und schon an der Südostecke von Gran Canaria, in Sichtweite des malerischen Urlaubszentrums um Playa Ingles und Maspalomas wurden die Segel gesetzt.

Und dann machte der Skipper etwas, was er sicher schon öfters mal hätte machen können, aber erst jetzt war der richtige Moment gekommen: Duschen! Nein, das soll jetzt nicht bedeuten, dass das die erste Dusche seit dem 8. Juli war. Aber dieses Mal war es nicht in einer Hafeneinrichtung oder der wunderbaren Nasszelle der Samai… es war an Deck. Der Wind blähte die Segel, im Kielwasser noch die Silhouette von Gran Canaria zu sehen, an Steuerbord der Gipfel des Teide auf Teneriffa zu erahnen und vom Himmel brannte die Sonne. Da begab sich der Skipper wie Gott ihn schuf zur Heckdusche und übergab den in den letzten Tagen angesammelten Schweiß und Dreck einem wohlverdienten Grab in der See.

Pathosalarm: Ein großartiges Gefühl von Freiheit!

Die erste Nacht zeigte uns dann mal etwas deutlicher die Bedeutung des Wortes „Meeresleuchten“. Glitzerndes Wasser am Heck sieht man ja regelmäßig. Lustig auch, wenn es beim nächtlichen Spülen in der Kloschüssel glitzert. Und einmal hatte ich aus einer nächtlichen Laune heraus an der tagsüber nass gewordenen „Bootsdecki“ von Maila geklopft… auch sie glitzerte. Aber seit dieser Nacht gibt es regelrechte Unterwasserblitze zu sehen. Zwischen all den kleinen Glitzerpunkten tauchen immer wieder dicht unter der Wasseroberfläche größere Lichtflecken auf, teils mehrfach an einer Stelle. Insbesondere natürlich im vom Boot „gestörten“ Heckwasser, aber auch sonst rundherum… gerne auch mal so hell, dass man unwillkürlich an das Leuchtfeuer einer Tonne. Doch glaubt man den Erzählungen von erfahrenen Langfahrtseglern ist auch das nur der Anfang. Unvergleichlich sei der Anblick einer nächtlich heraneilenden Delfinschule, die das Meer zum Leuchten bringt… wir sind gespannt!

Auch auf die Gefahr hin, dass es langweilig wird: schon wieder ein blinder Passagier mit Tentakeln… inzwischen der dritte. Wir befragten dann mal die Bordbibliothek und wurden tatsächlich in „Was ist Was – Geheimnis Tiefsee“ fündig. Augenscheinlich handelte es sich um einen mit gut 20cm voll ausgewachsenen Glaskalmar. Diese Tiere leben normalerweise in einer Tiefe von 1.600 bis 2.500 Metern, beteiligen sich aber rege an der nächtlichen Wanderung von Tiefseebewohnern zur nährstoffreichen Wasseroberfläche. Dabei nutzen sie eine Art wasserbetriebenen „Düsenantrieb“. Das ist schnell, führt aber ganz offensichtlich auch dazu, dass die Wasseroberfläche gerne mal „übersehen“ wird. Und wenn dann zufällig so ein Segelboot vorbeikommt, kann es ganz schnell der letzte Besuch hier oben gewesen sein.

Zwei

Einem guten Rat folgend versuchten wir am nächsten Tag unser Angelglück mit dem Tiefseebesucher der letzten Nacht als Köder. Leider hielt er sich nicht lange, so dass wir dann doch wieder auf die bunten Plastikköder umgestiegen sind. Weiterhin ohne Erfolg.

