In de Waddenzee

Schon bevor Borkum querab lag zeigte ein Blick in den Tidenkalender, dass wir eigentlich zum perfekten Zeitpunkt in das Wattenmeer einfuhren. Es war etwa zwei Stunden vor Hochwasser, so dass wir ein gutes Zeitfenster hatten, im Schutz der Inseln noch ein paar Meilen nach Westen zu machen… in die Niederlande! Und so ging es schon kurze Zeit später über unser erstes Wattenhoch. Auf der Seekarte werden mit grüner Farbe ja Bereiche angezeigt, die bei Niedrigwasser trockenfallen… mit anderen Worten: Land! Hier stehen dann auch nicht wie sonst Tiefenangaben, sondern die unterstrichenen Zahlen sind Höhenmeter.

Doch wenn man hinter den Inseln vorankommen möchte bleibt einem nichts anderes übrig, als auch betonnte Fahrwasser über eben solche grünen Gebiete zu nehmen. Dabei ist einiges zu beachten:

  • Offensichtlich kann man abhängig vom Tiefgang des Bootes nur in einem mehr oder weniger engen Zeitfenster rund um Hochwasser durchfahren.
  • Man sollte die Fahrt anpassen, also bei 10cm Wasser unter dem Kiel nicht mit 6kn durchrauschen.
  • Man sollte sich sehr genau an die Tonnen halten… wenn sie auch noch so komische Kurven durch die Landschaft zeichnen.
  • Allgemein weist die Seekarte im Watt auf „veränderliche Tiefen“ hin, und das ist eine der zuverlässigsten Angaben überhaupt, die man einer Seekarte entnehmen kann. Die sichtbare Betonnung und das eigene Lot haben also immer Priorität!
Gut Ausschau halten!

Das Zeitfenster passte, der Tiefgang der Samai ist bei aufgeholtem Schwert gerade mal 1,1m und da wir ohnehin gegen den Wind unter Motor fahren mussten, ließ sich auch die Geschwindigkeit gut regulieren. Also los! Wir waren dann tatsächlich noch über drei Wattenhochs gefahren, bei denen die niedrigste Lotung 1,2m betrug. Na wenn das mal nicht üppig „Wasser unter dem Kiel“ ist. Abends in Lauwersoog angekommen konnten wir endlich eine Gastlandflagge an Steuerbord setzen.

Am nächsten Morgen von liebsäuselndem Schraubenlärm geweckt staunten wir nicht schlecht, als sich direkt an unserem Heck ein „großer Pott“ in der engen Hafengasse zeigte… und wieder rausfuhr… und wieder reinfuhr… es wurde ausgebaggert. Nicht viel später sind wir dann auch wieder raus. Was den angesagten südlichen Wind angeht war es gutes Timing. Was den Flutstrom anging war es schlechtes Timing. Wir quälten uns also hinaus auf die Nordsee, konnten dort dann aber tatsächlich mal richtig segeln… erstmals seit Bremerhaven… ganze 30 Seemeilen an Ameland vorbei! Doch dann stand ein wenn auch nur leichter Kurswechsel an und der Wind kam wieder auf die Nase. Also rein ins Watt und direkt am Eingang des nächsten Wattfahrwassers den Anker geworfen.

Der Wetterbericht sagte schon zu diesem Zeitpunkt für das Wochenende einen beständigen nördlichen Wind vor der Niederländischen Westküste und im Kanal voraus. Den durften wir keinesfalls verpassen. Folglich war das nächste Tagesziel die westlichste der Westfriesischen Inseln: Texel. Ein weiter Weg mit mehreren Wattenhochs, so dass wir schon gut zwei Stunden vor Hochwasser Anker auf gegangen und in das direkt benachbarte Fahrwasser eingefahren waren. Sehr früh, aber eine Armada entgegenkommender Boote ließ die Zuversicht wachsen, dass das schon passt. Dann kam die rote Tonne O54.

Wir hatten schon geraume Zeit keine 2m Wassertiefe, zeitweise galten 1,5m schon als entspannt. Doch dann, direkt neben der Tonne wurde es so richtig flach… 1,2m… 1,1m… 1,0m… —m… und schließlich sanft abgebremst saßen wir auf Grund. Hmm… was nun? Natürlich konnten wir einfach warten, schließlich hatten wir ja noch Flut. Letztlich haben wir dann aber ganz vorsichtig zurückgesetzt, das Boot sanft gedreht und es einfach 10m weiter links versucht. Mit Erfolg! Natürlich wurden die entgegenkommenden Boote von uns gewarnt. Endgültig beruhigend war dann der Anblick eines entgegenkommenden Niederländischen Plattbodenbootes, dessen Fahrt ebenfalls sanft auf null gebremst wurde. Es passiert also nicht nur uns Wattneulingen, sondern auch erfahrenen Kapitänen.

Der weitere Weg war dann fast schon Routine. Mal unter Segeln, mal unter Motor, mal mit viel Wasser unter dem Kiel, mal mit weniger, mal gegen den Strom und gerade die letzten Stunden gut mit dem Strom ging es nach Texel, wo wir uns eine knappe Meile nördlich der Hafeneinfahrt für die Nacht vor Anker legten. Der nächste Morgen begrüßte uns sommerlich…

Sommerwetter

Am Freitag dann in den empfehlenswerten „Waddenhaven Texel“ bei Oudeschild verholt, den Dieseltank vollgemacht, Vorräte aufgefüllt, Kinder auf dem Spielplatz toben lassen, nochmal vernünftig gekocht… und dann ist doch tatsächlich mit der „Zeevogel“ eine andere Allures 39.9 reingekommen (Baunummer 17). Es ist schon ein großer Zufall, wenn sich zwei Boote, von denen gerade einmal gut 30 Stück gebaut wurden, ohne Verabredung im Hafen treffen.