Überhaupt beglückte uns die Tierwelt bisher mit weitgehender Abwesenheit. Dafür schwammen eine Leuchtstoffröhre sowie ein großer blauer Plastikkanister vorbei… doch zum Thema Meeresmüll hatte ich mich ja schon an anderer Stelle geäußert. Wir wollen unseren Beitrag dazu natürlich möglichst geringhalten, weshalb mit Abfahrt von Gran Canaria und den folgenden Zeiten auf See und vermehrt vor Anker an Bord der Samai ein neues Müllmanagement praktiziert wird:

  • Plastikmüll wird abgewaschen(!) und im normalen Mülleimer gesammelt. Die Entsorgung erfolgt ausschließlich bei geeigneter Gelegenheit an Land.
  • Papier und Pappe (einschließlich Toilettenpapier) wird gesammelt und bei entsprechenden Windbedingungen (erstmalig voraussichtlich vor Sal) in einem eigens dafür vorgesehenen Eimergrill verbrannt. Und nein, wir werden das nicht mit einem BBQ verbinden!
  • Organische (insb. Koch- und Essens-) Abfälle werden in Landnähe gesammelt und ansonsten zur Resteverwertung der offenen See übergeben.

Schon am Morgen hatte der Wind soweit nachgelassen, dass wir leider schon wieder die „eiserne Genua“ anwerfen mussten. Aber die Wettervorhersage versprach Besserung. Und dann bekamen wir noch einen gefiederten Gast. Immerhin gut 120sm (über 220km) vor der afrikanischen Küste besuchte uns ein kleiner, schwalbenähnlicher Vogel, der hier irgendwie nicht hingehörte. Das war kein Seevogel, der uns auf der Suche nach einem Landeplatz umkreiste. Und dann wurde er dabei auch noch von der Crew gestört, die am Bug unbedingt Delfine beobachten (und fotografieren und filmen ;-) wollte. Allerdings war in dieser Zeit das Heck ungestört, was das Vögelchen auch gleich für Kurzbesuche unter Deck nutzte! Letztlich fand es in den Falten des Großsegels einen geschützten Ruheplatz für die Nacht.

Die zweite Nacht begann recht abwechslungsreich. Dieses Mal hatte sich Maila als Übernachtungsgast in der Pflicht (also unter freiem Himmel an Deck) angesagt. Ihr Bericht dazu folgt demnächst. Als die restliche Crew dann im Land der Träume weilte, wähnte sich der Skipper auf den Gewässern der Überraschung.

  • Harmloser Auftakt war das Licht Steuerbord voraus. Kein AIS, eventuell ein aufgehender Stern? Nein, da kam noch mehr Licht, ein Schiff. Mal auf dem Radar schauen… nichts?!? Tatsächlich zeigte sich der Fischer erst recht spät als auf die Karte gelegtes Radarecho.
  • Ungefähr zu der Zeit, hatte er uns auch schon mal ausgeleuchtet. Doch dann wurde es plötzlich fast taghell an Deck. Der Blick schnellte nach rechts oben und ich fragte mich ungläubig, ob da jemand eine – zugegebenermaßen recht flotte – weiße Signalrakete abgeschossen hatte. Es war dann aber wohl doch ein Meteorit in von mir bisher nicht gesehenen Strahlkraft.
  • Der Fischer war gerade entspannt durchgegangen, da sah ich ein ganz anderes Licht, dass mich verwundert um Fernglas greifen ließ: Fl(1) W 10s! Für nicht-Segler: das bezeichnet die sog. Kennung eines Leuchtfeuers (Tonne, Leuchtturm etc.), in diesem Fall ein einzelner, kurzer, weißer Lichtblitz alle 10 Sekunden. An Steuerbord. Bei gut 3km Wassertiefe laut Karte, auf der für diese Stelle sonst nichts verzeichnet ist. Dann, gut 2 Seemeilen weiter, das gleiche nochmal. Gemäß Kreuzpeilung sind wir in nur etwa 400m Entfernung daran vorbeigefahren. Unsere beste Vermutung ist, dass es sich um beleuchtete „Fischerfähnchen“ handelte, die ein – zugegebener Maßen recht langes – Netz kennzeichnen… aber wir lassen uns da auch gerne eines Besseren belehren.
  • Während ich dieses zweite Feuer beobachtete, sah es so aus, als wenn sehr viel dichter etwas am Boot vorbeizieht… irgendeine Reflexion… Augen?! Halluzinationen schon in der zweiten Nacht? Das wäre persönlicher Rekord. Wozu haben wir einen Suchscheinwerfer an Bord?! In dessen Licht zeigten sich dann immer wieder orange leuchtende Reflexionen, die gerne auch mal aus dem Wasser sprangen. Die „echten Fliegenden Fische“ dagegen flattern länglich silbern durch den Lichtkegel. Einer zog sogar in Augenhöhe dicht am Boot vorbei. Besonderer Mut, Leichtsinn oder nur guter Aufwind? Zum Glück landeten sie wieder im Wasser (noch!). Schließlich schwamm dann noch so ein komisches, rundliches Ding orange umher… aber das war mir einen Zwischenstopp dann doch nicht Wert.

Gegen Mitternacht gab es auch endlich wieder genug Wind zum Segeln, nur leider war der Bullenstander (eine Sicherung, die ein unkontrolliertes Umschlagen des Baumes = Patenthalse bei Wind von hinten verhindern soll) auf der falschen Seite. Und beim Umbauen sah ich dann den Schwanz unseres kleinen gefiederten Gastes vorne in den Falten des Großsegels. Den konnte ich nun wirklich nicht wecken. Also dann doch nur mit Vorsegel platt vor dem Wind weiter Richtung Kap Verden.

Kurze Zeitreise in die Gegenwart

Heute ist Montag, der 7. Oktober 2019. Ja, ein Blick in den Kalender bestätigt das… zumindest am Tag der Veröffentlichung. Heute sind wir in Mindelo auf den Kap Verden, im Blog dagegen haben wir jetzt gerade mal die Kanarischen Inseln fertig geschrieben. Heute werfen wir die Leinen in „Afrika light“ los und setzen Segel Richtung Südamerika. Die Doldrums (also der Bereich mit wenig Wind am Äquator) sind aktuell leider recht breit. Also werden wir nicht nur den Dieseltank füllen, sondern auch noch gut 100 Liter Diesel in Kanistern bunkern. Das sollte dann eigentlich reichen. Der Kurs geht erst Richtung Süden, so dass wir den Äquator in etwa bei 27 Grad West überqueren. Danach schlägt dann irgendwann der Südost-Passat durch, so dass wir die zweite Hälfte mit halbem oder sogar am Wind segeln (aber wohl wenigsten nicht motorn) müssen.

Mit der „zweiten Hälfte“ meinen wir übrigens etwa eine Woche. Ja, der direkte Weg sind „nur“ 1.550sm (immerhin gut 2850km) und damit nicht mal doppelt soviel wie die 820sm von den Kanaren zu den Kap Verden. Diesen Weg hatten wir in etwas mehr als sechs Tagen geschafft. Wegen der vorherrschenden Winde werden wir den direkten Weg nach Brasilien aber nicht fahren. Der geplante Kurs packt schon mal 100sm drauf. Und dann hatten wir zu den Kap Verden auch recht vernünftigen Wind. Das wird nach Brasilien (zumindest in der ersten Hälfte) wohl nicht so. Daher rechnen wir mit ca. 2 Wochen für die Überfahrt. Wenn es weniger wird, sind wir nicht böse. Wenn es länger dauert, dann ist es halt so. Verhungern oder verdursten werden wir jedenfalls nicht.

Damit sind wir auch – abgesehen von der SEHR langsamen Kurzwelle sowie dem Iridium-Satellitentelefon – zwei Wochen offline. In meiner Email-Abwesenheitsmeldung schreibe ich immer „not within reach of modern communication infrastructure“. In der heutigen Zeit ein ungewohntes, aber auch nicht schlechtes Gefühl.

Damit an dieser Stelle keine Funkstille herrscht, haben wir einige Beiträge schon fertig geschrieben und zur Veröffentlichung im 2-Tages-Rhythmus eingeplant… es lohnt sich also vielleicht durchaus, hin und wieder mal reinzuschauen?! Unsere Position werden wir über Kurzwelle etwa alle 2-3 Tage auf Spotwalla veröffentlichen. Und da sich Nachtschichten auf See ja wunderbar zum Schreiben von Blogeinträgen eignen, werden wir bei Ankunft in Südamerika auch wieder einiges zu veröffentlichen haben… in der Hoffnung, dass es den geneigten Leser(inne)n nicht irgendwann mal langweilig wird.

Wir freuen uns über jeden Besucher und jedes Feedback und jeden „Like“… also bitte… bleibt uns gewogen!