Damit sagen wir der Waddenzee auf Wiedersehen und peilen für das Wochenende den ersten langen Schlag unter Segeln nach England oder Frankreich an… mal sehen, wohin der Wind uns bringt.

Begrüßungsgeschenk vom Hafenmeister

Holpriger Start

Für Montag, den 8 Juli steht im Logbuch der Samai geschrieben: „0440 – Motor an, danach Leinen los“. Ja, wir sind wirklich losgekommen.

Vor einem Jahr ist unser damaliger Stegnachbar „Gepetho“ auf Ihre Atlantikrunde aufgebrochen. Die Nordsee wurde bei schönstem Wetter und guten Wind schnell passiert. Und auch auf dem TO-Seminar in Laboe wurde gesagt, dass man gleich am Anfang einen langen Schlag machen sollte… „schließlich wollt Ihr über die Weltmeere segeln!“. Auch bei uns sollte es eigentlich gleich mal ein längerer Schlag werden, Borkum als letztes mögliches Ziel in Deutschland nur ein Backup. Doch wie so oft kam es mal wieder ganz anders.

Die Weser hoch ging es mit Stromunterstützung noch ganz gut, wenn sich aufgrund des NW-Windes auch zunehmend der Effekt „Welle gegen Strom“ einstellte (die Wellen also kürzer und steiler und damit deutlich unangenehmer wurden). Bei Wangerooge nach Westen abgebogen. Hoffnungsvoller Blick auf die Windanzeige… nein, so hoch an den Wind kommen wir unter Segeln nicht im Guten ran. Also weiter unter Motor. Dazu rüttelte uns eine raue See von Steuerbord durch. Zwischendurch sind wir tatsächlich eine halbe Stunde gesegelt, aber der kombinierte Strom- und Windversatz betrug gut und gerne 20 Grad und trieb uns zielstrebig auf eine der Ostfriesischen Inseln zu. Also weiter mit der „eisernen Genua“.

Sommer auf der Nordsee

So gegen 14 Uhr hatten die Kinder dann eine grandiose Idee: „Wir wollen einen Film schauen“. Es dauerte nur knapp 20 Minuten, bis sie wieder an Deck waren und sich spontan mit „Kotzen im gemischten Doppel“ beschäftigten. Das kam dann aber doch so plötzlich, dass keine geeigneten Gefäße zur Hand waren. Nun ja, mit Feuchttüchern, Pütz und Bürste lässt sich ja fast alles irgendwie wieder sauber bekommen.

Nicht nur das… auch La Skipper lag den ganzen Tag eher zurückhaltend an und unter Deck und kämpfte mit chronischer Übelkeit. Da blieb dem Skipper keine andere Wahl als zum Wohl der Crew links abzubiegen und in den Hafen von Norderney einzulaufen. Durch das bei Windstärke 4-5 aus NW alles andere als ruhige Dovetief ging es in den Schutz der Insel und der Crew ging es schlagartig besser. Die Seebeine werden wohl erst noch wachsen müssen.

Am nächsten Morgen dann weiter. Im Hafen war der Wind zwar etwas böig, aber nicht sehr stark. Allerdings waren wir ja auch noch in der Abdeckung. Kaum um die Ecke gebogen blies es uns wieder mit gut 5 Beaufort entgegen.

Hier war die Welt noch in Ordnung!

Bei Norderney gibt es zwei Zufahrten:

  • Das uns vom Vortag bekannte Dovetief relativ dicht an der Küste.
  • Der Schluchter als betonntes Fahrwasser durch ein Flach mit laut Seekarte unter 1m Tiefe.

Letzteres schien uns bei der vorherrschenden Welle als zu riskant, daher der lange Umweg durch das Dovetief. Eine weitere grandiose Entscheidung. Man nennt es wohl „Grundsee“. Etwas, das Segler gerne vermeiden. Und wir waren offensichtlich mitten drin. Der Skipper war unter Deck gerade damit beschäftigt die Folgen eines aufgesprungenen Schapps aufzuräumen als Ihn die zarten Rufe der in Jogginghosen am Steuer inzwischen völlig durchnässten La Skipper erreichten. Nein, es regnete nicht. Es waren Brecher von 3m (sic!) die Boot und Besatzung überspülten und durchschüttelten. Das erforderte konzentriertes Steuern. Und da nicht nur die Zeit, sondern insbesondere auch die menschliche Zeitwahrnehmung ausgesprochen relativ ist, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis wir da endlich raus waren.

Lustig ging es weiter: 5 Beaufort von vorne und weiterhin 3m (immerhin nicht brechende) Welle bescherten uns auch am zweiten Tag eine lustige Motorfahrt. Das machte wenig Spaß und Sinn. Die Folge war eine weitere Planänderung: Hinter Borkum ging es wieder in den Schutz der Inseln. Aber sollte es wirklich Borkum sein? Der Yachthafen hat einen ausgesprochen schlechten Ruf und der Burkana-/Schutzhafen daneben (hier lag die Samai schon einmal vor vier Jahren bei der Überführung nach Deutschland) ist inzwischen wohl für Yachten gesperrt. Und schließlich wollten wir doch nun endlich mal aus Deutschland raus. Also ging es hinter den Inseln weiter in die seglerisch geheimnisvolle Welt des Wattenmeeres…